Schuld

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Dunkel. Ranken umschlingen mich, halten mich fest. Das laute Dröhnen und Ticken einer Uhr. Das Amulett zerrt an meinem Hals, löst sich und fliegt auf die Uhr zu. Rotes Licht, ein Knacken.

Mitten in der Nacht fahre ich aus dem Schlaf hoch. Derselbe Traum, schon wieder. Um das Zelt pfeift der Wind, als ich mich aufrichte und mit den Fingern nach den roten Abdrücken taste, die die Kette heute Mittag in meine Haut gepresst hat. Was soll dieser Traum nur bedeuten? Ratlos betrachte ich das Medaillon und streiche mit dem Daumen über den Stein.

„Was ist nur los mit dir?", flüstere ich in die Nacht. Doch nur das Rauschen der Bäume und der Ruf eines einsamen Käuzchen antworten.





Irgendwann muss ich wohl wieder eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal die Augen öffne, hat sich die Sonne bereits hinter den Baumwipfeln erhoben. Von den anderen ist keine Spur zu sehen, als ich aus dem Eingang trete. Wahrscheinlich sind sie in der Hütte. Kurz überlege ich, ob ich mich zu ihnen gesellen soll, entscheide mich aber schnell dagegen. Alles in mir schreit danach, für einen Augenblick allein zu sein. 

Ich schlage den Weg in den Wald ein. Gierig sauge ich die kühle Morgenluft ein, während ich durch die Blätter stapfe. Wie auch schon am Vortag hat der Wald eine beruhigende Wirkung auf mich. All die Gedanken, die ich seit Wochen mit mir herumtrage, scheinen sich zu ordnen und zur Rast zu kommen. 

Vor mir lichten sich die Bäume ein wenig und eine kleine Lichtung tut sich auf. Ich bleibe in der Mitte stehen. Einem Instinkt folgend strecke ich die Arme aus und drehe mich im Kreis. Es ist so schön hier. So still. Eigentlich könnte ich... wie von selbst überkreuzen sich meine Arme zu der Bewegung, die den Feuerkreis hervorruft. Nur wenige Augenblicke später lodern die Flammen um mich herum, weit in den Himmel hinein. Ich staune ein wenig. So mächtig habe ich ihn noch nie hinbekommen. Die Wärme um mich herum lässt meine Haut prickeln. Ich habe es vermisst, merke ich. 

Freudig schwinge ich meine Arme durch die Luft, lasse das Feuer die Form an meine Bewegungen anpassen. Mal klein, mal groß leuchten die Flammen durch den Wald. Spaßeshalber breite ich die Arme zu meinen Seiten aus und der Kreis reißt vorne auf. Nur ein winziges Stück, aber dennoch deutlich sichtbar. Der Kreis ist kein Kreis mehr. Ein ekstatisches Gefühl überkommt mich. Es ist möglich, muss möglich sein. 

Meine Arme senken sich wieder ein wenig und der Kreis schließt sich, flackert hoch auf in die Luft. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und gebe mich ganz dem Gefühl des Feuers hin. Wie von selbst drehen sich meine Füße, nehmen tanzende Bahnen über den Boden. Ein Tanz mit dem Feuer. 

Irgendwann halte ich erschöpft inne. Die Flammen flackern nun niedriger um meinen Körper. Vielleicht ist es nicht die allerbeste Idee, im Wald Feuer zu machen, schießt es mir durch den Kopf. Nun ja. 

Bevor etwas passieren kann, lasse ich die Arme sinken und die Flammen verschwinden. Noch immer erfüllt mich das Hochgefühl, das das Feuer in mir ausgelöst hat. Ich drehe, ziemlich sicher das es funktionieren wird, schwungvoll meine Hand und eine kleine Flamme lodert auf. Ein triumphierendes Gefühl durchzuckt mich. Yes! Wie eine Trophäe betrachte ich das kleine Flämmchen in meiner Handfläche. Der orangerote Schein flimmert vor meinen Augen. Es geht. Ich kann es. Andere Dinge als den Kreis zu erschaffen ist möglich. Zufrieden lösche ich die Flamme und stecke die Hände in die Tasche meines Pullis. Zeit für den Rückweg.


Beim Betreten der Hütte erlischt mein Hochgefühl sofort. Laceys Schreie dringen durch die Wände, noch durchdringender als gestern. Es klingt nicht so, als würde sie je wieder gesund werden, schießt es mir durch den Kopf. Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten. Es ist beinahe unerträglich. Die anderen sitzen um den Tisch versammelt, wie ich es mir gedacht hatte. Fiora, die ebenfalls bei jedem Schrei zusammenzuckt, sieht mich als erste.

Rot wie Blut und RosenWhere stories live. Discover now