16 - Han

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Kapitel 16 - Han


Mitte Juli 2023

Ein lautes Hupen schallte durch das Hotelzimmer, gefolgt von einem noch wütenderen Hupkonzert.
Murrend drehte ich mich auf den Bauch und vergrub das Gesicht im weichen Kissen. Die Bettdecke über den Kopf zuziehen, half etwas gegen den Lärm, denn aktuell weigerte ich mich noch vollständig aufzuwachen. Dafür war es viel zu bequem und kuschelig hier.
Erneutes Hupen drang an mein Ohr.
Was war denn da draußen los?
Und warum hatten wir unbedingt ein Hotel mitten in Paris beziehen müssen? Diese Art von Straßenlärm war ich aus Seoul gar nicht gewohnt, in unserem Wohnviertel war es verhältnismäßig ruhig.

Träge tastete ich, immer noch unter der Decke verborgen, neben mich, auf der Suche nach einem bestimmten Jemand. Doch da war niemand, das Laken war kalt.
Grummelnd schlug ich die Decke zurück und blinzelte in die Helligkeit, die in meine müden Augen stach.
Wo war Lee Know?
Auf den ersten Blick entdeckte ich ihn nirgends. Die Balkontür stand offen, die hellen Vorhänge wehten leicht im Sommerwind.
Wir hatten die obere Etage eines der klassischen Stadthotels bekommen, was nicht nur eine fantastische Aussicht mit sich brachte - wie ich gestern Abend bei unserer Ankunft festgestellt hatte - sondern auch eine gewisse Privatsphäre vor den anderen Gästen. Somit war es auch kein Problem gewesen, dass Lee Know und ich kurzerhand zusammengezogen waren, obwohl für jedes Bandmitglied ein eigenes Zimmer zur Verfügung stand.

Wie spät es wohl war?
Nach meinen schweren Augenlidern zu urteilen, musste es noch recht früh sein, so richtig ausgeschlafen fühlte ich mich nicht.
Ich drückte die Nase wieder ins Kissen und atmete einige Male tief durch, während ich zusehends wacher wurde und die Lebensgeister in mir zurückkehrten.
Obwohl wir nur zwei volle Tage in Paris bleiben würden, fühlte es sich in diesem Moment ein kleines bisschen wie Urlaub an: Lee Know und ich in einem hübschen Hotelzimmer, umgeben von den lebendigen Geräuschen der Stadt. Gut, statt Autolärm hätte mich auch ruhig Vogelgezwitscher wecken können, aber man konnte schließlich nicht alles haben.

Außerdem war das hier leider kein Urlaub. Wobei, was hieß leider?
Ich spürte das aufgeregte Kribbeln im Magen erwachen, während ich an den Grund unseres Aufenthaltes dachte.
Himmel, wir würden bei einem der beliebtesten Festivals in Europa auftreten! Zum ersten Mal überhaupt. Eigentlich konnte ich es immer noch nicht glauben und je öfter ich daran dachte, desto nervöser wurde ich.
Das war eine neue Herausforderung, ein komplett anderes Publikum. Zwar waren wir im Frühjahr schon einmal in Paris gewesen, allerdings hatte sich bei der »Music Bank« alles um K-Pop gedreht. Anders als jetzt beim »Lollapaluza« Festival. So viele namhafte Künstler reichten sich dort die Hände und wir dazwischen als einzige Vertreter aus Korea.
Gott, war das aufregend und eine große Ehre.

Eigentlich wunderte es mich, dass ich heute Nacht überhaupt ein Auge zu getan hatte, aber anscheinend hatte Lee Knows Anwesenheit Wunder gewirkt.
Versonnen lächelnd lugte ich am Kissen vorbei, Richtung Balkon. Hinter den Vorhängen meinte ich einen dunklen Schemen auszumachen.
Wie lang er wohl schon wach war?

Obwohl das Bett so herrlich bequem war, gab ich mir innerlich einen Ruck und setzte mich etwas umständlich auf. Mein Nacken knackte, als ich mich laut gähnend etwas reckte und streckte. Inzwischen fühlte ich mich wach genug zum Aufstehen.
Mit nackten Füßen schlich ich auf die Balkontür zu. Wobei es wohl eher ein vernehmliches Schlurfen war, denn mein Tun blieb nicht unbemerkt.
Lee Know lehnte am Balkongeländer, die Arme gelassen darauf verschränkt.
„Guten Morgen, Hanie. Ausgeschlafen?"
Er warf mir über die Schulter ein sanftes Lächeln zu, ehe sein Blick wieder in die Tiefe der Straßenschlucht glitt. Solange die Brüstung hoch genug war und stabil wirkte, machte Lee Know diese Art von Höhe nicht viel aus.

