KAPITEL ACHT

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ES WAR ZWEI TAGE HER, dass sie die trostlose Steppe der Bara-Erara hinter sich gelassen hatten und am Mittag des heutigen Tages, erblickten sie das erste Mal die schäumende Strömung des Berenstroms. Der Fluss führte vom gewaltigen Sabora-See, im Nord-Westen des Landes, quer durch das Königreich Raellé, bis er schließlich bei der Küstenstadt Mávros in das grüne Meer mündete. Taehyung erinnerte sich noch zu gut an die Reise mit Jeongguk, Jimin und Hoseok zum Armeelager. Da sie in Richtung der Strömung gereist waren, hatten sie damals ein Floß nehmen können und waren in wenigen Tagen in Mávros angekommen, doch heute war das Taehyung und seinen Reisegefährten nicht möglich. Stattdessen mussten sie der Straße folgen, die in der Nähe des Berenstroms hinauf, an Garenz und Epenhall vorbei, bis in die Hauptstadt Sabora führen würde.

Zunächst hatte sich Yohan dagegen gesträubt, auf der Straße zu reisen, zu groß war das Risiko, dass man sie erkannte. Aber nachdem Byunghoo und Seojun vorausgeritten waren und anschließend berichtet hatten, dass sie unter der Menge an Händlern und Reisenden auf der Straße nicht auffallen würden, hatte Yohan ihre Reisegruppe auf die Straße geführt. Das Vorankommen war so einfacher, allerdings mussten sie regelmäßig anhalten, um eine Herde Rinder vorbeizulassen, oder sich durch eine schier endlose Menge an Schafen drängen, welche die Straße nicht nur einmal verstopften.

Taehyung trug seine Kapuze tief in die Stirn gezogen, aber keiner der Händler und Reisenden hatten die Zeit und den Willen, ihrer Gruppe Aufmerksamkeit zu schenken. In Raellé schien der Handel nach Ende des Krieges, ähnlich wie in Kirin, explodiert zu sein. Unzählige Gewürzhändler kreuzten ihren Weg, Händler die Esel und Pferde beladen mit edlen Stoffen vor sich her trieben und Weizen- und Obstkarren, deren Räder die Straße zerfurchten. Das ermöglichte es ihnen auch, ihre Vorräte aufzustocken und ihre Mägen zu füllen, die sich während ihrer Durchreise durch die Bara-Erara an karge Mahlzeiten und Hunger gewöhnt hatten.

Aber auch wenn die Reise auf der Handelsstraße nach Sabora der bisher angenehmste Abschnitt ihrer Reise war, so machte Taehyung seine verletzte Schulter Probleme. Vila half ihm täglich dabei, die Verletzung zu reinigen und neu zu verbinden, aber durch die kontinuierliche Bewegung und keinen einzigen Tag Rast, verheilte die Wunde nicht so, wie sie es eigentlich tun sollte. Dennoch waren die Schmerzen auszuhalten, auch wenn sie nicht angenehm waren.

Was ihn mehr irritierte als der Schmerz, war die Schuld, die er empfand und ihn von innen heraus aufzufressen drohte. Umso mehr er darüber nachdachte, dass er diesen Soldaten das Leben genommen hatte, desto weniger konnte er glauben, dass er das wirklich getan hatte. Er hatte damals nie verstanden, wie Soldaten andere Soldaten umbringen konnten, ohne an Gewissensbissen und Reue einzugehen. Er hatte auch nie begreifen können, wie Hoseok damals Bae Kunwoo hatte umbringen können, ganz gleich, was er Taehyung hatte antun wollen. Taehyung war damals davon ausgegangen, dass er niemals einem anderen Menschen das Leben nehmen könnte — aber nun hatte er es gleich Zweien geraubt. Er hatte sich nur verteidigt. Aber dennoch waren diese Männer nun tot und es war Taehyungs Klinge gewesen, die ihnen eine Zukunft geraubt hatte.

Taehyung fühlte sich im Strudel seiner Gedanken gefangen. Egal woran er dachte, es war beklemmend. Egal ob an Hoseok, ihre Ankunft am Hof, die Soldaten. Jedes Szenario verfolgte ihn und machte ihm Angst.

Er wich drei Ziegen aus, die vor Mirage auf der Straße stehend blökten und er zog an Sonnenkinds Strick, damit die junge Stute aufholte. Zu seiner Erleichterung hatte Byunghoo Sonnenkind noch in der gleichen Nacht gefunden, in der sie ihnen abhandengekommen war und sie war vollkommen unversehrt.

»Schau mal!«, rief Vila plötzlich und lenkte damit Taehyungs Aufmerksamkeit nach vorn. Er folgte Vilas Hand, die die Straße hinauf deutete und ihm stockte der Atem, als er das Tier entdeckte, welches Vila den Ausruf entlockt hatte. Taehyung hatte keinen Schimmer, um was es sich bei dem sonderbaren Tier handelte, welches ihm mit einem Reiter und Gepäcktaschen auf dem Rücken entgegenkam. Es war ähnlich groß, wie die Pferde, die sie ritten, aber das Fell des Tieres war lang, die Beine endeten in klauenähnlichen Hufen und was Taehyung am meisten irritierte, waren die beiden Höcker, die das Tier auf dem Rücken hatte.

Die Ritter der Krone ‒ Der neue Thron | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now