KAPITEL ZEHN

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YOONGI HIELT SEIN WORT und schon im Morgengrauen verließ er in einem rasanten Galopp den Hof. Seokjin stand mit Yewon auf der Schlosstreppe und schaute ihm noch lange nach, obwohl er längst das Schlosstor passiert und aus seinem Blickfeld verschwunden war. Yewon weinte, seit ihrer Geburt war Yoongi immer mit an ihrer Seite gewesen und Seokjin nahm an, dass Yoongi sich wie ein großer Bruder für sie anfühlen musste — oder gar ein besserer Vater, als Seokjin es war. 

Er streichelte ihr sanft über den Kopf, aber ihm steckten die Worte selbst im Halse fest und er wusste nicht, was er zu seiner Tochter sagen sollte, zu sehr schmerzte ihm der Fortgang Yoongis im Herzen. Er hoffte, dass Yoongi ohne Unheil in Dásos ankommen würde und dass er schnellstmöglich wieder zurückkehren vermochte, denn Seokjin brauchte ihn. Und Yoongi wusste das auch. Sie standen noch lange auf der Treppe, bis Yewons Tränen irgendwann versiegt waren und sie an Seokjins Wams gezogen hatte, um ihn zu beten, reinzugehen. Er war der Bitte seiner Tochter wortlos nachgekommen, hatte ihre kleine Hand in seine genommen und war zurück ins Schloss getreten. Aber während er mit Yewon durch die Gänge spazierte, wurde ihm eines bewusst: das Schloss hatte er in all den Jahren nur als sein Zuhause wahrgenommen, weil die Person, die für ihn sein Zuhause war, ebenfalls hier gelebt hatte. Jetzt war diese Person jedoch fort und die langen Gänge mit den roten Wandteppichen kamen ihm sonderbar fremd vor.

Yewons Kummer schien aber so schnell wieder zu verschwinden, wie er gekommen war. Kaum hatte sie bemerkt, dass Seokjin nicht hinauf in die Familiengemächer mit ihr ging, sondern ins Herzen des Schlosses lief, hatte sie aufgeregt an seiner Hand gezogen und sich schließlich von ihm gelöst, damit sie vorlaufen konnte. Sie lief nicht nur einmal einem Bediensteten vor die Füße, die bereits früh am Morgen schon fleißig waren und alles für die Ankunft des Prinzen von Kirin vorbereiteten. Ein junger Page war im Begriff Yewon für ihr e Unaufmerksamkeit zu tadeln, aber als er Seokjin hinter ihr schlendernd entdeckte, besann er sich etwas Besseres und verschwand mit einer hastigen Verbeugung in die andere Richtung. Keiner der Bediensteten hatte die Befugnis, die Prinzessin zu tadeln, aber sie taten es nur allzu gern, weil sie Yewon nicht leiden konnten. Vielleicht hatten sie aufgrund ihres Drachenmals sogar Angst vor ihr, Seokjin vermochte es nicht zu sagen. Mit Wut im Bauch schaute er dem Pagen hinterher, aber er war schon im Gang verschwunden.

»Hast du schon Hunger?«, fragte er seine Tochter, als sie weiter durch die große Halle lief und sich jede einzelne der Rüstungen anschaute, die dort ausgestellt waren. »Wir können schauen, ob wir schon eine Kleinigkeit für dich in einer der Schlossküchen bekommen.«

»Oh ja!« Yewon streckte die Hände zu ihm aus, damit er sie hochnahm, aber Seokjin schüttelte stattdessen den Kopf und griff nach ihrer Hand.

»Du kannst selbst laufen, Yewon«, ermahnte er sie und schlug den Weg zur naheliegendsten Schlossküche ein. Es war noch sehr früh, die Familie speiste erst später, aber wenn Yewon nun schon wach war, sollte sie auch etwas zu essen bekommen, und da die Bediensteten schon früh aßen, um auch früh mit ihrer Arbeit beginnen zu können, würde eine der Schlossküchen schon etwas dahaben.

Sie fanden eine Schlossküche, die Yewon heißen Grießbrei mit Brot und Käse servierte. Es war ein unspektakuläres Frühstück für eine Prinzessin, aber seine Tochter beschwerte sich nicht, sondern fing augenblicklich an, den Grießbrei mit wenig Manier auszulöffeln. Wäre Seokjin mit seinen Gedanken im Hier und Jetzt, hätte er Yewon für solche schlechten Tischmanieren getadelt, aber er bekam es kaum mit.

Nachdem sie aufgegessen hatte, brachte Seokjin sie in die Gemächer der Familie und übergab Yewon in die Obhut eines Kindermädchens. Das Kindermädchen besaß rötlich schimmerndes Haar und immerzu glühende Wangen, wenn Seokjin sie sah. Sie war noch nicht lange am Hof und erst seit kurzer Zeit für Yewon zuständig. Das Kindermädchen davor hatte Seokjin wegschicken müssen, nachdem ihm von seinem Kammerdiener erzählt worden war, dass das Kindermädchen mit anderen Bediensteten schlecht über Yewon gesprochen hatte. Das neue Kindermädchen, Miran, nahm Yewon aber jedes Mal mit einem strahlenden Lächeln entgegen und Seokjin wollte glauben, dass sie ihnen nicht dieselben Scherereien bereiten würden, wie ihre Vorgängerin.

Die Ritter der Krone ‒ Der neue Thron | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now