KAPITEL SIEBEN

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DAS FELL SEINER STUTE dampfte, als Taehyung dem erschöpften Tier den Sattel vom Rücken nahm und auf einen Holzbock hievte. Yohan hatte die Gruppe am heutigen Tag zu Höchstleistungen angespornt, damit sie noch vor Anbruch der Nacht in Zahford ankamen. Der Plan des alten Mannes war zwar aufgegangen, aber die Pferde konnten sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten und Sonnenkind hatte sich augenblicklich hingelegt, als sie die Möglichkeit dazu bekam und Taehyung sie von dem Strick gelöst hatte. Die anderen Pferde um ihm herum waren bereits gierig am Fressen, mampften den Hafer, den Seojun in den Trögen verteilt hatte und rupften an den Heubergen, die zu ihren Hufen lagen.

Taehyung hatte Recht behalten, mit seiner Vermutung, dass sie tatsächlich in Zahford rasten würden. Und sie waren alle erleichtert gewesen, als Yohan seinen kräftigen Fuchs vor dem heruntergekommenen Schild einer Taverne gezügelt-, und ihnen das Absitzen befohlen hatte. Im Inneren der Taverne wartete warmes Essen und gutes Kirinisches Bier auf sie und Taehyung sehnte sich nichts mehr herbei, als wenigstens für eine Nacht auf einem simplen Bett oder nur einem Heuhaufen zu schlafen, anstatt auf dem Waldboden irgendeiner Lichtung. Dennoch war er in der Stallung geblieben, als Yohan Seojun damit beauftragt hatte, die Pferde abzusatteln und zu füttern, während die anderen schon reingingen. Niemand der anderen hatte sich freiwillig dazu gemeldet, dem Soldaten dabei zu helfen, weshalb Taehyung sich dazu durchgedrungen hatte, auch wenn sein Magen vor Hunger schon schmerzte und seine Beine von dem langen Ritt brannten.

»Ihr könnt reingehen, ich sattle die restlichen Pferde ab«, sprach Seojun, während er den Sattelgurt bei Yohans Pferd löste. Seitdem sie sich am Bach geküsst hatten, war die eisige Stimmung zwischen ihnen gebrochen und Seojun verzichtete darauf, Taehyungs Titel zu sagen, solange niemand anderes in der Nähe war.

»Schon gut.« Taehyung trat von Mirage zu Vilas Pferd und strich der Kohlfuchsstute über den eleganten Hals, ehe er ihr den Sattel abnahm. »Kennst du den Grund, warum du Yohans Posten übernehmen wirst?«, platze es aus Taehyung heraus. Er hatte Yohan selbst fragen wollen, den ganzen Tag über hatte ihm diese Frage bereits auf der Zunge gebrannt, aber Yohan strafte ihn immer noch mit Nichtachtung und es hatte sich auch keine Möglichkeit ergeben, in der Taehyung ihn hätte fragen können, ohne dass es einer ihrer Mitreisenden mitbekommen hätte. Diese Möglichkeit bot sich ihm jetzt aber mit Seojun.

»Ich bin mir nicht sicher«, gestand Seojun, nachdem er zunächst still geblieben war. »In der Leibgarde habe ich schon vor langem von dem Gerücht gehört, dass Yohan seinen Posten abtritt, aber ich habe es nur für ein absurdes Gerücht gehalten. So alt ist Yohan noch nicht, als dass er nicht mehr als Euer Leibgardist fungieren kann und seine Aufgaben sind seit dem Friedensvertrag mit Raellé als Kommandant nicht gerade umfangreicher geworden. Aber dann kam König Jaesun auf mich zu und hat mir das Angebot unterbreitet, den Posten zu bekommen. Natürlich habe ich nicht gezögert, auch wenn ich mir bis jetzt nicht sicher bin, ob es eine vernünftige Entscheidung war.«

Taehyung wandte sich irritiert zu Seojun um, aber bevor er etwas sagen konnte, fuhr der Soldat fort: »Seid kein Narr, Ihr wisst, wovon ich spreche. Ich habe nie damit gerechnet, jemals so einen hohen Posten am Hof zu bekleiden, ich weiß das Vertrauen diesbezüglich von Ihrer Majestät sehr zu schätzen. Aber es war dennoch keine vernünftige Entscheidung, wenn man bedenkt, was zwischen uns war. Oder ist«, fügte Seojun nach einem knappen Zögern hinzu. »Wäre ich bei Sinnen, hätte ich das Angebot ausgeschlagen.«

Taehyung schwieg, darüber unschlüssig, was er erwidern sollte, denn Seojun hatte Recht. Eine vernünftige Entscheidung war es wahrlich nicht — aber wen kümmerte schon Vernunft? Vielleicht würde Vernunft sie einige Tage länger am Leben erhalten, vielleicht einige Jahre. Oder eben auch nicht und sie starben trotz aller Vernunft am nächsten Tag. Vernunft würde sie vor keinem Attentat bewahren, keinen Hinterhalt verhindern und auch nicht garantieren, dass sie am raellischen Hof nicht in eine Falle gerieten. Yohan war ein Mann, der viel Wert auf Vernunft legte. Darauf, nicht aus dem Affekt zu handeln, seine Emotionen zu kontrollieren und auf den Kopf zu hören, nicht auf das Herz. Taehyung legte keinen Wert auf Vernunft. Und vermutlich war es auch nicht die Vernunft, die ihn dazu bewegte, seine Hände in Seojuns Nacken zu verschränken und den warmen Lippen des Soldaten nachzujagen, die sich verlangend gegen seine pressten und heiße Küsse auf seinem Kiefer und seinem Hals hinterließen.

Die Ritter der Krone ‒ Der neue Thron | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt