Aufgeregt saß Jimin vor dem Prüfungsraum.
Es stand nur noch die letzte mündliche Prüfung an, dann wäre er fertig mit allem und würde am Freitag sein Diplom in den Händen halten.
Wenn er es überhaupt schaffen sollte. Denn gerade nagten wieder die Selbstzweifel an ihm.
War er doch nicht gut genug?
In der letzten Zeit hatte er oft Probleme gehabt, neue Worte zu lernen. Sein Kopf war ein reines Schlachtfeld und alleine der Gedanke an lernen machte ihn fertig. Er hatte das Gefühl, dass alles fürchterlich schlimm gelaufen war.
"Park Jimin?"
Die Tür zum Prüfungsraum öffnete sich, weshalb Jimin mit nassgeschwitzten Händen aufstand.
Seine Zeit war gekommen.
Und er bemerkte, wie er wieder überdramatisierte. Es war nicht gesund.
In dem Raum saßen fünf Leute. Jimin wusste, dass sie die Prüfungskommission sein mussten. Denn immerhin ging es darum, welche Art des Sprachenzertifikats er erlangen würde. Er würde sich anstrengen, aber er war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er das alles wollte.
Amerika war seine Heimat.
Er war Amerikaner, kein Koreaner.
Sein Name war Christian, nicht Jimin.
Er bereute gerade alles.
"Hallo Jimin." Seine Lehrerin deutete dem jungen Mann an, sich zu setzen. Und genau das tat Jimin.
"Wir haben uns wie jedes Jahr für die angenehmste Art entschieden, zu prüfen, wie gut du mündlich in einer normalen Situation sprichst. Du hast schon alle anderen Prüfungen bestanden, als Beruhigung."
Jimin fühlte, wie sein Gewicht von den Schultern fiel.
"Diese Übung wird wenig entscheiden, es zeigt nur, wie gut dein allgemeines Verständnis ist. Es kann zwischen zwei Notenpunkten entscheiden, wenn du in der Mitte stehst. Du kannst dich nur verbessern, nicht verschlechtern."
Verstehend nickte Jimin. Er würde trotzdem alles geben. Vielleicht half es ihm ja.
"Für die Übung haben wir entschieden, dass du ein ganz normales Szenario durchspielst. Du sollst dich mit allen Altersklassen gut unterhalten können. Wichtig waren uns dabei Kinder. Denn Kinder reden nicht oft klare und strukturierte Sätze. Wir würden die Übung jetzt sehr gerne starten. Bist du bereit, Jimin?"
"Ja, bin ich."
Tief atmete Jimin durch. Sie würden nur einige Sätze miteinander tauschen, danach wäre endlich alles vorbei. Nur in dem Moment, in dem seine Lehrerin zu starten schien, klopfte es an der Tür.
"Warte kurz Jimin."
Lächelnd stand die Frau auf, ehe sie die Tür anstrebte und öffnete. Und kurz darauf trat Chanhyun aufgeregt in den Raum, weshalb Jimins Augen groß wurden.
"Channie? Was machst du hier?"
"Ich spiele jetzt mit dir Prüfung! Ich habe deshalb sogar Kindergarten frei! Appa hat gesagt, dass ich gaaaanz wichtig für dich bin!" Glücklich rannte Chanhyun in Jimins Arme, weshalb dieser den Jungen auf den Schoß nahm. Er sollte mit seinem Gastsohn sprechen? Das wäre die Übung? Und er hatte sich so gestresst?
"Appa ist auch hier! Aber Danbi muss Pipi, und ich muss jetzt mit dir Prüfung spielen damit du hier bleiben darfst!"
"Ich glaube, ich darf auch so hier bleiben", lächelte Jimin, während er dem Jungen die Haare aus der Stirn strich. "Warst du heute gar nicht im Kindergarten? Es ist ja schon Nachmittag." "Doch! Aber nur bis Mittag war ich da. Dann war ich duschen und dann habe ich gegessen und dann sind wir hier hin! Du siehst sooo hübsch aus, Jimin."
