21 - Lee Know

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Kapitel 21 – Lee Know

Neujahr 2022/23

Gähnend rieb ich mir einige Male mit der flachen Hand über das Gesicht, um die restliche Müdigkeit daraus zu vertreiben. Draußen war es noch dunkel.
Mit einem unterdrückten Stöhnen rollte ich etwas im Bett umher und versuchte so die Lebensgeister in meinem Körper zu erwecken, obwohl ich nur wenige Stunden geschlafen hatte. Doch gemütliches Weiterschlafen war heute keine Option.
Wir hatten bis spät in die Nacht in unserer Wohnung zusammengesessen, jede Menge gutes Essen in uns hineingestopft und die vergangenen Tage und Shows Revue passieren lassen, während die übrige Welt das alte Jahr feierlich verabschiedete. Wir hielten es lieber ruhig, generell wurde Silvester in Korea nicht so besonders zelebriert wie in anderen Ländern.
Dennoch ließen es sich unsere Fans nicht nehmen, uns auf vielen unterschiedliche Wegen Neujahrsglückwünsche zukommen zu lassen, wie ich schmunzelnd feststellte, während ich noch etwas träge durch die unzähligen Bilder und Nachrichten auf meinem Smartphone scrollte.
Meine Eltern und Freunde hatten mir ebenfalls geschrieben. Ich erwischte mich dabei, wie ich etwas länger die Fotos meiner drei Katzen betrachtete, die mir meine Mutter in den Anhang gepackt hatte. Ein sehnsuchtsvolles Seufzen verließ meine Lippen. Es war schon wieder viel zu lange her, dass ich zu Hause gewesen war. Wahrscheinlich würden mich Dori und Doongie bei meinem nächsten Besuch wieder einige Stunden mit beleidigter Nichtachtung strafen. Nur Soonie verzieh mir mein langes Wegbleiben stets sofort. Naja, spätestens zu Seollal Ende Januar würde ich wieder daheim sein.

Inzwischen fühlte ich mich erstaunlich wach, obwohl draußen von der Morgensonne noch weit und breit nichts zu sehen war. Es war erst kurz nach 6, wie ein flüchtiger Blick auf die Uhr verriet.
Bevor ich Gefahr lief, es mir noch einmal anders zu überlegen und den halben Tag doch lieber im Bett zu verbringen, statt meinen Plan umzusetzen, stand ich schließlich auf – ein lautes Gähnen konnte ich dennoch nicht unterdrücken.

In Jogginghose und Hoodie schlich ich wenig später in den Wohnraum, den ich – nicht sonderlich überraschend – komplett ausgestorben vorfand. Wahrscheinlich befanden sich die Jungs noch tief im Reich der Träume.
Leise wuselte ich durch die Küche, bereitete schon einmal das Frühstück für die drei zu, bevor ich kurz darauf die Wohnung verließ.

Die Winterkälte schlug mir an der Haustür entgegen und ließ mich frösteln. Kleine Atemwölkchen stiegen gen Himmel, sodass ich mich tiefer in meinem Schal verkroch. Der gefrorene Boden knirschte leicht unter meinen Sohlen. Inzwischen war es wesentlich heller geworden, wobei es bis zum eigentlichen Sonnenaufgang noch dauern würde.
Langsam ging ich über den leicht verschneiten Gehweg in Richtung des zweiten Dorms. Die Straßen wirkten verwaist, vermutlich war ich gerade einer der Wenigen, der sich an einem Sonntag so früh aus dem Haus wagte. Aber es ging nun einmal nicht anders, schließlich wollte ich mir mit Jisung den ersten Sonnenaufgang des Jahres anschauen – eine spontane Idee, die mir erst gestern Abend eingefallen war.
Als Kind hatte ich viele Male gemeinsam mit meiner Familie die Sonne am Neujahrsmorgen begrüßt, doch in den letzten Jahren hatte ich diese Tradition komplett aus den Augen verloren. Doch heute – irgendwie hatte ich das Gefühl, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür war, wieder damit anzufangen. Mit Jisung.
Der wusste nur noch nichts von seinem Glück und wahrscheinlich würde er mich um diese Uhrzeit eher hochkant aus der Wohnung werfen, als freiwillig aus dem Bett zu kriechen. Aber ich kannte meine Mittel und Wege, um ihn von meinem Plan zu überzeugen.

Hätte man mir vor einem Jahr gesagt, wie sich das Verhältnis zwischen Hanie und mir so ändern würde, dass ich mich sogar zu solch einer fast schon romantischen Idee hinreißen ließ, hätte ich es nicht geglaubt. Oder vielmehr kleingeredet und verdrängt. Nein, ich hätte es nicht wahrhaben wollen.
Für alle anderen kam diese Veränderung wenig überraschend. Anscheinend hatten alle schon längst viel mehr zwischen uns gesehen als wir selbst.
Aber wenn es um die eigenen Gefühle ging, tat man sich nun mal für gewöhnlich deutlich schwerer. Somit hatte es bis zum Herbst gebraucht, bis wir uns endlich eingestanden, dass wir nicht ohne einander konnten und wollten und dass uns doch deutlich mehr verband, als wir es bisher geahnt hatten.

Through the years (Minsung)Where stories live. Discover now