4 - Han

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Kapitel 4 - Han

Oktober 2022

Nein, es war eindeutig keine Einbildung.
Seine Blicke brannten. Überall. Am ganzen Körper. Ein Schauder kroch über meinen Rücken nach oben und hinterließ ein intensives Kribbeln auf meiner Haut.
Verstohlen blickte ich aus dem Augenwinkel auf die verspiegelte Wand.
Ja, Lee Know starrte mich an.
Unschlüssig biss ich auf meine Unterlippe. Ich wusste nicht, wie ich mich gerade fühlen sollte, alles war so verwirrend. Zwar freute ich mich darüber, dass ich ihm scheinbar nicht so egal war, wie er es mir in den letzten Tagen hatte weismachen wollen, allerdings hatte ich keine Ahnung, was ich tun sollte.
Wobei... nein.
Ich tat ihm Unrecht. Ich war ihm nicht egal.
Nur... wie hatte er gesagt? Er konnte gerade nicht mit meiner Gegenwart umgehen?
Allein der Gedanke daran ließ mein Herz zusammenkrampfen. Das tat weh. Und dennoch konnte ich ihn ein wenig verstehen – und gleichzeitig auch nicht.

Nun hob ich doch den Kopf und suchte direkt seinen Blick. Und wie die vielen Male zuvor sah er genau in diesem Moment weg, als wäre nichts gewesen – als wäre ich nicht da.
Flüchtig blickte ich zu den anderen, doch keiner schien auf uns zu achten.
Ach verdammt!
Mit einem tiefen Seufzen ließ ich mich auf den Boden sinken und strich mir die feuchten Strähnen aus der Stirn. Meine Beine fühlten sich inzwischen an wie Wackelpudding, meine Muskeln brannten.
Das heutige Training verlangte mir einiges ab und nicht nur das.
Erneut suchte mein Blick nach Lee Know. Er stand mit dem Rücken zu mir, wenige Meter entfernt. Ein dünner Schweißfilm bedeckte den Nacken und ließ die Haut leicht glänzen.
Seinen Nacken.
Abermals kaute ich auf der Unterlippe herum. Erst der leichte Schmerz riss mich aus meiner Starre, nur half es nicht wirklich, gegen das drückende Gefühl in meinem Inneren anzukommen.
Ich hatte es wohl verbockt.

Während die anderen mit einem unserer Tanztrainer über die nächsten Parts diskutierten, schaltete ich ab und vergrub mein Gesicht in den Händen. Gerade wollte ich mich einfach nur für einen kurzen Moment meinem Elend und diesem verflixten Stechen in meiner Brust hingeben und jammern. Also leise. Gedanklich.
Es war zum Haare raufen und dabei war doch alles so einfach und schön zwischen uns gewesen.
Bis ich mich wohl einen Schritt zu weit nach vorne gewagt hatte.
Zwischen meinen gespreizten Fingern linste ich zu Lee Know hinüber, der inzwischen mit verschränkten Armen an der Wand lehnte und dem Geschehen schweigend folgte. Oder wenigstens so tat. Da! Er blickte schon wieder zu mir, bloß um gleich darauf seine Schuhe interessiert zu mustern.
Am liebsten hätte ich ihn am Arm gepackt und nach draußen gezerrt, um mit ihm zu reden. Aber ich wusste, es würde nichts bringen. Und wenn ich ehrlich war, ich hätte nicht mal gewusst, was ich sagen sollte. Außer dass ich die Situation zwischen uns kaum ertrug. Und dass ich den Kuss nicht bereute. Also nicht völlig.
Ein bisschen schon, da mich dieser Zustand, der seit drei Tagen zwischen uns herrschte, traurig machte.

Aber ich konnte mein spontanes Handeln bei den Dreharbeiten letzte Woche wirklich nicht bereuen. Dafür hatte es sich zu gut angefühlt: Ihn in meinen Armen zu halten und meine Lippen auf seinen Nacken zu pressen. Einen Moment lang war alles um mich herum vergessen. Die Crew, die anderen Bandmitglieder, die Kameras, die die neuste Folge »Finding SKZ« aufzeichneten. Eine Folge, in der wir in diversen Challenges beweisen sollten, wer aus der Band ein sogenannter „Lover" war. Wie zielführend diese Challenges dabei waren, sei dahingestellt, aber eine von ihnen bot mir endlich die Chance, das zu tun, was ich mir in letzter Zeit schon so oft ausgemalt hatte: Lee Know zu küssen. Auch wenn es nur der Nacken war.

