Kraft

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6 Jahre alt, Damien:

Sie stand mitten auf dem Schulhof, ihre kleine Gestalt warf einen langen Schatten auf den Boden.
Abertausende Füsse hatten die Pflastersteine rund und rutschig werden lassen.

Vorsichtig pirschte ich mich an sie heran, darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen.
Der leichte Sommerwind bauschte ihr hellblaues Kleid und ihre schmalen Füsse steckten in weissen Sandalen mit einer roten Blume über dem grossen Zeh.

Bevor sie mich entdecken konnte, sprang ich nach vorn und zwickte sie mit beiden Händen in die Seiten.
Cass gab ein hohes Quietschen von sich und zuckte erschrocken zusammen.

"Du klingst wie ein Ferkel", bemerkte ich spöttisch.
Lässig steckte ich die Hände in die Hosentaschen und kniff die Augen zum Schutz gegen die tiefstehende Sonne zusammen.

Sie zog ihre kleine Nase kraus, ich unterdrückte ein Lächeln und sah auf sie hinunter.
Cass legte den Kopf in den Nacken und streckte mir die Zunge raus.

Ihre dunklen Haare fielen in zwei dicken Zöpfen auf ihren Rücken.
"Warum hast du Zöpfe gemacht?" Fragend hob ich die Brauen in die Höhe.
Cass wandte den Blick ab, offenbar eingeschüchtert durch meinen Alpha-Status.
"Meine Mama hat die gemacht."

"Sieht komisch aus." Ich griff nach einem der Zöpfe, auf denen die Sonne einen kupferfarbenen Schimmer hinterliess und zupfte daran.
"Au!" Cass stiess mich gegen die Schulter und ich lachte über ihre verärgerte Miene.

"Cass!" Lorelie, ihre Freundin, winkte uns zu.
Ihre kanariengelbe Tasche wirkte viel zu gross für ihren schmalen Körper.

Ohne mich nochmal anzusehen, setzte Cass sich in Bewegung.
Das elektrisierende Gefühl der Wut durchzuckte mich und bevor ich mich zurückhalten konnte, streckte ich ein Bein aus.

Das Mädchen stolperte, hart schlug sie auf dem Boden auf.
Mit einem Schrei rollte sie sich zur Seite und klammerte die Hände um ihr Knie.
Entsetzt erkannte ich das Blut auf ihrer blassen Haut.
Lorelie rannte über den Schulhof auf uns zu, ihre dämlich grosse Tasche schleifte dabei über den Boden.

"Warum kannst du mich nicht in Ruhe lassen?", heulte Cass, Tränen strömten über ihre Wangen und liefen ihren Hals hinab.

Ich zuckte mit den Schultern und gab mir Mühe, keine Miene zu verziehen.
Auf dem Absatz drehte ich mich um und liess sie auf dem Boden sitzen.
Ich konnte ihr Schniefen hören, die Schuld nagte an meinen Eingeweiden wie eine hungrige Ratte.

Clarisia

Ich klaubte ein Haargummi aus meiner Hosentasche und bändigte meine Haare in einem Pferdeschwanz.

Lorelie richtete den Ausschnitt ihres blauen Shirts, das ihre tiefblauen Augen perfekt zur Geltung brachte.
Sie fuhr hastig über ihre hüftlangen, braunen Haare und sah über ihre Schulter zu den älteren Schülern hinüber.

"Wen siehst du an, Lori?" Mit einem spöttischen Grinsen boxte ich meine Freundin in den Oberarm, woraufhin sie ertappt zusammen zuckte.
"Niemand", stritt sie ab, doch eine leichte Röte kroch auf ihre Wangen.

"Lorelie!" Der Ruf brachte mich dazu, mich umzudrehen und Lorelie seufzte erleichtert auf.
Derik winkte meiner Freundin lachend zu. Seine kurzen Shorts reichten nur bis zu seinen haarigen Knien und das graue Shirt war ihm bestimmt zwei Nummern zu gross.

"Ich muss zu meiner Kräftegruppe", sagte Lorelie schnell und drückte mich flüchtig an sich.
Neidisch beobachtete ich, wie sie auf Derik zuging und er einen Arm um ihre Schultern legte.
Was hätte ich dafür gegeben mit ihnen in derselben Kräftegruppe zu sein.

Aufbrausend, Ahnungslos, AlphaWhere stories live. Discover now