Nächtliche Heimsuchungen und Bananenschnecken

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Als wir eine halbe Stunde später den Raum verlassen und uns auf den Weg nach Hause machen, lässt sich Lou immer noch nicht blicken. Nicht, dass es mich überrascht hätte. Aber trotzdem hätte ich gern gewusst, dass es ihm gut geht. 

Andererseits weiß ich nicht, ob ich die offene Gleichgültigkeit noch einmal ertragen hätte. 

Nur Fiora stößt wieder zu uns, erschöpft guckend. Auf meinen fragenden Blick reagiert sie nur mit einem müden Schulterzucken. Na schön. Mit einem mulmigen, unangenehmen Gefühl im Magen mache ich mich mit Lacey auf den Weg. Es dämmert bereits, als ich in den Garten einbiege und die Haustür aufschließe.

„Bin wieder da!", rufe ich in den Flur, um gleich darauf das fröhliche Gesicht meiner Mutter zu sehen, die mich ins Wohnzimmer zum Essen winkt. Nachdem wir eine Weile schweigend über dem Auflauf gesessen haben, hebt mein Vater den Blick.

„Du interessierst dich also neuerdings für Schnecken?"

Innerlich lasse ich den Kopf auf die Tischplatte sinken. Na super.

„...Ja?"

Meine Mutter grinst.

„Beeindruckend. Ich hatte gar nicht so auf dem Schirm, dass du die Natur anziehend findest. Vor allem nicht so sehr, dass du freiwillig eine Woche mit Schneckenforschen verbringen willst."

Ich verziehe den Mund.

„Ich mag die Natur."

„Jaja. Ganz sicher, dass nicht vielleicht deine Biologienote etwas damit zu tun hat?"

„Oder vielleicht die Tatsache, dass du mit deiner besten Freundin und dem hübschen Jungen von nebenan wegfährst?"

Oh nein. Dahin führt das Gespräch also. Erschöpft vergrabe ich meinen Kopf in den Händen.

„Ganz sicher." Woher sollen sie auch wissen, dass sie sich für dieses Gespräch den falschen Tag ausgesucht haben? Ich hebe den Kopf wieder.

„Schnecken sind sehr interessant. Wusstet ihr, dass Bananenschnecken bis zu 1000 Meter über dem Meeresspiegel vorkommen?"

Meine Eltern ziehen synchron die Augenbrauen hoch.

„Tatsächlich nicht, nein."

„Bananenschnecken also? Und da reicht es nicht, ein bisschen zu googlen? Ihr müsst für die Forschung wirklich in die Sierra Nevada fahren?" Offensichtlich ist meine Mutter nicht ganz einverstanden mit dem Plan. Kann ich ihr nicht verübeln.

„Jap. Die, äh, kommen nur dort vor. Und außerdem ist es viel lehrreicher, die Schnecken aus nächster Nähe zu sehen."

Sie schaut immer noch ein wenig skeptisch, lenkt aber schließlich ein.

„Na schön."

„Keine Sorge, ich komme schon heil wieder zurück." Ich grinse beruhigend, während ich mir meinen Teller schnappe und vom Stuhl aufstehe.

„Ich geh jetzt nach oben, bin ziemlich erschöpft."

Sobald ich aus dem Raum verschwunden bin, seufze ich tief auf und lehne mich kurz an die Wand. Das Gespräch hätte ich schon mal überstanden. Gut gemacht, Nelly. 

Mein Teller findet einen Platz auf der Spüle und ich mache mich auf den Weg in mein Zimmer. Ich bin so erschöpft von diesem Tag, all die Emotionen, die es zu verarbeiten gilt. 

Warum ist verletzt sein so anstrengend? Sollte es nicht lieber denjenigen, die verletzen schlecht gehen? Das ist doch nicht fair. 

Für heute Abend verbannen wir alle Gedanken an Lou aus unserem Gehirn, sage ich mir. Die kleine, hämische Stimme meines Unterbewusstseins ersticke ich sofort. Nur noch Ablenkung erlaubt. Zum Beispiel eine Folge Buffy. Es kann doch nicht schaden, ein paar Vampire abgeschlachtet zu sehen. Müde grinsend lege ich mich ins Bett und schalte meinen Computer an. Ja, doch, das ist doch genau das Richtige.




Mitten in der Nacht wache ich plötzlich auf. Der Mond scheint hell durch mein Fenster und taucht mein Zimmer in ein gespenstisches Licht. 

Irgendetwas fühlt sich anders an, seltsam. 

Als würde mich jemand beobachten. 

Meine Haut kribbelt, als ich mich bedächtig aufsetze. Niemand zu sehen. 

Langsam erhebe ich mich aus dem Bett und trete vorsichtig ans Fenster. Mein Blick schweift über den Rasen und bleibt dann an einer Gestalt hängen, ein weißer Fleck zwischen den Bäumen des Wäldchens, das hier beginnt. Die Gestalt sieht genau zu mir hinauf, direkt in meine Augen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. 

Lou. 

Sein Gesicht und sein Hemd, das vorhin noch blütenweiß war, sind mit Blut benetzt, ganz still steht er da und schaut zu meinem Fenster hoch. Einen Moment lang sehen wir uns in die Augen, dann dreht er sich um und verschwindet lautlos im Wald. Ich bleibe mit klopfendem Herzen an meinem Fenster zurück, die dunkle Nacht hinter dem Glas schimmernd.





Der Freitagmorgen beginnt stürmisch. Der Wind zerzaust mein Haar und Regen prasselt mir ins Gesicht, als ich aus der Haustür trete. Fröstelnd ziehe ich meine Jacke um mich. Brr. Ich wünschte, ich könnte ein wenig Feuer machen, ohne gleich einen Großbrand zu verursachen. 

Lacey wartet vor dem Bäcker auf mich. Ich werfe einen Kontrollblick in den Laden. Sieht noch gesund und munter aus, der Gute. Sehr schön. Dann fällt mir ein, dass, selbst wenn der Bäcker tot sein sollte, Lou sich von mir vermutlich nicht einmal eine Moralpredigt anhören würde. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.

„Nelly?", Laceys Stimme klingt zaghaft, fast unsicher. Sie ist ungewöhnlich still. Ich wende mich ihr zu.

„Hm?"

Sie schluckt und bleibt eine Weile still, offensichtlich ringt sie mit sich. Ich wende mich wieder nach vorne.

„Ich... ich glaube ich...", hebt sie wieder an, aber in diesem Moment entdecke ich Lou vorn am Schultor und Laceys Stimme rückt in den Hintergrund.

„Warte kurz, ich geh grad Hallo sagen.", unterbreche ich sie. Mit einigen Schritten hole ich zu Lou auf.

„Hi.", sage ich, innerlich die Luft anhaltend. Lou dreht seinen Kopf zu mir, mustert mich kurz und gibt dann ein neutrales „Hallo" zurück. Ich verzieh kurz schmerzerfüllt den Mund. Also immer noch keine Verbesserung zu gestern. Aber so leicht will ich nicht aufgeben.

„Wie war deine Nacht so?" Ja, das soll eine Anspielung sein. Aber er geht nicht darauf ein.

„Normal. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss zu meinem Spind."

Verletzt lasse ich mich zurückfallen, bis ich wieder neben Lacey laufe. Was soll das nur? Was habe ich ihm denn plötzlich getan? Verdammt, ich wünschte ich könnte meine Emotionen nur halb so gut ausschalten wie er gerade. Erschöpft lasse ich mich mit der Menge treiben. Keine Ahnung, wie ich jetzt noch einen Schultag durchstehen soll. Ich werfe Lacey einen Blick zu, aber die starrt starr geradeaus. Seufzend gleite ich im Raum auf meinen Platz. 

Wie ich Morgende hasse.




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Guess what? Ich bin ausnahmsweise mal pünktlich! Wuhuu! 

Leider (noch) nicht mit besserer Stimmung bei Nelly & co. Bald wieder.

Hihi. 

Alsooo, schreibt mir wie immer fleißig, was ihr vom Kapitel haltet (und fühlt euch umarmt, ihr seid super).

Bis dann! 

May aka Autor dieses Buches aka Harley Quinn aka Hermine aka Tochter des Hades aka Spencer Hastings aka mir fällt nichts mehr ein, was könnte ich noch nehmen?

(Ok, reich jetzt. Ich hab zu gute Laune heute.)

Rot wie Blut und RosenWhere stories live. Discover now