"Danke Chanhyun. Schau mal, ich trage sogar das Armband, das du mir zum Geburtstag geschenkt hast! Weil es immer zu meinen Klamotten passt! Vielen Dank noch einmal."
Chanhyun klammerte sich fest an Jimin.
"Ich freue mich! Du magst es! Wir können uns noch viel mehr Armbänder machen!"
"Wie wäre es denn auch mit Ketten? Wir können uns Perlen mit Buchstaben kaufen, dann können wir unsere Namen in die Ketten knüpfen. Würde dir das gefallen?" Fragend legte Jimin den Kopf schief. Diese Prüfung mochte er von allen tatsächlich am meisten. Denn dieses Gespräch war in seinen Augen nicht erzwungen. Er redete oft mit Chanhyun und auch Danbi sprach immer öfter mit ihm. Sie war endlich ein wenig zutraulicher geworden. Jungkook hatte zwar gemeint, dass es etwas länger mit seiner Tochter dauern könnte, aber dass es zwei Monate gedauert hatte, hatte sogar den Familienvater überrascht. Umso erfreuter waren alle, dass es endlich klappte.
"Jimin, kannst du nachher wieder kochen? Dein Essen schmeckt immer am besten." "Wenn du mir helfen magst, dann sehr gerne. Was möchtest du denn heute essen?" "Nudeln! Ich liebe Nudeln!" "Und ein bisschen Gemüse? In Gemüse sind viele wichtige Vitamine." "Bah!" "Du magst doch die weichen Möhren. Und matschigen Brokkoli. Das isst du doch eigentlich sehr gerne."
Jimin versuchte ruhig mit dem Jungen zu reden. Denn in seinem Hinterkopf nagte die Erkenntnis, dass das hier eine Prüfung war.
"Aber dann mit Nuggets. Diese in Dinosaurier-Form." "Mit Nudeln und Soße dazu?" "Ja! Appa kann dann mit mir einkaufen und du kannst Zuhause bei Danbi sein weil du ja schon lange hier in der Schule bist und bestimmt bist du müde." "Ja, ich kann ja mit Danbi einen Mittagsschlaf machen. Und so lange bin ich noch nicht hier. Erst, seitdem du hier bist."
"Wo warst du denn heute morgen?"
"Ich durfte länger im Zimmer bleiben. Weil meine Prüfung erst jetzt ist."
"Oh. Wann kommt Appa? Ich bin auch müde. Möchte nach Hause."
Müde rieb sich Chanhyun die Augen, ehe er sich gegen Jimins Brust lehnte. "Bin sooo müde Jimin." "Dann ruh dich aus. Ich trage dich zum Auto, wenn du einschlafen solltest." "Okay. Hab dich lieb." "Ich dich auch, Channie."
Lächelnd schaute Jimin zu dem Kind, welches glücklich wirkend die Augen schloss. Und das war der Moment, in dem Jimin die fünf Personen vorne am Tisch wieder wahrnahm.
"Sehr schön", lächelte seine Lehrerin direkt.
"Du hast alle Prüfungen geschafft, Jimin. Du bist entlassen. Wir sehen uns am Freitag zur Zeugnisvergabe wieder. Genieße deine freien Tage."
"Vielen Dank, Mrs Chan."
Vorsicht stand Jimin mit Chanhyun im Arm auf, ehe er sich knapp verbeugte.
Seine Lehrerin begleitete ihn noch bis vor die Tür, ehe sie ihn und Chanhyun auf dem Flur zurückließ. Der nächste Prüfling würde in wenigen Minuten hier ankommen.
Aber Jimin hatte es geschafft.
Er hatte alle Prüfungen durch.
Und wenn er sein Zertifikat in den Händen hielt, konnte er sich hier Arbeit suchen gehen. Er konnte anfangen, hier zu leben. Dieses Zertifikat war ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Vor der Tür angekommen schaute Jimin verwirrt auf.
Jungkook stand stolz lächelnd vor ihm, Danbi saß in ihrem Kinderwagen neben ihm. "Du hast alles geschafft, Jimin!"
Lächelnd umarmte Jungkook den Mann, darauf bedacht, seinen Sohn nicht zu zerquetschen. "Du bist nun ein freier Mann, Jimin."
"Ich muss schlafen. Die nächsten Wochen", murmelte Jimin, ehe auch er lächelte. "Ich bin echt erleichtert." "Das glaube ich. Schläft Chanhyun?"
"Nein", murmelte der Junge, die Arme nach seinem Vater ausstreckend. Deshalb nahm Jungkook ihn vorsichtig auf den Arm. "Warum bist du denn so müde, mein Schatz?" "Weiß nicht." Grummelnd drückte sich der Junge gegen seinen Vater, weshalb Jimin einfach die Schultern hochzog.
"Ich kann mich ja zusammen mit Chanhyun schlafen legen", lächelte Jimin, weshalb Jungkook zustimmend nickte. "Appa, weckst du mich bitte? Wenn wir mit Jimin die Überraschung machen?"
Tief atmete Jungkook durch, ehe er sich den Nasenrücken kurz massierte. "Du hast gerade die Überraschung kaputt gemacht, Channie."
"Nein! Hab ich gar nicht! Ich habe nicht gesagt, dass die Überraschung Essen gehen ist!"
Jimin konnte nicht anders, als laut zu lachen. Er liebte diesen Jungen.
"Jetzt schon", flüsterte Jungkook, weshalb sich Chanhyun erschrocken die Hände vor den Mund schlug. "Böse Zunge", murmelte er danach, ehe er sich von seinem Vater weg drückte. "Will laufen!" "Na klar doch."
Vorsicht setzte Jungkook ihn ab, weshalb der Junge sofort vorrannte.
"Wo gehen wir denn hin?", flüsterte Jimin zurück, weshalb Jungkook nur die Schultern hochzog.
"Von mir erfährst du nichts. Meine Zunge ist nicht böse. Lass uns nach Hause, ja?" "Ja. Ich freue mich auf heute Abend!" "Darfst du auch. Zuhause habe ich etwas kleines für dich. Weil du so gut warst. Willst du es direkt haben oder erst vor der anderen Überraschung?"
"Gerne zusammen. Ich mag Überraschungen nicht so gerne."
"Oh, das wusste ich nicht! Tut mir leid, Jimin. Wenn du möchtest, dann verrate ich dir alles. Es war nur Chanhyuns Idee und ich wollte ihm seinen Spaß lassen." "Alles gut. Lass uns einfach gehen, Hyung."
"Lass diese Floskeln. Du verwendest sonst nie Höflichkeitsformen."
Grinsend stieß Jungkook ihm in die Seite, weshalb Jimin grinsend den Gang runter lief.
Er hatte es endlich geschafft.

"Hey Jimin."
Murrend zog der junge Mann die Decke weiter in sein Gesicht. Er wollte nicht aufstehen. Er war doch noch viel zu müde. "Mh", gab er deshalb nur von sich, ehe er merkte, wie sich jemand an die Bettkannte setzte. "Wir wollen heute Abend doch noch ausgehen. Wenn du jetzt aufstehst, hast du noch eine Stunde, um dich fertig zu machen."
"Muss ich mit?"
"Es wäre sehr schön. Immerhin ist alles für dich, Jimin."
Jungkook sprach total sanft. Wahrscheinlich hatte er sich zusammen mit seinen Kindern hingelegt gehabt und war nun auch deutlich ausgeschlafener.
"Aber wenn du gar nicht möchtest, dann fahren wir nicht los. Dann können wir alle hier bleiben und den Abend zusammen genießen."
"Wie spät ist es?"
Müde zog sich Jimin die Decke vom Kopf. Er fühlte sich nicht wirklich ausgeruht, eher so, als wenn er angefahren worden wäre.
