Meins

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Clarisia

Ich lehnte mich gegen die Brüstung, die Finger um das hölzerne Geländer gekrallt.
Der Schmerz glühte wie brennende Kohlen und machte es kaum möglich aufrecht zu stehen.
Messerscharfe Blitze durchzuckten meine Leisten, liessen meine Beine zittern.

"Cass?" Die Stimme liess mich herunwirbeln.
Jonah stand auf dem Gang, die Stirn gerunzelt. Seine dunklen Augen musterten prüfend meine Gestalt.
"Hey, Bruderherz!", rief ich mit gespielter Fröhlichkeit.
Ich löste meine klammen Hände vom Geländer und zwang mich zu einem Lächeln.
"Du siehst blass aus", stellte er fest.
Möglichst unbekümmert zuckte ich mit den Schultern.
"Hm, ich habe ein neues Gesichtspuder", flunkerte ich.

Jonah legte den Kopf schief, ich konnte ihm ansehen, dass er an meiner Antwort zweifelte.
"Kommst du mich besuchen?", wechselte ich hastig das Thema.
Er verzog schuldbewusst sein Gesicht. "Eigentlich wollte ich zu Lorelie."
"Oh", machte ich, ich konnte die Enttäuschung nicht ganz aus meiner Stimme verbannen. "Ach so."
Nach kurzem Zögern steuerte mein Bruder auf die Tür meiner besten Freundin zu. "Dann sehen wir uns Morgen, ja?"
Ich nickte eifrig. "Grüss sie von mir."
"Mal sehen", antwortete er mit einem Grinsen.

Ich stakste die Treppe hinunter, die Hände fest um das Geländer gekrallt.
Als ich die letzte Stufe erreichte, sah ich Derik, wie er mit Babsi und Andy scherzte.
Ein Gedanke schlich sich in mein Gehirn.
Die Volljährigen, die sich nicht sofort prägten, trieben es häufig untereinander.
In den letzten drei Monaten hatte ich bereits hie und da ein Angebot abgelehnt. Da Derik eine Klasse hatte wiederholen müssen war er bereits neunzehn und ich wusste, dass er keine Jungfrau mehr war. Das hatte er mir vor einem halben Jahr an einer Party erzählt, nachdem er definitv zwei Gins zu viel intus hatte.

Ich stellte mich neben meine drei Klassenkameraden.
Als sich Babsi und Andy auf das Sofa setzten, nutzte ich die Gelegenheit.
"Kann ich kurz mit dir reden?", bat ich und zog ihn am Arm hinüber zur Küche.
Neugierig musterte Derik mein Gesicht. "Was ist los?"
"Ich möchte dich etwas fragen", begann ich. Mit der Zunge befeuchtete ich meine Lippen. "Ähm, möchtest du... also würdest du..."
Ich verstummte, leicht schüttelte ich den Kopf. "Vergiss es."
"Cass", sagte er leise. "Was hast du?"
In seinen hellen Augen konnte ich die Sorge erkennen. Seine dunklen Brauen zogen sich zusammen.
"Du kannst mir alles sagen, Cass", fuhr er fort, die Miene ernst. "Alles."

"Möchtest du mit mir schlafen?" Unter meinen Haaren spähte ich zu ihm hoch.
Derik erwiderte überrumpelt meinen Blick. "Ehm..."
"Ich bin in meiner Hitze", fügte ich hastig hinzu. "Nur deswegen!"
Derik fuhr sich mit den Händen durch die wirren, schwarzen Haare, er musterte mich eindringlich.
"Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass dich deine Hitze nicht verlockend macht", sagte er schliesslich vorsichtig. "Aber solltest du nicht deinen Gefährten fragen?"
Ich senkte den Blick auf meine Finger, die sich krampfhaft ineinander verknoteten. "Er will unsere Prägung nicht wahrhaben."
Meine Stimme brach.
Endlich mit Jemandem darüber zu reden, löste mehr Emotionen in mir aus, als ich mir eingestehen wollte.

"Hey." Tröstend strich Derik über meinen Rücken. "Warum weist ihr dann eure Prägung nicht zurück?"
Verzweifelt rang ich um Fassung, um nicht vor ihm in Tränen auszubrechen. "Es ist nicht so einfach, wie es scheint."
Derik nahm mich in den Arm und ich schmiegte mich in seine tröstende Umarmung.
"Also eigentlich sind wir für meinen Geschmack zu eng befreundet um miteinander zu schlafen", sagte er nach kurzem Zögern. "Aber so wie ich dich kenne, hättest du nicht gefragt, wenn es nicht dringend wäre."
"Wenn du nicht möchtest, musst du das nicht tun", sagte ich schnell und wollte mich aus seinen Armen lösen.
"Oh, es ist nicht so, dass ich nicht möchte", entgegnete er und lachte leise. "Ist es deine Hitze?"
Ich nickte. "Sie tut so weh."

Derik musterte mich einen Augenblick. "Tun wir's."
Er beugte sich leicht vor.
"Geh nach oben in dein Zimmer", flüsterte er in mein Ohr. "Ich komme in fünf Minuten nach."
Mit gesenktem Blick erklomm ich die Stufen in die obere Etage.
Wie geheissen ging ich in mein Zimmer und setzte mich auf den Bettrand.
Die Nervosität wanderte kribbelnd durch meinen Körper.
Meine Handflächen fühlten sich schwitzig an und ich wischte sie hastig am dünnen Stoff meines geblümten Kleides ab.

Aufbrausend, Ahnungslos, AlphaWhere stories live. Discover now