Croissants (Schokolade, Butter... Alles was das Herz begehrt.)

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Ich weiß nicht genau wie ich es schaffe, einen erneuten Streit mit meinen Eltern zu umgehen. Ich murmele irgendetwas von „es ging mir nicht gut, muss der Lehrer vergessen haben" und erstaunlicherweise glauben sie mir. Nun ja, mir soll es Recht sein.

Der nächste Tag, ein wunderschöner Dienstag, beginnt ebenso ereignislos wie der Montag. 

Obwohl man den wohl kaum als langweilig bezeichnen kann. Angefangen hat er allerdings unspektakulär.

Bevor ich mich weiter in unnötigen Überlegungen verfange, schließe ich lieber die Haustür hinter mir und mache mich auf den Weg. Heute ist es deutlich kühler als die letzten Tage und ich fröstele in meiner dünnen Jacke. Die paar Schaufenster im Stadtzentrum zeigen zu dieser Uhrzeit nur leere Räume, und ich kann es nicht lassen und betrachte für einen Moment mein Spiegelbild. Der hohe Pferdeschwanz sitzt noch, bloß an den Seiten beginnen sich schon dunkle Babyhaare zu lösen. Der Rest sieht annehmbar aus. Jedenfalls für einen normalen Schultag. Halbwegs zufrieden drehe ich mich wieder nach vorne. 

Ein Blick auf mein Handy zeigt, dass ich es schon wieder geschafft habe, mich zu verspäten und mit bedauerndem Blick laufe ich im Stechschritt am Bäcker vorbei. Die Croissants werden heute auf mich warten müssen.

Fünf Minuten vor dem Gong schiebe ich mich ins Klassenzimmer und auf meinen Platz. Hektisch krame ich in meiner Schultasche nach meinen Sachen, da schiebt sich eine Tüte vom Bäcker in mein Sichtfeld.

„Für dich."

Ich schaue hoch. Vor mir steht Lou, der mich irgendwie vorsichtig angrinst.

„Sind Croissants. Die magst du doch, oder? Wenn nicht nehm ich sie gern.", bei den letzten Worten verschwindet der unsichere Ausdruck in seinen Augen und sein Grinsen gewinnt an Festigkeit. Ich starre ihn sprachlos an. Hat er mir gerade Croissants geschenkt? Wie soll ich denn aus dem Jungen schlau werden. 

Ich höre mein Unterbewusstsein aufgeregt quietschen und räuspere mich, während der Gedanke durch meinen Kopf streift, ob mit dem Bäcker wohl alles okay ist.

„Danke.", bringe ich heraus. Ich bin mir wohl bewusst, dass Lacey uns aus ihren dunklen Augen sehr genau beobachtet. Wenn ich es nicht schon bin, werde ich spätestens jetzt rot. 

Schnell schnappe ich mir die Tüte und schaue rein. Tatsächlich, Croissants. Sogar eins mit Schokolade.

„Das ist... perfekt.", vielleicht leuchten meine Augen ein bisschen. Ich muss versuchen, mich wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Und die hast du bekommen, ohne den Bäcker zu manipulieren? Oder zu beißen?", bringe ich hastig heraus. Jetzt grinst er wirklich.

„Ja. Ob du's glaubst oder nicht. Obwohl das gar keine schlechte Idee ist. Vielleicht steht er ja auf Beißen. Dann krieg ich Croissants umsonst."

Ungläubig starre ich ihn an.

„Natürlich würdest du welche abbekommen.", er schenkt mir ein charmantes Lächeln. Okay, offensichtlich sind wir wieder in seiner Komfort-Zone. Meine Ohren glühen leider immer noch.

„Sehr lieb.", erwidere ich trotzdem, „Ein echter Gentleman."

„Ich weiß.", er zwinkert mir zu und schlendert nach hinten zu seinem Platz. Sobald er hinter uns verschwunden ist, beugt sich Lacey zu mir.

„Was läuft denn bitte zwischen euch beiden?!", fragt sie, und ich kann das neugierige Blitzen in ihren Augen förmlich spüren. Mit roten Wangen zucke ich die Schultern und nehme ein Croissant aus der Tüte. 

Nicht, dass ich wirklich Hunger hätte. Dafür toben viel zu viele Schmetterlinge durch meinen Magen und machen mich ganz verrückt. Das kann doch nicht wahr sein! Resigniert nehme ich einen großen Bissen von meinem Schokocroissant. 

