Grenzen und Bäcker. Arme Bäcker.

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„Nelly, ist es für dich okay, wenn du heute allein trainierst? Ich würde mich gern etwas ausruhen." Claires Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Verwirrt nicke ich.

„Ja, klar. Kein Problem." 

An Training hatte ich gar nicht mehr gedacht. Schaden kann es allerdings auch nicht. Und so verabschiede ich mich an der Tür zum Trainingsraum von den Anderen und betrete die Mattenhalle. Es ist seltsam, allein hier drin zu sein. Normalerweise war immer mindestens Claire bei mir. Aber irgendwie fühlt es sich...frei an. 

Ich unterdrücke ein übermütiges Jauchzen. Vergessen ist die Situation mit Elias, alle Sorgen, die mich momentan beschäftigt haben. So schnell ich kann drehe ich mich im Kreis. Kurz bevor mir schwindlig wird, stoppe ich. Zeit, ein bisschen zu trainieren. 

Das Feuer heraufzubeschwören gelingt mir inzwischen mit Leichtigkeit. Heute scheint ein guter Tag zu sein, denn die Flammen wirbeln unermüdlich um mich herum, ohne irgendwelche Anstalten zu machen, zu verschwinden. Probehalber dehne ich meine Arme etwas nach außen, ziehe sie wieder zusammen und teste, wie sich der Kreis dadurch verändern lässt. Am schwierigsten ist es, den Kreis so nah wie möglich an meinem Körper zum Leben zu erwecken, sodass er praktisch wie eine zweite Haut wirkt. Begeistert lasse ich den Kreis weiter werden, bis etwa fünf Menschen um mich herum passen würden. Sobald ich versuche, ihn noch mehr auszudehnen, brechen die Flammen zusammen. Aha, das ist also meine Grenze. Gut zu wissen. 

Ob ich wohl die Form verändern kann? Probeweise schiebe ich meine Finger in eine andere Position. Tatsächlich, mit einiger Anstrengung schaffe ich es, den Kreis kegelartig zu formen. Ein triumphierendes Gefühl durchzuckt mich. Ich weiß zwar nicht, wozu das gut sein soll, aber es ist cool, dass ich es kann. 

Vom Ehrgeiz gepackt, bewege ich meine Hände noch ein bisschen mehr. Ob es wohl möglich ist, den Kreis über mir zu schließen? Keine Angriffe von Oben erwarten zu müssen, ist doch sicherlich sinnvoll. 

Meine Arme brennen und langsam machts ich die Anstrengung bemerkbar, aber der Kreis schließt sich ein winziges bisschen über mir. Ha! Ich erlaube mir ein zufriedenes Grinsen. Jetzt aufzugeben, kommt nicht in Frage. 

Angespornt durch den Erfolg bringe ich meine Hände näher zusammen. Es kostet mich meine letzte Kraft, aber ich sehe das Feuer über mir sich verdichten. Nur noch ein bisschen... Ich muss meine Kraft an Gefühle binden. Dass das funktioniert, weiß ich ja schon. 

Gefühle... ein Bild von Lou schiebt sich vor mein geistiges Auge. 

Mit einem Mal ist all meine Konzentration verschwunden, zusammen mit den Flammen. Verdammt. Frustriert stoße ich die Luft aus. 

Ich bin schweißgebadet und mein Zopf hat sich in ein wuscheliges Etwas aufgelöst. Erschöpft lasse ich mich zu Boden sinken. Wie es aussieht, habe ich heute nicht nur meine Stärken, sondern auch meine größte Schwäche kennengelernt. Na super.


***

Unsanft reißt mich mein Wecker aus meinem wohlverdienten Schlaf. Stöhnend richte ich mich auf und schlage genervt auf den Schlummer-Knopf. Einen Moment lang blinzele ich in mein dämmriges Zimmer, das noch von meinen Vorhängen verdunkelt wird. Jeden einzelnen Morgen wieder die gleiche Qual. Ich seufze und schwinge die Beine aus dem Bett. Dann lassen wir mal die Sonne rein.

Während ich mich fertig mache, gehen mir die Ereignisse der letzten Tage durch den Kopf. Gestern nach meinem Training war nichts weiter interessantes passiert. Elias war tatsächlich kurz aufgewacht, allerdings war er weiterhin sehr müde, weshalb wir ihn nicht allzu lang belästigt hatten. Danach hatten Lacey und ich den Tag mit Lou und Fiora verbracht. In Ermangelung anderer Ideen (und weil die Stimmung gerade so schön gut war), hatten wir ein paar Brettspiele gespielt. Lou ist übrigens ein ganz mieser Verlierer in „Mensch ärgere dich nicht", wie ich herausgefunden habe. Der Gedanke an sein aufgebrachtes Fluchen zaubert mir ein Grinsen ins Gesicht.

Mein obligatorisches Müsli ist schnell gemacht, der Kater ebenso gefüttert und so mache ich mich ein paar Minuten später auf den Weg. Vor der Schule stoppe ich noch kurz beim Bäcker. 

Während ich mein Croissant entgegennehme, werfe ich einen misstrauischen Blick auf seinen Hals. Tatsächlich, er hat ein weißes Pflaster im Nacken. Dieser böse-

„Alles in Ordnung?", der Bäcker wirft mir einen irritierten Blick zu.

„Äh, ja. Bis Morgen!", eilig verlasse ich den Laden. Bäcker? Bäcker ist Lous Lieblingsgeschmack? Verstört schüttele ich den Kopf.


Mein Klassenzimmer ist bereits ordentlich gefüllt, als ich ankomme, aber trotzdem bin ich zur Abwechslung mal pünktlich. Lacey ist noch nicht da, aber dafür sitzt Lou schon hinten auf seinem Platz. Er schenkt mir ein Lächeln, als sich unsere Blicke treffen. Ein Lächeln. Da muss aber jemand sehr gut drauf sein, heute. 

Mit energischen Schritten mache ich mich auf den Weg zu ihm. Sobald ich an seinem Tisch angekommen bin, stütze ich mich mit den Handflächen darauf und funkele ihn an.

„Du hast meinen Bäcker gebissen?!"

Er erwidert den Blick mit herausforderndem Blitzen und dem Anflug eines Grinsens im Mundwinkel.

„Ich wusste nicht, dass du Besitzansprüche hegst."

Entgeistert schüttele ich den Kopf.

„Ich dachte, das wäre ein Scherz gewesen. Der arme Bäcker!"

Kichernd duckt er sich weg. Einen Moment lang funkele ich ihn noch vorwurfsvoll an, dann kann ich den Blick nicht mehr aufrecht erhalten und lasse mich seufzend auf die Tischkante sinken. 

Lou lacht immer noch. Ach komm schon, so lustig war das jetzt auch nicht. Trotzdem kann ich mein Grinsen ebenfalls nicht mehr zurückhalten.

„Du bist so bescheuert."

„Ich weiß."

Einen Moment lang sehen wir uns nur an. Mein Bauch kribbelt. Dann holt mich eine Hand auf meiner Schulter zurück in die Gegenwart. 

Ich drehe mich um und sehe in Laceys dunkle Augen, die mich amüsiert anfunkeln. Dem Brennen in meinen Wangen nach zu urteilen, werden diese gerade Rot.

„Morgen. Der Unterricht fängt an.", sie zieht mich zu unserem Tisch.

„Wir müssen uns glaub ich dringend mal unterhalten.", flüstert sie mir zu. Ich vergrabe den Kopf in den Händen. Ja, das müssen wir wohl.


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I'm back, bitches!! 

Zwar mit einem ziemlich kurzen Kapitel, aber dafür wird das nächste umso länger. 

Versprochen. 

Lasst mir wie immer ein Vote und viele Kommentare da! ^^

Bis (hoffentlich) nächste Woche! Und dann wieder Sonntag, wie gewohnt. 

Byeee

May

Rot wie Blut und RosenWhere stories live. Discover now