Erneut gähnend trat ich hinter ihn und schlang die Arme um seine Mitte. Zufrieden seufzend schmiegte ich mich an ihn und vergrub die Nase in seiner Halsbeuge. Ein Schauder rann über Lee Knows Rücken und zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Hach... ich liebte diese Reaktion. Deswegen legte ich meine Lippen auf die Stelle, an der ich eben noch meine Nase gerieben hatte, und wanderte langsam nach oben bis unter sein Ohr, unter das ich einen weiteren Kuss platzierte. Jetzt spürte ich die Gänsehaut deutlich, die die kleinen Härchen auf seinem Körper zum Aufstellen brachte.
Am liebsten hätte ich weitergemacht, doch ich riss mich zusammen.
Stattdessen legte ich mein Kinn auf seiner Schulter ab und spähte ebenfalls in die Tiefe. Viel gab es nicht zu sehen, außer Autos und Fußgängern.
„Das Hupen hat mich geweckt. Was war denn los?"
Lee Know schnaubte.
„Anscheinend ging einigen das Einparken von einem Autofahrer nicht schnell genug. Werde diese Hektik nie verstehen."
Ich konnte ihm nur recht geben. Natürlich waren die Koreaner auch nicht die besten Autofahrer, aber definitiv gelassener als hier. Da wurde nicht jedes Mal gehupt, wenn es etwas langsamer ging.
„Hätte übrigens nie gedacht, dass ich es einmal interessant finden würde, andere Leute vom Balkon aus zu beobachten. Komm mir fast schon vor wie ein alter Mann."
Kichernd enthielt mich jeglichen Kommentars.

Eine Weile standen wir einfach nur so da, verfolgten in angenehmes Schweigen gehüllt das Geschehen auf der Straße.
„Sag mal, wie spät ist es eigentlich?"
Durch den langen Flug nach Frankreich hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Die Sonne stand schon eine Handbreite über den Häusern. Doch es musste zeitig am Tag sein, denn die Sommerhitze drückte noch nicht unangenehm von oben, nur ein warmer Lufthauch streifte meine Haut. Außerdem hätte uns die Crew wohl rechtzeitig aus dem Bett geworfen.
„Hm, ich glaube, kurz vor Acht."
Dann hatten wir zwei Stunden, bis wir uns mit den anderen in der Lobby trafen.
„Klingt gut."
Tief durchatmend lehnte ich meine Wange gegen seinen Rücken und schloss die Augen. Lee Knows Nähe umhüllte mich und ich fühlte mich pudelwohl.
„Willst du die ganze Zeit, bis wir losmüssen, so stehen bleiben?"
Sein leises Lachen ließ seinen Körper vibrieren und mich gleich mit. Meine Mundwinkel zuckten, während sich meine rechte Hand selbstständig machte und sich unter Lee Knows Shirt mogelte. Sein Bauch zuckte leicht, als ich sanft darüber strich.
„Hm... hätte nichts dagegen. Außer... du kommst mit ins Bett und wir kuscheln dort, bis Chan uns holt."
Die Worte klangen selbst in meinen Ohren verlockend und ich konnte nicht verhindern, dass meine Gedanken in gewisse Richtungen abdrifteten.

Ehe ich meine Fantasien weiter vertiefen konnte, löste sich Lee Know aus meiner Umarmung und drehte sich zu mir um. Ein bestimmtes Schmunzeln lag auf seinen Lippen, doch es waren seine Augen, die mich so intensiv ansahen, dass erneut das Kribbeln in meinem Magen erwachte. Aber dieses Mal blieb es nicht dort, sondern wanderte durch meinen gesamten Körper.
„So wie du gerade dreinschaust, hast du schon eine bestimmte Vorstellung, wie du die Zeit überbrücken möchtest. Kann das sein?"
Ich lehnte mich etwas vor, meine Mundwinkel zuckten.
„Du kennst mich."
Gott, ich genoss es, mit ihm auf diese Weise zu flirten und diese Stimmung, die dabei zwischen uns entstand. So versanken wir in unserer eigenen kleinen Welt, in die niemand anderes reindurfte.
Lee Knows Augen zogen mich magisch an. War er mir noch ein Stück entgegen gekommen? Sein Atem strich über meinen Lippen. Ich spürte diese Anspannung in mir wie jedes Mal, wenn uns nur ein kleiner Hauch voneinander trennte. Ich liebte diesen Augenblicke, in denen ich nicht klar sagen konnte, ob wir uns schon berührten oder nicht.
„Dann lass uns die Zeit nutzen."


단둘만의 special connection
맘 편하게 show all your colours
We'll do this forever

[A special connection just between the two of us
Just relax and show all your colours
We'll do this forever]

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Through the years (Minsung)Where stories live. Discover now