"Es ist kurz vor sechs. Ich wollte um halb acht im Restaurant sein. Aber vorher muss ich die Kids noch frisch bekommen. Chanhyun hat bis gerade tief und fest geschlafen. Und Danbi auch, aber sie ist später eingeschlafen. Wir haben zusammen ein wenig gelesen." "Muss eben duschen, dann können wir los", murmelte Jimin, ehe er sich aufsetzte. "Ich möchte gerne in das Restaurant. Chanhyuns Überraschung und so genießen." Kurz schmunzelte Jungkook, ehe er zustimmend nickte.
"Dann lasse ich dir das Badezimmer frei." Schmunzelnd schaute Jungkook zu Jimin, ehe er abrupt den Blick abwandte.
Und Jimin kräuselte nur verwirrt die Augenbrauen. War etwas falsch? "Ich freue mich auf das Restaurant", murmelte Jimin, weshalb Jungkook nickte. "Zieh' dir etwas Hübsches an. Es ist dein Abend." "Danke." "Es ist mir eine Freude. Ich würde mir wünschen, wenn du dich dezent schminken würdest. Das stand dir beim letzten Mal so unheimlich gut."
Jimins Herz klopfte ein wenig schneller. Jungkook fand ihn hübsch? Das machte seinen Abend nur noch besser.
"Mache ich." Jimin dachte nicht mal über diesen Satz nach. Denn sein Herz sprach definitiv vor ihm. "Sehr schön. Dann lasse ich dich mal in Ruhe. Bis gleich."
Sanft strich Jungkook mit seinen Fingerspitzen über Jimins Handrücken. Und sofort klopfte sein Herz wieder ein wenig schneller. "Bis gleich", hauchte Jimin, ehe der Familienvater auch schon wieder den Raum verließ, die Tür leise hinter sich schließend.
Und Jimin setzte sich schnell auf.
Er würde definitiv Hoseok von allem berichten. Denn der Mann wurde von allem auf dem Laufenden gehalten, so wie Jimin auch vieles von ihm wusste.
Er war froh, einen guten Freund gefunden zu haben. In der Schule war er einer der Ältesten gewesen, weshalb es ihm sehr schwer gefallen war, wirkliche Freunde zu finden. Einen Altersunterschied von acht Jahren fand er grundsätzlich nicht schlimm. Was für ihn wichtig war, war die Reife. Und mit gerade frischen Achtzehn war man nicht gerade so reif, um gute Entscheidungen zu treffen. Jimin war sich sicher, dass er auch noch viele Entscheidungen traf, die er damach bereuhte, aber er wusste meistens, wie die Konsequenzen danach waren.
Und da Hoseok nur an die fünf Jahre älter war, ergänzten sie sich perfekt. Sie waren in der kurzen Zeit beste Freunde geworden.
Deshalb wusste Hoseok alles über den momentanen Beziehungsstatus der beiden. Und Jimin musste ihn auf dem Laufenden halten. Jetzt, wo er nicht mehr zur Schule musste, hatte er mehr Freiheiten. Freiheiten, die er mir Jungkook abklären musste. Immerhin sollte er sich ja primär um die Kinder kümmern, aber vielleicht durfte er als Pflegekraft halbtags arbeiten. Denn nicht nur Chanhyun wechselte im Januar auf die Schule, sondern auch Danbi sollte ihre Zeit im Kindergarten beginnen. Sie würde im Februar drei Jahre alt werden und da sie momentan oft alleine war, wollte Jungkook, dass sie Freunde in ihrem Alter bekäme. Vielleicht konnte Jimin dann Vormittags arbeiten gehen, bis die Kinder wieder nach Hause kommen würden.
Und vielleicht würde er beginnen, auf Dates zu gehen. Jetzt, wo er die Erkenntnis hatte, schwul zu sein, würde er ein wenig mehr über sich herausfinden wollen. Angefangen mit der Welt der Liebe. Und vielleicht würde Jungkook in allem eine große Rolle spielen.

Au Pair ^JiKook^Where stories live. Discover now