KAPITEL NEUNZEHN

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FRUSTRATION KEIMTE IN Taehyungs Innerem auf, während sie zum wiederholten Mal die Bedingungen durchkauten, welche beide Königreiche bezüglich einer neuen Handelsroute aufgestellt hatten. Taehyung hatte in den vergangenen Jahren versucht in seine neue Rolle reinzuwachsen, in sein neues Leben. Er hatte Politik und Strategielehrstunden über sich ergehen lassen, hatte die Königreiche und Städte studiert, welche Lebensmittel sie herstellten, welche Rohstoffe sie abbauten, ja er wusste sogar, in welchen Dörfern in Kirin Möbel und Geschirr hergestellt wurden. Er kannte die Anzahl an Minen, welche sich in den Eisenbergen befanden, wie viele bereits stillgelegt, und welche noch aktiv waren.

Dennoch fühlte er sich nicht bereit für die unerbittlichen Verhandlungen, die er Tag für Tag über sich ergehen lassen musste, seit dem er in Sabora angekommen war. Er saß, wie bereits in den letzten Tagen, zwischen Yohan und seinem Berater Mansik und auch Yuri hatte es sich nicht nehmen lassen, der heutigen Verhandlung erneut beizuwohnen. Zunächst war Taehyung überrascht davon gewesen, dass Yuri sich freiwillig dazu bereiterklärte, den Treffen beizuwohnen, so hatte er angenommen, dass sie vielmehr mitgereist war, um in Sabora einen potenziellen Ehegatten zu akquirieren. Mittlerweile war ihm bewusstgeworden, dass dies nur ein Vorwand Yuris gewesen war, um der Reise beizuwohnen.

Und mit Verdruss und immer größer werdendem Frust musste Taehyung sich eingestehen, dass Yuri für diese Verhandlungen wohl geeigneter war als er selbst. Er wusste, dass sie versuchte sich zurückzuhalten, denn sie war nicht in der Position, in dieser Runde zu reden; er erkannte es an ihren Händen, die sie vor sich im Schoss gebettet hatte und jedes Mal nervös zuckten, wenn etwas erwähnt wurde, dem sie etwas hinzufügen wollte. Manchmal tat sie das, im heutigen Treffen mehr als in den vergangenen Verhandlungen: sie stellte clevere Fragen, brachte sinnvolle Einwände hervor, sprach knappe Bemerkungen aus, die von Mansik und mittlerweile auch von Yohan zumeist mit einem zustimmenden Nicken belohnt wurden.

Taehyung wurmte es. Es wurmte ihn, dass Yuri sich besser zu präsentieren wusste als er selbst. Dass sie die Raffinesse besaß, ein umfangreicheres Wissen und Verständnis für den Handel und die Wirtschaft Kirins. Und am meisten wurmte es ihn, dass er nicht mehr der Einzige war, dem das bewusst wurde. König Seokjin hatte Yuri zu Anfang nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit geschenkt, doch nun blickte er immer öfter zu ihr, wenn er einen Vorschlag oder eine Forderung aussprach und die Reaktion der kirinischen Fraktion erwartete.

Zum wiederholten Mal winkte Taehyung einen der Diener heran und ließ sich seinen Weinbecher nachschenken. Zu Beginn hatte er die Worte seines Onkels in seinen Kopf widerhallen gehört, aber er hatte kapituliert. Der Wein rann kühl seine trockene Kehle herab, während er einen von König Seokjins Beratern dabei beobachtete, einige Zahlen von einem Pergament abzulesen. Der König selbst wirkte gegenwärtig recht reserviert. Seine Mimik war ausdruckslos und seine Mundwinkel hoben sich ausschließlich zu einem gezwungenen Lächeln, wenn er angesprochen wurde. Möglicherweise war König Seokjin diese Verhandlungen ebenso sehr satt, wie Taehyung selbst. Seokjin war nicht viel älter als er selbst, trug die Krone Raellés jedoch bereits seit fast sieben Jahren und hatte seinem Königreich ein Ende des bitteren Krieges bereitet. Als Taehyung noch in Raellé gelebt hatte, hatte er nicht viel über Seokjin gewusst. Er war der Prinz genannt worden, der nie hätte Prinz werden sollen. Der Prinz, der stehts im Schatten seines älteren Bruders aufgewachsen war. König Seokjin war der Prinz gewesen, mit dessen Thronbesteigung viele den Untergang des Königreichs prophezeit hatten.

Aber Seokjin hatte dessen getrotzt und hatte Raellé in eine Zeit des Friedens geführt. Niemand wusste, wie lang dieser Frieden anhalten würde, aber den Menschen war es endlich vergönnt, durchzuatmen. Die Soldaten hatten in ihre Heimatdörfer und Städte zurückkehren dürfen und die Felder wurden wieder mit neuer Manneskraft bestellt. König Seokjin hatte es — trotz der Umstände, unter welchen er die Krone überreicht bekommen hatte — geschafft.

Die Ritter der Krone ‒ Der neue Thron | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now