Eis und Kälte (Innerlich)

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Den ganzen Nachmittag über lässt sich Lou nicht blicken. Erst am nächsten Tag bekomme ich ihn wieder zu Gesicht, als ich das Klassenzimmer betrete, das glücklicherweise größtenteils unversehrt geblieben ist. Er sitzt hinten auf seinem Stuhl und blickt von mir weg, die Beine überschlagen und die Arme vor der Brust verschränkt. 

Er hebt den Blick, als ich näher komme, und ich erstarre. Der kurze Moment, in dem er mich betrachtet, ist gefüllt von eisiger Kälte. Nichts in seinen Augen weist auf den letzten Tag hin; den Fakt, dass ich in seinen Armen lag und wir uns so nahe waren, dass wir uns hätten küssen können. 

Stattdessen ist da – Nichts.

„Hi", flüstere ich. Meine Stimme klingt rau und heiser. Lou nickt nur knapp und kühl und wendet sich dann wieder ab. Ich spüre den eisigen Stich, der mein Herz durchsticht. 

Warum ist er so? Was soll das? 

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen setze ich mich auf meinen Platz, neben Lacey, die nachdenklich vor sich hin starrt. Ob irgendetwas passiert ist? Vielleicht geht es Elias wieder schlechter? Oder habe ich etwas falsch gemacht?

„Fio meinte, wir besprechen nachher den Besuch bei der Hexe. Elias ist zuversichtlich, dass er das schafft.", flüstert Lacey mir zu. Ich hebe die Augenbrauen.

„Fio?"

„Hm."

Ich sehe, dass sie rot wird. Ha. Ein kleines Grinsen kann ich mir nicht verkneifen, während sie hastig den Kopf abwendet.

Der Hexenbesuch wird also langsam ernst. Nur, wenn es Elias halbwegs gut geht, dann kann er nichts mit Lous Verhalten zu tun haben. Bedrückt starre ich vor mich hin. Vielleicht sollte ich ihn einfach fragen.


Alles okay bei dir?


Es dauert zehn lange Sekunden, dann höre ich ein abweisendes Geräusch in meinem Kopf. Und daraufhin nichts mehr. Ich versuche, den erneuten Stich zu ignorieren, den mir das versetzt. Bestimmt kriegt er sich bald wieder ein.

Als es endlich zur Pause klingelt, kann ich es nicht erwarten, aus diesem Raum zu kommen. Zusammen mit Lacey steuere ich eine der Bänke an. Lou steht ein paar Meter vor uns, genauso wie einige andere Schüler. Als wir an ihnen vorbeilaufen, werfe ich ihm einen unsicheren Blick zu. Er fängt ihn auf, ohne erkennbare Gefühlsregung, und dreht sich dann zu den anderen, um sich dort am Gespräch zu beteiligen. Ohne, dass er irgendetwas mit denen zu tun gehabt hätte. 

Das sollte nicht so sehr wehtun. 

Er darf rumhängen, mit wem er will, sage ich mir und laufe stur geradeaus, hinter Lacey her. Trotzdem kann ich das dumpfe, kalte Gefühl in meiner Brust nicht ignorieren. Es ist, als hätte mein Medaillon diesmal mein Innerstes vereist. Nur dass das Amulett zur Abwechslung wirklich keine Schuld trägt. Was habe ich bloß falsch gemacht?

„Alles okay?", fragt mich Lacey. Ihr besorgter Blick macht klar, dass sie genau weiß, was in mir vorgeht. Ich nicke stumm.

„Warum redet Lou nicht mit uns?"

„Ich weiß es nicht.", fauche ich. Der Schmerz lässt meine Stimme gereizt klingen. Lacey schürzt die Lippen und sieht mich verärgert an.

„Schon gut." Nach einer kleinen Pause schiebt sie hinterher: „Ich bin da, wenn du reden willst."

Ich nicke. Es sollte überhaupt keinen Redebedarf geben! Warum tut es so weh, wenn er mich mal ein paar Stunden ignoriert? Wütend starre ich nach vorne. 

Die restliche Pause reden wir nicht besonders viel. 

Doch auch den weiteren Schultag über ändert sich nichts an Lous Verhalten. Nicht ein Mal sieht er zu uns rüber und wenn ich es doch einmal schaffe, seinen Blick zu kreuzen, sind seine Gefühle hinter einer undurchdringlichen Maske aus Eiseskälte verborgen. 

Rot wie Blut und RosenWhere stories live. Discover now