KAPITEL DREI

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TAEHYUNG WAR NICHT SONDERLICH überrascht, als Eunbin ihm durch die Wache ausrichten ließ, dass sie im Sonnenzimmer mit ihm speisen wollte und dort auf ihn wartete. Es war eine ihrer Lieblingsräumlichkeiten des Schlosses und auch Taehyung hatte Gefallen an dem großen Raum mit seinen riesigen offenen Fensterbögen gefunden, der einen atemberaubenden Ausblick auf das glitzernde Wasser des Eisensees ermöglichte. Bis zum Sonnenzimmer hinauf waren es jedoch einige Stufen und auch wenn diese Taehyung an jedem anderen Tage ganz gleich waren, so kämpfte er diesmal bei jedem Schritt mit aufkeimender Übelkeit und seinem schmerzenden Kopf. Er sehnte sich nach seinem Bett und Ruhe. Es waren nur noch wenige Tage, bis sie die Reise nach Sabora antreten würden und wenn Taehyung ehrlich war, wollte er bis dahin bevorzugt gar nicht mehr sein Gemach verlassen.

Taehyung stützte sich an dem kühlen Stein der Mauer ab und verharrte für einen Moment auf den Treppen hinauf. Yohan hatte ihn lediglich zum Ratszimmer gebracht, danach war er verschwunden und nicht wieder aufgetaucht, aber Taehyung war dankbar dafür. Er wollte niemanden sehen. Weder seinen Onkel noch Yohan oder gar Yuri, die er nur allzu bald ununterbrochen an seiner Seite hatte. Er verstand, dass sie mitwollte — Yuri wurde von ihrem eigenen Vater ausgeschlossen, nur weil sie eine Frau war. Wäre Yuri mit dem Privileg der Männlichkeit auf die Welt gekommen, dann wäre Taehyung nun wohl nicht in Kirin. Dann bräuchte sein Onkel keinen fremden Erbsohn und Thronfolger, sondern Yuri wäre es, die eines Tages auf dem Thron Kirins sitzen würde. Doch Yuri hatte dieses Privileg nicht. Stattdessen musste sie anschauen, wie ein fremder Mann ihr alles wegnahm, was sie je hatte haben wollten. Taehyung verstand ihre Frustration, er konnte sich das Gefühl gar nicht vorstellen, so von dem eigenen Vater übergangen zu werden, nur weil sie eine Frau war. Aber er konnte es nun mal auch nicht ändern — Jaesun hatte ihn längst als Erben legitimiert und Taehyung in eine Position gezwängt, die er ursprünglich nicht hatte haben wollen. Aber er versuchte damit klarzukommen; auch wenn Yuri ihn mit Blicken aus purem Gift erstach und ihm allgegenwärtig den Tod wünschte.

Taehyung holte tief Luft und fing an die restlichen Treppenstufen zu erklimmen, bis er das Sonnenzimmer erreichte. Der sanfte Wind trug den Geruch des Sees in den Raum hinein und ließ die unzähligen Weinblätter rascheln, die sich an den gewaltigen Fensterbögen entlang rankten. Die Mitte des Raumes wurde von einem riesigen Schachspiel in Anspruch genommen, dessen Felder in den Boden eingelassen waren. Der Großvater von Eunbin und Yuri, der Vater seiner verstorbenen Mutter wie er später erfahren hatte, war es gewesen, der das Spiel auf einer Reise entdeckt und mit nach Hause gebracht hatte — und die Faszination trug sich in ihrer Familie weiter, so waren sowohl Yuri als auch Eunbin begeisterte Spielerinnen und Taehyung war in den letzten Jahren zu etlichen Partien mit Eunbin überredet worden, die er jedoch meistens gegen sie verlor.

»Da bist du endlich«, sprach Eunbin und stand mit einem Lächeln auf ihren Lippen von dem Tisch auf. »Wir haben wirklich Kuchen gebracht bekommen. Taehyung, schau.«

Eunbin war von Grund auf so ein herzensguter Mensch und Taehyung blieb nichts anderes übrig, als ihr Lächeln zu erwidern, obwohl sein Herz noch so von Schmerz und Verlust geplagt war. »Wie schön«, erwiderte er und trat näher an den Tisch heran. »Mit Pfirsich?«

Eunbin nickte und hielt den Teller hoch, auf dem ein ganzer Pfirsichkuchen lag. »Er ist sogar noch warm. Ich war dafür unten in der Küche.«

Taehyung konnte sich vorstellen, dass keiner der Köche und Bäcker, die in der Schlossküche arbeiteten, Eunbin je einen Wunsch ausschlagen würden und alles taten, um ihr jeglichen Wunsch zu erfüllen. Jeder liebte sie — davon waren die Bediensteten im Schloss nicht ausgenommen. Eunbin erinnerte ihn ein wenig an Jimin; mit einem einnehmenden Lächeln, funkelnden Augen und einer warmen Stimme, der man ewig lauschen konnte. Und die jeden dazu brachte, einem jeden Wunsch von den Lippen abzulesen.

Die Ritter der Krone ‒ Der neue Thron | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now