Die Gefahren von Gruppenarbeiten

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Mein Wecker zeigt vier Uhr an. Während ich noch versuche, meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen, lasse ich mich in meine Kissen sinken. So einen realen Alptraum hatte ich noch nie. Immer noch spüre ich die Ranken, wie sie meinen Körper in der Luft halten und nicht gehen lassen wollen. Ich schließe die Augen und kralle meine Finger noch fester um das Medaillon. Als ich die Augen nach einigen Augenblicken wieder öffne, heben sich meine Fingerknöchel weiß aus der Dunkelheit meines Zimmers hervor. 

Alles ist gut, sage ich mir, wir können beruhigt wieder schlafen gehen. Langsam pendelt sich mein Herzschlag wieder auf eine normale Geschwindigkeit ein. Es ist viel zu früh, um jetzt schon aufzustehen. Ich drehe mich auf die Seite. Das Amulett ist in Sicherheit. Jedenfalls für den Moment. Und nach ein paar Augenblicken schlafe ich tatsächlich wieder ein, das Medaillon fest in der Hand umklammert.



Der Morgen bringt strahlenden Sonnenschein und wischt mit einer frischen Brise die letzten Überreste des Traumes aus meinem Kopf. Es riecht nun wirklich nach Herbst, stelle ich fest, während ich zur Schule laufe. Bald muss ich meine Jacken wieder aus dem Schrank holen. 

Aber für den Moment wärmt die Sonne noch meinen Rücken und ehe ichs mich versehe, bin ich vor den Schultoren angekommen. Hab ich schon einmal erwähnt, dass ich das Wort Schultore liebe? Es klingt nach eisernen, verschnörkelten Toren, die zu einem alten Gebäude hinführen und jedes Mal beim Öffnen quietschen. 

Leider sind unsere Schultore überhaupt nicht so. Es sind stinknormale Türen. 

Ich war sehr enttäuscht, als ich sie das erste Mal gesehen habe, an meinem ersten Schultag... Wie klein ich damals war. Mit braunen Zöpfchen und einer großen Zahnlücke. Jedenfalls würde sich die Nelly von damals niemals ausmalen können, einmal Hüterin eines Vampirsteins zu sein. Obwohl sie es sicher cool gefunden hätte.

Mein Klassenzimmer wartet mit einer seltsamen Änderung auf mich. Die Tische sind zusammengeschoben, immer zwei, sodass vier Schüler daran Platz haben. Innerlich stöhne ich auf. Oh nein. Das kann nur eine Gruppenarbeit bedeuten. Sein wir mal ehrlich: Niemand, der auch nur halbwegs intelligent ist, mag Gruppenarbeiten. Entweder man sitzt nur nutzlos rum oder man macht alle Arbeit allein. Im schlimmsten Fall sogar noch mit Leuten, die man nicht einmal leiden kann. 

Durch die neue Anordnung weiß keiner, wo er sich hinsetzen soll, deshalbstehen die meisten einfach irgendwo verloren im Klassenraum. Ich entdecke meine Freunde relativ weit vorn an der Wand.

„Morgen."

„Hello", Lacey schenkt mir ein strahlendes Lächeln. Sie wirkt gut gelaunt heute. Ob das wohl etwas mit einem bestimmten, rothaarigen Vampir zu tun hat? Wer weiß... Ich wende meinen Blick zu Lou.

„Hi." Schrecklich, wie allein sein Anblick mein Herz schneller schlagen lässt. Hilfe. Jemand hole mich bitte hier raus. 

Er grinst mich an.

„Hi. Hast du schlecht geschlafen? Du siehst schon wieder ziemlich nach Zombie aus."

Okay, immerhin schafft er es ziemlich gut, mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Resigniert den Kopf schüttelnd wende ich mich ab. Leider kommen beim Gedanken an die heutige Nacht auch die Bilder meines Alptraums zurück. Die große, dröhnende Uhr, die Ranken, die Dunkelheit... Mit einem Schauder schüttele ich die Erinnerung von mir. Ich hatte wirklich schon angenehmere Träume.

Fünf Minuten später haben sich alle meine Befürchtungen bestätigt. Wir dürfen Gruppenarbeiten machen und Lacey ist in einer anderen Gruppe, während ich mich mit Lou und zwei anderen pubertierenden Flachbirnen herumschlagen muss. Und ich weiß, das klingt gemein, aber es ist so. 

Rot wie Blut und RosenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora