12 - Han

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Kapitel 12 - Han

März 2023

Gedankenverloren stieß ich mit dem Schuh gegen einen Stein. Er hüpfte ein kleines Stück, ehe er im feuchten Sand liegen blieb. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, ließ ich den Blick über den verhältnismäßig leeren Strand wandern. Die Stimmen der Jungs wehten zu mir herüber, während ein überraschend kalter Wind um meine Nase strich und mich frösteln ließ. Vom aufkommenden Frühling, wie wir ihn in den letzten Tagen bereits in Seoul spüren konnten, fehlte hier am Meer gerade jede Spur.
Wir waren für zwei Tage nach Daebu-do gefahren, um die nächsten SKZ Code-Folgen zu drehen. Was uns genau erwartete, wussten wir noch nicht so recht, aber bisher deutete alles auf eine recht entspannte Zeit hin. Es war wie ein Kurzurlaub, den alle schon lange herbeisehnten. Aktuell steckten wir bereits in den stressigen Vorbereitungen zum nächsten Comeback, da bot dieser Ausflug eine willkommene Abwechslung. Und vielleicht hatten wir sogar die Chance, wenn am Abend alle Kameras aus waren und die Crew sich in ihr eigenes Quartier zurückzog, noch Zeit gemeinsam zu verbringen. Seit wir vor fast anderthalb Jahren in zwei getrennte Wohnungen gezogen waren, waren solche Momente leider etwas weniger geworden.
Wie auch immer die beiden Tage hier auf der Insel verlaufen würden, wir alle würden die Zeit genießen.

Tief sog ich die Meeresluft durch die Nase ein. Allmählich wurde es wirklich kalt und mir knurrte der Magen. Doch wir mussten noch ein wenig warten, bis die Crew das Equipment im benachbarten Restaurant aufgebaut hatte. Außerdem wollten sie noch ein paar Aufnahmen mit uns am Strand drehen.
„Boah, ich hab Hunger", murmelte Changbin neben mir. „Ich hoffe, sie sind bald fertig. Ich will Krabben essen."
Kichernd trat ich gegen den nächsten Stein, der in einer kleinen Pfütze landete. Gerade war Ebbe und der Sand an einigen Stellen sehr nass und matschig.
„Hm ja, ich freue mich auch schon den ganzen Tag drauf."
Das tat ich wirklich. Das letzte Mal, dass ich Krabben gegessen hatte, war schon – na ja, ewig her. Ich konnte mich schon gar nicht mehr daran erinnern.
„Ich glaube, heute Abend soll es sogar noch ein Barbecue geben."
Himmel, klang das gut. Ich musste Changbin nicht mal ansehen, um zu wissen, wie sehr seine Augen strahlten. Wir wurden hier ja regelrecht verwöhnt, da war es mir egal, welche Challenges auf uns warteten. Ich fühlte mich jetzt schon um einiges entspannter und wie im Urlaub. Dabei störte es auch nicht, dass wir von Kameras umringt waren und uns an ein gewisses Konzept halten mussten. Nichts, was ich nicht gewohnt wäre.
In meinem Kopf machten sich bereits verschiedene Ideen breit, wie dieser Kurztrip noch besser werden konnte. Vielleicht durften sich Lee Know und ich sogar ein Zimmer teilen? Dann könnten wir mal wieder etwas Zweisamkeit genießen. Und ob er auch –

„Hey, Han. Changbin! Kommt ihr mal rüber? Wir wollen ein Gruppenbild machen", unterbrach Hyunjins Ruf meine Gedanken, die mein Herz bereits hatten höher schlagen lassen. Ach verdammt. Jetzt machte sich eine gewisse Aufgekratztheit in mir breit.
Langsam, dabei weiter Steine kickend, folgte ich Changbin zu den anderen. Eventuell konnte ich ja mit Chan über die Zimmeraufteilung reden. Er hatte wahrscheinlich nichts dagegen. Und Lee Know sicher auch nicht.

„Na, was geht in deinem hübschen Köpfchen vor?", raunte eine Stimme so dicht an meinem Ohr, dass ich schlagartig eine Gänsehaut bekam.
„Lino!"
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er neben mich getreten war. Wann hatte er sich denn bitte angeschlichen?
Ein verschmitztes Grinsen ließ seine Mundwinkel zucken und wurde sogar noch breiter, als er ungefragt seine Hand zu meiner in die Jackentasche schmuggelte. Oder viel eher: seine Eispfote.
Reflexartig hielt ich sie fest und starrte ihn perplex an. Diese unerwartete Nähe fegte mal wieder sämtliche Gedanken aus meinem Kopf.
Er erwiderte den Druck meiner Hand, während er mich aufmerksam musterte.
„Erde an Hanie?"
Ich blinzelte mich zurück und versuchte mich krampfhaft an seine Frage zu erinnern. Ach ja. Ich spürte, wie die Wärme in meine Wangen stieg. Verlegen wandte ich den Blick ab.
„Ich – hm, eigentlich war es nicht so wichtig."
„Und uneigentlich?"
Musste er mir unbedingt das Denken erschweren, indem er mir so nahe kam? Sein Atem kitzelte mein Ohr, sein Blick brachte mein Herz zum Stolpern. Damit zwang er mich regelrecht zur Wahrheit.
„Na ja... ich dachte, vielleicht könnten wir heute Abend beide... also wenn die anderen im Bett sind... in einem Zimmer...?"
Gegen Ende war meine Stimme leise geworden. Oh Mann. An sich war doch nichts dabei, aber gerade war mir die Frage irgendwie unangenehm.
Doch Lee Know antwortete nicht, dafür hatte sich sein Grinsen in ein sanftes Lächeln gewandelt. Er hob die andere Hand zu meinen Haaren und –
„Kommt ihr beide jetzt mal?! Und hört auf zu flirten! Ist ja nicht zum Aushalten."

Through the years (Minsung)Where stories live. Discover now