7 - Lee Know

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Kapitel 7 - Lee Know

Ende Mai 2018

„Bist du nervös?"
„Nein."
Skeptisch musterte ich ihn von der Seite, während ich zweimal kurz auf die Klingel drückte. Seine gesamte Haltung strafte die Worte Lügen. Sein Blick wanderte unstetig über die Fassade meines Elternhauses, die Lippen waren fest zusammengepresst. Einen Moment lang folgte ich seinem Blick und versuchte, das Gebäude durch seine Augen zu betrachten. Es war weder sonderlich traditionell, noch sehr modern. Vielmehr reihte es sich perfekt ins Straßenbild dieser Gegend ein. Ein normales Einfamilienhaus eben, mit einem kleinen Garten.

Neben mir erklang ein Seufzen.
„Ja, okay, vielleicht bin ich doch ein bisschen nervös", lachte er leise und wischte sich die Hände am Hosenbein ab, ehe er meinen Blick suchte.
„Musst du nicht. Du hast sie doch bereits ein paar Mal getroffen und -"
„Schon, aber immer nur kurz. Das ist hier was anderes", unterbrach mich Jisung. „Es ist dein Zuhause. Und was, wenn deine Eltern mich nicht mögen oder mich komisch finden."
Er sah mich zweifelnd an und wirkte beinahe so, als würde er am liebsten auf dem Absatz kehrtmachen. Natürlich konnte ich ihn verstehen – ich wäre wahrscheinlich ähnlich nervös, wenn ich seiner Familie ein ganzes Wochenende lang ausgeliefert wäre. Allerdings... wieso sollten sie ihn nicht mögen?
„Das ist –"
Das Gespräch fand ein jähes Ende, als die Tür geöffnet wurde und meine Mutter uns entgegen strahlte.
„Wie schön. Da seid ihr ja endlich."

*

„Oh mein Gott, ist der süß."
Zum wievielten Mal hatte er das jetzt gesagt?
Schmunzelnd stellte ich das Tablett mit den Getränken auf dem Tisch ab, ehe ich mich gegenüber von Jisung ebenfalls auf den Boden setzte. Von seiner anfänglichen Anspannung schien nichts mehr übrig zu sein, was mich sehr beruhigte. Ich hatte in den letzten Monaten mehr als einmal erlebt, wie schwer es sein konnte, Jisung die Nervosität zu nehmen, doch dieses Mal schien die unmittelbare Anwesenheit meiner drei Haustiger Wunder zu wirken. Sollte ich neidisch werden?
„Und wie klein er noch ist."
Ein Kichern suchte sich seinen Weg über meine Lippen. Dass er Tiere mochte, wusste ich. Wie sehr er im Streicheln von Dori aufblühte, überraschte mich dann doch. Außerdem hatte ich nicht erwartet, dass Jisungs Schockverliebtheit auf Gegenseitigkeit beruhte. Wie geduldig mein Jüngster sich das dunkle Fell kraulen ließ... Gut, die anderen beiden beäugten die Szene kritisch aus sicherer Entfernung, aber dass sie sich nicht im Nachbarraum versteckten, wie sie es sonst bei unbekannten Besuchern taten, war ein gutes Zeichen.

„Wie alt ist er noch mal?"
„Fast genau ein halbes Jahr."
Ein sanftes Anstupsen im Rücken lenkte mich für einen kurzen Moment von Jisungs glücklichem Grinsen ab. Zwei große, grüne Augen blinzelten mir entgegen und forderten meine Aufmerksamkeit.
„Na hey, hast du dich doch hergetraut."
Liebevoll kraulte ich durch Soonies weiches Fell, während mein Ältester sich enger gegen mich drückte. Anscheinend hatte er seine anfängliche Skepsis überwunden. Nur Doongie zierte sich noch etwas.
„Sie sind wohl sonst eher scheu?"
„Schon, besonders Fremden gegenüber. Bei den ersten Besuchen meiner Großmutter haben sich die drei überhaupt nicht blicken lassen. Dass sich Dori so von dir streicheln lässt..."
„...nehme ich als Kompliment", beendete Jisung kichernd meinen Satz. „Die anderen beiden bekomme ich heute auch noch um den Finger gewickelt."
Dessen war ich mir sicher. Selbst Doongie wirkte auf seinem Kratzbaum so, als würde er sich über kurz oder lang dazugesellen wollen. Er war ungern allein, während sich die anderen beiden ihre Streicheleinheiten holten.

„Oh Mann, ich hätte auch gern ein Haustier."
Verwundert blickte ich zu Jisung, der Dori inzwischen auf seinen Schoß gehoben hatte und ihn weiterhin ausgiebig zwischen den Ohren streichelte. Mein Jüngster war heute wirklich für Überraschungen gut – sonst war er wesentlich aufgekratzter und verspielter. Dass er sich einfach seelenruhig kraulen ließ, kam selten vor.
Ob es an Jisung lag?
Ich wusste nicht, was es war, aber es machte mich glücklich, dass er sich so gut mit meinen Katzen verstand. Und generell... ihn überhaupt hier zu wissen, fühlte sich unglaublich gut an.

Through the years (Minsung)Where stories live. Discover now