14 - Han

74 8 0
                                    

Kapitel 14 - Han

Mai 2023

Nein!
Mit einem lauten Poltern fiel die Flasche, die ich gerade eben noch in meiner Hand gehalten hatte, zu Boden und rollte unter die Couch.
Entsetzt blickte ich auf meine Handfläche, auf die dunklen Kugeln darauf. Mein Kopf war wie leergefegt, während ich kaum imstande war zu begreifen.
Das durfte doch nicht ‐
„Hey, Hanie, ist was passiert? Was war das für ein Geräusch?"
Wie in Zeitlupe drehte ich mich zu Chan um, der mit besorgtem Gesichtsausdruck in der Tür unseres Studios stand.
„Ich -"
Hilflos hielt ich einen Teil des Perlenarmbands hoch, das bis vor wenigen Sekunden mein Handgelenk geziert hatte.
„Ich bin... irgendwie hängengeblieben."
„Oh nein."
Chans Gesichtsausdruck spiegelte das Entsetzen wider, das in mir aufwallte.

Mit wackeligen Knien und viel zu schnell schlagenden Herz ließ ich mich auf das Sofa fallen. Mir war zum Heulen zumute, meine Augen brannten.
Heftig blinzelnd starrte ich auf die Überreste des Armbands, das die letzten Monate beinahe mein täglicher Begleiter gewesen war. Die jetzt leere Stelle fühlte sich furchtbar kalt an.
Das weiche Polster gab neben mir nach, als Chan sich zu mir setzte. Seine warme Hand strich beruhigend über meinen Rücken, versuchte mir Trost zu spenden. Er wusste, wie wichtig mir dieses Schmuckstück war.
„Ich bin einfach hängengeblieben und dann...", wiederholte ich fassungslos und drehte eine der dunklen Perlen zwischen meinen Fingern. Es fühlte sich so unwirklich an.
„Vielleicht lässt es sich reparieren."
Ein Funke Hoffnung keimte in mir auf, wurde bei genauerer Betrachtung jedoch sofort wieder erstickt. Der Verschluss war regelrecht auseinander gerissen. Vereinzelte Perlen rollten noch durch den Raum. Es war aussichtslos.

„Oh Mann, was soll ich nur machen?"
Mit einem verzweifelten Stöhnen vergrub ich das Gesicht in den Händen, versteckte mich für einen kurzen Augenblick in der Dunkelheit.
Würde es sich um nur irgendein Armband handeln, wäre es wahrscheinlich nicht so schlimm gewesen. Doch dieses war das Gegenstück zu Lee Knows. Wir hatten sie letztes Jahr während der Dreharbeiten auf der Insel Jeju gekauft. Bis auf die unterschiedlichen Geburtssteine in ihrer Mitte waren sie identisch. Ja, womöglich war ich in dieser Hinsicht mehr romantisch veranlagt, anders als Lee Know. Doch es hatte sich so gut angefühlt, mein Armband zu tragen, in dem Wissen, auf diese Weise noch etwas mehr mit ihm verbunden zu sein.
Und nun war diese Verbindung gerissen.

Chan neben mir schwieg, streichelte mir nur hin und wieder mitfühlend über den Rücken und gab mir nur durch seine bloße Anwesenheit Halt.
Natürlich war es nur ein Schmuckstück, das sich ersetzen ließ. Nichts, was mich verzweifeln lassen sollte. Doch die letzten Wochen und Monate waren anstrengend gewesen, mit so einigen Höhen und Tiefen. In dieser Zeit, in der ich häufig emotional und aufgekratzt gewesen war, hatte mir dieses Armband eine gewisse Beständigkeit vermittelt, selbst wenn Lee Know nicht an meiner Seite gewesen war.
Es war ein sicheres, wenn auch unauffälliges Zeichen der Verbundenheit.

*

Wieder und wieder strich ich mir über die leere Stelle. Es war, als könnte ich die Perlen immer noch auf meiner Haut spüren.
Nachdem ich den ersten Schock verdaut hatte, hatten Chan und ich zwar noch ein wenig an einem Song getüftelt, doch wir waren beide nicht sonderlich konzentriert gewesen. Meine Gedanken drehten sich die ganze Zeit um meinen Verlust, während Chan versuchte, mich irgendwie aufzumuntern und abzulenken. Beides funktionierte nicht sonderlich gut, weshalb wir zeitnah unsere Arbeit beendeten.

Nun stand ich unschlüssig vor der Tür des zweiten Dorms, das Lee Know und unsere jüngeren Bandmitglieder bewohnten, und wusste nicht, ob ich wirklich hineingehen sollte. Ein drückendes Gefühl machte mir das Atmen schwer, die Schuld, das Armband leichtfertig zerstört zu haben, hatte meine Schultern nach unten sacken lassen. Wahrscheinlich würde Lee Know schimpfen, dass ich überreagierte - ein kleiner Teil in mir wusste das auch. Doch gerade fühlte sich alles so ... so unwirklich und schmerzhaft an. Ich brauchte einfach seine Nähe und die Gewissheit, dass er an meiner Seite war.

Through the years (Minsung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt