KAPITEL FÜNFZEHN

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DER GESTANK VON BEIßENDER PISSE und Scheiße brannte in Jeongguks Augen. Der Boden unter seinen Stiefeln war matschig und die Gassen, durch die er sich schlug, waren düster und eng. Die Hauptstadt Raellés vermochte auf den oberen Straßen eine wahrlich schöne Stadt sein, gesäumt von vielen Läden und großen, herrlichen Gebäuden aus Stein, aber sobald man von den befestigten Straßen abbog und in die äußeren Bezirke ging, wandelte sich das Stadtbild. In den unzähligen Gassen zwischen den eng aneinandergereihten Häusern stand der Schlamm Knöchelhoch, bellende Hunde und schreiende Kinder rannten umher und zwielichtige Gestalten bahnten sich ihren Weg durch die endlos scheinenden Gassen, die Sabora gänzlich umgaben.

Und so auch Jeongguk. Die Kapuze seines Mantels hatte er sich über sein Haupt, tief in die Stirn gezogen und während er sich durch die Gassen schlängelte, ruhte seine Hand die meiste Zeit auf dem Griff eines Dolches. Er wusste, dass wenn er angegriffen wurde, er in den beengten Gassen auf keinen Fall sein Schwert ziehen konnte, weshalb er sich im Fall der Fälle mit einem seiner Dolche verteidigen musste. Und bei den Gestalten, die ihm entgegenkam, war er sich lächerlich sicher, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis sich ihm jemand in den Weg stellte.

Er versuchte sich möglichst unauffällig durch das Labyrinth der Gassen zu schlagen, aber er nahm die starrenden Blicke der Leute wahr. Ein alter Mann hatte ihn wild schimpfend davon geschickt, als er vor einem der schändlich zusammengezimmerten Häuser stehengeblieben war, um sich in den ärmlichen Viertel der Hauptstadt zu orientieren. Ein verkrüppelter Junge, der auf einer Kiste in einer dunklen Gasse gesessen hatte, hatte ihn nach einigen Münzen gefragt, aber Jeongguk hatte ihn ignoriert, als die Bitten des Jungen immer ungehaltener geworden waren. Die Menschen in diesen Vierteln litten unter ihren Lebensbedingungen. Sie wurden hier geboren, führten ein klägliches Leben in Hunger, Armut und Krankheit und starben in denselben Vierteln, in denen sie auch das Licht der Welt erblickt hatten. Aber Jeongguk war nicht hier, um den armen Seelen zu helfen. Dabei wusste er selbst nur allzu gut, wie schwer es war, aus den Armenvierteln der Stadt herauszukommen.

Seine Heimatstadt war bei weitem nicht so groß wie Sabora, aber auch in Estos hatte ein Großteil der Bevölkerung in Armut gelebt. Und obwohl sein Vater den Beruf eines Schneiders gelernt hatte, hatten sie in seiner Kindheit in ähnlichen Umständen gelebt, wie die Kinder, die ihn in Saboras Gassen um Münzen anbettelten. Dem ersten Kind hatte er noch eine Kupfermünze in die Hand gedrückt, aber kaum war er weitergegangen, war dasselbe Kind ihm hinterhergelaufen, im Schlepptau drei weitere Kinder, die alle ihre hoffnungsvoll geöffneten Hände zu ihm hinaufgestreckt hatten, um ebenfalls eine Münze zu ergattern. Als er ihnen dies verweigert hatte, waren sie ihm weiter gefolgt und eines hatte ihn sogar mit Dreck abgeworfen.

Jeongguk wusste, dass die Kinder hier litten. Er hatte ihr Leiden in seiner Kindheit geteilt, war fast jeden Abend mit schmerzendem Magen schlafengegangen und hatte am Tage auf den Hauptstraßen von Estos versucht Bürger mit etwas mehr Geld in den Taschen zu der Schneiderei seines Vaters zu lotsen, die sich in einer Gasse versteckte. Diese Menschen hatten ihn als eine Plage wahrgenommen, hatten ihn beschimpft, bespuckt und er war nicht nur einmal von einem wütenden Tavernenbesitzer blutig geprügelt worden, weil er vor ihren Tavernen die Reisenden angesprochen hatte, welche die Etablissements besuchten.

Jeongguk schüttelte unwillig diese Gedanken ab. Er war nicht hier, um in bitteren Erinnerungen der Vergangenheit zu schwelgen, sondern seine Arbeit zu erledigen. Er war nicht nur Augen und Ohren für sein Herr, sondern auch seine Exekutive. In den vergangenen Jahren hatte Jeongguk so viele Menschen auf Befehl umgebracht, dass er sie gar nicht mehr zählen konnte. Er wusste, dass Blut an seinen Händen klebte und dies nicht wenig. Während seiner Zeit als Söldner, mit der er sich nach seiner Genesung über Wasser gehalten hatte, hatte er sich noch oft die Frage gestellt, ob die Leute, für die er mordete, im Recht waren. Und er hatte sich nicht nur einmal dem Befehl verweigert, als er herausgefunden hatte, dass dies nicht der Fall war. Unter dem Herrn, dem er nun diente, brauchte er sich diese Frage nicht mehr stellen.

Die Ritter der Krone ‒ Der neue Thron | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏМесто, где живут истории. Откройте их для себя