Es schmeckt großartig. Besser als sonst. Vielleicht aber auch nur wegen der Vorstellung, dass sich Lou heute morgen extra in die Schlange dort gestellt und Croissants gekauft hat. Für mich. Die Schmetterlinge in meinem Bauch schlagen Saltos. 

Auf einmal kann ich nichts mehr essen. Ich packe die Tüte in meine Tasche und lehne mich in meinem Stuhl zurück. Gut, da kommt unser  Lehrer. Unnötig zu sagen, dass ich mich nicht auf den Unterricht konzentrieren kann. Immer wieder schweifen meine Gedanken zu den Croissants in meiner Tasche und zu dem, der sie mir gebracht hat. 

Ich würde am liebsten losrennen. Ob zu ihm oder irgendwohin ganz weit weg weiß ich allerdings noch nicht.

Verzweifelt und genervt vergrabe ich den Kopf in meinen Händen. Hab ich denn nichts besseres zu tun, als mich Hals über Kopf zu verlieben?


Der Unterricht vergeht relativ schnell. Es war schon wieder Mathe und ich denke, wenn ich nicht aufpasse, ruft mich der Lehrer bald zu einem Einzelgespräch zu sich. Er hat mich schon wieder so besorgt angeschaut. Nun ja. Was will man machen.

In der Pause verabschiedet sich Lacey mit einem Blick auf Lou und mich. Ich glaube, ihre Begründung war irgendetwas wie „Ich muss noch einen neuen Radiergummi klauen." Hoffentlich kann sie meinen bösen Blick in ihrem Rücken spüren. 

Also sitze ich nun mit Lou auf einer Bank. Ein paar Minuten starren wir beide vor uns hin, nicht wissend, was wir sagen sollen. Bei ihm ist das vermutlich auch eine Premiere.

„Haben die Croissants geschmeckt?", unterbricht er schließlich die Stille. Sein Ton klingt ganz neutral und sachlich, so als würde er jeden Tag jemandem Croissants schenken. Ich nicke und hole die Tüte aus meiner Tasche.

„Sie sind toll.", abwägend sehe ich ihn an, dann nehme ich das andere Croissant aus dem Beutel und breche es in der Mitte durch. Die eine Hälfte halte ich ihm hin und er nimmt es grinsend entgegen. Ein paar weitere Minuten vergehen, in denen wir schweigend kauen. Das alles kommt mir so surreal vor. Hätte mir jemand vor ein paar Monaten gesagt, dass ich mir mal mit Lou ein Croissant teilen würde, hätte ich ihn sicher ausgelacht. Schon allein deshalb, weil ich mein Essen normalerweise nicht teile.

„Kommt ihr nach der Schule wieder zu uns?"

„Sicher. Ich muss doch trainieren." In diesem Moment gongt es. Ich schultere meine Tasche und grinse ihn an.

„Und außerdem können wir dann wieder Mensch ärgere dich nicht spielen. Ich kann es gar nicht erwarten, dich noch mal fertig zu machen."

Lou runzelt verärgert die Stirn.

„So gut warst du nun auch wieder nicht."

„Ach nein?"

„Nein. Das war einfach nur Glück."

„Mag sein. Aber dann hattest du fünf Runden lang einfach nur Pech."

Sein Stirnrunzeln vertieft sich und ich lache.

„Das ist nicht witzig."

„Doch schon. Ziemlich sogar. Oh, hi Lacey. Hast du deinen Radiergummi geklaut?", frage ich meine verräterische beste Freundin, die gerade um die Ecke biegt. Sie grinst mich nur frech an und hakt sich bei mir ein.

„Und du? Schöne Pause gehabt?"

Ich werfe ihr einen ebenso stirnrunzelnd-bösen Blick zu, wie Lou ihn gerade eben aufgesetzt hatte.

„Das werte ich dann mal als 'Ja'.", grinst sie. „Immer wieder gern."

Ergeben seufzend folge ich ihr ins Klassenzimmer.



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Welcome back! Ein neuer Sonntag, ein neues Kapitel. Jippie.

Was haltet ihr von den neuesten Entwicklungen? Schreibt es mir in die Kommentare! (Please. Ich liebe Kommentare.)

So, ich geh mir dann jetzt mal ein Croissant holen. Hab Hunger bekommen.

Bis nächste Wocheee!

May




Rot wie Blut und RosenWhere stories live. Discover now