9 - Lee Know

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Kapitel 9 – Lee Know

Januar 2019

Ein weit entferntes Klappern riss mich aus dem Schlaf. Meine Augenlider fühlten sich unheimlich schwer an und wollten sich nicht so recht heben. Es war eindeutig zu früh, um so unsanft geweckt zu werden.
Mit Mühe blinzelte ich ins Halbdunkel des Zimmers und versuchte mich zu orientieren. Erst nach und nach klarte sich mein Verstand. Ein kalter Windhauch wehte um meine Nase und ließ mich frösteln.
Da! Erneutes Klappern.
Erst jetzt bemerkte ich die leichte Bewegung des Vorhangs. Ich richtete mich ein Stück weit auf. Ohne die kuschelige Wärme der Decke war ich der Kälte im Zimmer schutzlos ausgeliefert. Anscheinend hatte der Wind heute Nacht das Fenster aufgedrückt und damit Jisungs recht spezielle Konstruktion – einen kleinen Karton, der genau das hätte verhindern sollen – von der schmalen Fensterbank befördert. Inzwischen herrschten im Zimmer gefühlte Minusgrade.
Prüfend sah ich auf den Deckenberg neben mir, unter dem nur noch die Hälfte von Jisungs Gesicht heraus schaute. Ihm schien das Ganze herzlich wenig auszumachen, er befand sich weit weg im Traumland.

Umsichtig kletterte ich über ihn hinweg, um das Fenster zu schließen, bevor sich noch Eiszapfen an der Decke bildeten.
Draußen hatte die Morgendämmerung bereits eingesetzt. Ein schmaler Streifen erhellte den Horizont und tauchte die gegenüberliegenden Häuser in diffuses Licht. Anscheinend hatte es in der Nacht leicht geschneit.

Schaudernd kroch ich zurück unter die Decke und zog sie hoch bis zur Nasenspitze. So viel besser. Glücklicherweise war I.N nicht da, so hatten wir uns noch zusätzlich seine Decke klauen können, als wir es uns gestern zum Anime schauen in Jisungs Bett gemütlich machten. Dabei waren wir irgendwann eingeschlafen. Der Laptop auf dem Stuhl war inzwischen in den Standby-Modus übergegangen und erloschen.

Ich rutschte ein wenig herum, um eine bequeme Liegeposition zu finden. Die Betten im Dorm waren leider sehr schmal, was uns allerdings nichts daran hinderte, trotzdem gemeinsam darin zu übernachten. Man durfte sich nur nicht zu viel bewegen, nicht, dass noch jemand von der Kante stürzte. Schmunzelnd linste ich abermals zu Hanie. Der würde garantiert nirgendwo runterfallen, so wie er sich gerade an mich kuschelte und damit auch das letzte bisschen Abstand zwischen uns überbrückte. Nicht, dass es mich störte.

Ich döste ein wenig vor mich hin, so richtig wollte der Schlaf nicht mehr über mich kommen. Jisungs Atem kitzelte meinen Hals, er seufzte leise. Irgendwo in der Wohnung klappte eine Tür, anscheinend war schon einer der anderen wach. Oder noch wach.
Je länger ich still da lag, desto wacher und unruhiger wurde ich.
Bis ich aufgab.

Inzwischen war es im Zimmer merklich heller geworden. Umständlich, schließlich wollte ich Jisung nicht wecken, tastete ich nach meinem Smartphone, das zwischen Matratze und Kissen steckte. 7.58Uhr. Seufzend fuhr ich mir mit einer Hand übers Gesicht und vertrieb die restliche Müdigkeit. Für gewöhnlich war ich um diese Uhrzeit schon lange auf den Beinen. Heute war ein Ausnahmetag, schließlich stand nichts auf dem Plan.
So scrollte ich mich durch die diversen Nachrichten, die mich in den letzten Stunden erreicht hatten. Nichts Weltbewegendes dabei, bis auf die Fotos von meinen Katzen, die meine Mutter mir geschickt hatte. Meine Mundwinkel wanderten automatisch nach oben, auch wenn es gleichzeitig ein wenig im Herzen zwickte. Ich vermisste die drei wirklich. Obwohl ich versuchte, so oft wie möglich zu meinen Eltern zu fahren, war es dennoch viel zu wenig. Am liebsten –

Mit einem Mal ploppte eine weitere Mitteilung auf und unterbrach meine Gedankengänge.
»Hey, was habt ihr beide denn gestern getrieben? Sollte ich was wissen?«
Neugierig klickte ich auf Changbins Nachricht. Warum war der Kerl eigentlich schon wach?
Ein Link erschien, ergänzt durch ein eindeutiges Emoji dahinter. Innerlich wappnete ich mich gegen alles Mögliche. Changbin war diesbezüglich immer für Überraschungen gut.
Zunächst ertönte leise Musik, die ich augenblicklich stumm stellte, um Jisung nicht zu stören. Laut dem Accountnamen schien es sich um ein Fanvideo zu handeln. Das schwarze Startbild verschwand und –
Überrascht sog ich die Luft ein. War das –?
Ja... es war ein Ausschnitt von Hyunjins gestrigen Livestream, den ich mir bisher noch gar nicht angeschaut hatte. Gerade blickte Hyunjin schwer atmend in die Kamera und redete mit den Zuschauern, als sich im Hintergrund die Tür des Proberaumes einen Spalt breit öffnete und gleich wieder schloss. Theoretisch hätte ich an dieser Stelle das Video stoppen können, ich wusste, was folgen würde. Und aus irgendeinem unerfindlichen Grund machte sich ein Hauch Aufregung in mir breit.

Through the years (Minsung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt