31 | come back

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ZARALIA DIAZ

Hand in Hand laufen Kyran und ich über die Straße zu dem Café, in dem wir vorhaben, zu frühstücken. Ich fange jedoch wieder einmal an zu humpeln, weswegen mein Ehemann beginnt, mich zu stützen. Als wir uns dann aber zwei Minuten später an einen Platz am Fenster mit Blick auf die belebte Straße setzen, bin ich wirklich froh, meinen Körper nicht mehr belasten zu müssen.

„Was steht heute noch so an?" frage ich Kyran, während ich die Getränkekarte zur Hand nehme. „Eigentlich nicht viel. Ich muss nicht mehr in die Zentrale, also können wir machen, was wir wollen", antwortet er mir schlicht. Es freut mich zu wissen, dass Kyran heute nicht viel arbeiten muss, denn das bedeutet, dass wir den ganzen Tag lang Zeit miteinander verbringen können.

Meinen Blick widme ich nach seiner Aussage wieder der Karte, die vor mir liegt.

Cappuccino
Double Espresso
Latte
Macchiato
Mint Chocolate...

Während ich mir die Dinge genau durchlese, bemerke ich, dass ein Mitarbeiter des Cafés kommt, um wahrscheinlich die Bestellung aufzunehmen. Ich entscheide mich für einen Minz-Tee und ein Croissant, was ich dem Kellner dann auch sage. Kyran gibt ebenfalls seine Bestellung ab, und wir warten darauf, dass der junge Mann sich umdreht, um weiterzuarbeiten.

Doch das tut er nicht.

Stattdessen schaut er mich an und sagt etwas, was mich ein wenig aus der Fassung bringt: „Kennen wir uns?" Verblüfft über die unerwartete Frage des Blondhaarigen, frage ich mich, ob ich ihm irgendwie bekannt vorkomme oder ob es eine Verwechslung gibt. Vielleicht bin ich ihm auch schon einmal über den Weg gelaufen und habe es vergessen, was jedoch unwahrscheinlich ist, denn schließlich bin ich noch nicht lange in Los Angeles und war auch meistens nicht in der Öffentlichkeit.

„Ich wüsste nicht, woher", antworte ich ihm wahrheitsgemäß. Er geht aber nicht darauf ein. „Doch, ich bin mir sicher, ich habe deine Stimme schon einmal gehört. Ich weiß nur nicht - warte, doch! Du bist das Mädchen aus dem Krankenhaus. Du bist mir vor ein paar Wochen über den Weg gelaufen und hast dein Zimmer gesucht. Als du gegangen bist, habe ich dir noch meine Telefonnummer gegeben. Warum hast du nicht angerufen?"

Ein Rückblick auf meinen Krankenhausbesuch bezüglich meiner Schulterverletzung blendet sich vor mir ein. Jetzt, wo der Junge es sagt, erinnere ich mich ebenfalls. Doch warum hätte ich so unbedingt bei ihm anrufen sollen?

Langsam nicke ich. „Ja, stimmt. Ich erinnere mich an dich, aber warum sollte ich dich anrufen, wenn du ein Fremder bist?" frage ich ihn.

„Weil ich attraktiv bin?"

Seine Aussage spricht er so unglaublich selbstverständlich aus, dass es fast schon witzig ist. Wieso denkt er, dass, wenn er attraktiv ist, ich ihn anrufen sollte? Das ergibt erstens keinen Sinn, und zweitens würde ich ihn sowieso nicht anrufen, da ich glücklich mit Kyran bin. Man muss zwar zugeben, dass er nicht gerade schlecht aussieht, aber diese Tatsache ist nicht gerade hilfreich für ihn, wenn er so selbstverliebt ist.

„Weißt du, ich denke, sie kann selber entscheiden, ob sie dich anrufen will oder nicht. Ganz nebenbei, bis du denke ich nicht ansatzweise auf dem Niveau MEINER EHEFRAU. Und genau deshalb solltest du jetzt einfach wieder deinen Job machen, denn ich kann schneller, als du denkst, dich feuern lassen. Verstanden?"

Kyran, der bis gerade eben noch ruhig geblieben ist, hat sich anscheinend dazu entschieden, einzugreifen, was sehr gut war, denn ich bin momentan etwas überfordert. Der Junge, dessen Namen ich immer noch nicht kenne, wirkt plötzlich nicht mehr so selbstsicher und dreht sich schnell um, biegt letztendlich an irgendeiner Café-Ecke ab.

Ich schaue zu Kyran, der immer noch grimmig auf den Punkt starrt, an dem man den Typen zuletzt sehen konnte, sich dann aber nach ein paar Sekunden wieder zu mir dreht. Er schüttelt genervt den Kopf, lächelt dann aber, sobald er in meine Augen schaut.

Zum Glück.

Wir belassen es dabei und überlegen, was wir heute noch alles machen könnten, bis wir von einem Handy-Klingeln unterbrochen werden. Soweit ich höre, ist es das von Kyran. Dieser nimmt das Handy vom Tisch und hebt anscheinend ab, denn zwei Sekunden später hält er es an sein Ohr.

Er fragt irgendetwas auf Spanisch und hört dann wieder zu. Das geht ein paar Sätze, bis er plötzlich lautstark in das Telefon ruft: „¿¡ÉL ES QUÉ!? ¿PARA QUÉ ESTÁN IDIOTAS AHÍ?" [ER IST WAS!? WOFÜR SEID IHR IDIOTEN EIGENTLICH DA?]

Ich zucke bei der plötzlichen Lautstärke etwas zusammen, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass er hier in diesem kleinen Café so plötzlich und aufgebracht telefoniert. Zu unserem Glück ist es nicht allzu voll, weswegen wir nur wenige komische Blicke abbekommen.

Kyran legt auf und steht auf. Dabei nimmt er meine Hand und zieht mich kurz darauf aus dem Café. Ich hole die Schritte, welche er vor mir war schnell auf und frage ihn, was los sei. Er gibt ein schnelles „Jayden ist nicht mehr da, wo er sein sollte." von sich und schaut schnell auf die Straße, um sich zu vergewissern, dass kein Auto kommt, was auch der Fall ist.

Dass Jayden nicht mehr Dornröschen ist, wühlt mich ein wenig auf.

Wie ist er aus dem Koma herausgekommen?
Was hat er jetzt vor?
Wohin geht er nun?
Tut er mir wieder etwas an?

Es ist schwer, sich keine Sorgen zu machen.

Kyran öffnet das Auto sowie die Beifahrertür für mich und steigt dann kurzerhand selbst auf der Fahrerseite ein. Er startet zwar mit ernstem Gesichtsausdruck den Motor, spricht jedoch mit sanftem Ton zu mir. „Mach dir keine Sorgen, Belleza. Er wird dir nichts tun. Ich werde das verhindern, wenn er so etwas vorhat, was ich mal nicht für ihn hoffe."

Only oneWhere stories live. Discover now