Abwesend leckte ich mir über die Lippen. Noch immer schienen sie zu prickeln und gaukelten mir vor, Lee Knows Wärme zu spüren, seinen Geruch wahrzunehmen. Mein Herz schlug kräftig gegen meinen Brustkorb, das Kribbeln in meinem Bauch war übermächtig.
Ich hatte diese Aktion nicht geplant gehabt, es war mehr ein drängendes Gefühl gewesen, das mich geleitet hatte. Ziel dieser Challenge war es gewesen, den Puls der anderen in die Höhe zu treiben, egal, ob durch Worte oder Taten. Als Lee Know an der Reihe gewesen war, war er wie so oft erstaunlich ruhig geblieben – bis ich meine spontane Idee umsetzte. Wahrscheinlich hatte er es zunächst für einen Scherz gehalten, als ich durch den Raum posaunte, dass ich ihn küssen würde. Ich hatte es bis zu diesem Zeitpunkt selbst nicht für möglich gehalten, dass ich es wirklich durchziehen würde, obwohl dieser Wunsch schon lange in mir schlummerte.

Wir beide waren uns von Anfang an sehr nah gewesen. Wie bezeichnete uns Seungmin so schön? Lovey-dovey.
Ein wehmütiges Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Ja, irgendwie waren wir das auch. Und es war vertraut... natürlich gewesen. Keiner hatte es je hinterfragt, wenn wir mal wieder zu zweit auf ein sogenanntes Essensdate gingen, Händchen hielten oder generell in unserer eigenen Welt versanken. Die Nähe zu Lee Know war immer mein Safe Place gewesen, in dem ich mich fallen lassen konnte.
Hatte mich das zu übermütig werden lassen?
Hatte es Lee Know nie als so besonders empfunden wie ich?
Für mich war diese angenehme Aufregung, diese Aufgekratztheit, die ich seit langem in seiner Gegenwart verspürte, zu etwas Normalem geworden, das ich schon gar nicht mehr hinterfragte. Ebenso normal, wie mich nach mehr zu sehnen.
Aber womöglich stand ich mit diesen Empfindungen ja alleine da.

Warum distanzierte er sich seit dem Kuss – der ja nicht einmal ein richtiger gewesen war – so sehr von mir, sodass wir in den letzten Tagen nicht mehr als eine handvoll Worte miteinander gewechselt hatten? Es tat weh. Jede erneute Zurückweisung, jedes Wegsehen, diese unüberbrückbare Distanz.
Ich wollte das nicht.
Ich wollte nicht ohne ihn sein.
Ich wollte seinen Halt, seine Nähe und Wärme zurück.

Und dennoch wusste ich, dass ich ihm den Raum geben musste, nach dem er aktuell verlangte. Ich hoffte, dass es nur Verwirrung war, die ihn so reagieren ließ und nichts Schlimmeres. Vielleicht –

Plötzlich traf sein Blick mich, verhakte sich in meinem und ließ kurzzeitig alle Gedanken aus meinem Kopf verschwinden.

가만히 서 있는 너에게 나를 묶어 놓고 어떻게든
같이 걸어가려, I feel so tired but I can't give you up, my babe
Yeah, you are a part of my life

[I tie myself to you, who stand still
And somehow try to talk with you, I feel so tired but I can't give you up, my babe
Yeah, you are a part of my life]

- Miserable (You & Me) - by Han

Nachwort:

Willkommen zum nächsten Kapitel ^^
Ich muss gestehen, ich hab gestern gleich drei Kapitel vorgeschrieben, aber die kommen trotzdem erst nach und nach^^

Ansonsten: Meinungen? Verbesserungen? Ist der Zeitpunkt des Kapitels verständlich? Kommt ihr mit den Zeitsprüngen klar?

Ich habe hier erneut, wie schon in "Only with you", den Nackenkuss aufgegriffen, weil es für mich immer irgendwie zu ihrer Story gehört.
Da ich hier ja gerade mein eigenes kleines SKZ-Universe aufbaue und alle Geschichten miteinander zusammenhängen (bis auf "Why does it feel so difficult"), musste es einfach mit rein, diesmal nur aus Hans Sicht, sonst hätte ich die komplette "Only with you" FF hier reinkopieren können *lach*
Da nächste Han-Kapitel wird darauf auch nochmal Bezug nehmen.

Ansonsten musste ich noch eine Kleinigkeit im zweiten Kapitel ändern, vielleicht ist es keinem aufgefallen, aber ich finde jetzt den Zusammenhang zwischen den Kapitel verständlicher. ^^

Ich würde mich sehr über Feedback jeglicher Art freuen ^^

Liebe Grüße
Luna

PS: Entgegen meiner Annahme ich hätte zu viele Lee Know Kapitel, merke ich grad, die gehen mir aus ^^" Jemand Wünsche was mit rein soll?

Through the years (Minsung)Where stories live. Discover now