1 | Flucht

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ZARALIA PETROVA

Mit jedem Meter, den ich zwischen mir und unsere prächtige Villa brachte, fühlte ich, wie sich meine Brust immer enger zusammenzog. Tränen, heiß und bitter, bahnten sich ihren Weg über meine Wangen, als würden sie den Schmerz, den ich tief in mir trug, nach außen tragen wollen. Die kühle Morgen-Luft um mich herum fühlte sich schwer an, beladen mit einer Last, die ich nicht mehr tragen konnte. Es war, als ob das Gewicht der Welt auf meinen Schultern ruhte, während ich verzweifelt versuchte, dem unsichtbaren Griff zu entkommen, der mich festhielt.

Warum musste es immer mir widerfahren? Dieses erbitterte und ächzende Leid... Warum schien das Universum sich gegen mich verschworen zu haben?

Die Emotionen, die mich überfluteten, waren wie eine tobende See, wild und ungestüm. Wut, so heiß und lodernd wie ein Feuersturm, flammte in meinem Inneren, während Trauer und Enttäuschung wie eisige Wellen über mich hinwegrollten, welche das Feuer wiederum erlöschte. Meine Verzweiflung schnürte mir die Kehle zu und ich kämpfte gegen den Drang an, einfach aufzugeben, mich dem Schmerz hinzugeben und unterzugehen in der Dunkelheit, die mich umgab.

Es war ein Akt der Verzweiflung, als ich mit hastigen Schritten auf meinen dunkelroten Sportwagen zueilte, als wäre er meine einzige Rettung in dieser düsteren Welt. Ich öffnete die Tür und ließ mich in den weichen Ledersitz fallen, der mich für einen Moment zu umarmen schien, bevor ich den Motor mit einem zornigen Röhren zum Leben erweckte. Das silberne Tor vor mir öffnete sich wie ein Portal zur Freiheit, und ohne zu zögern, drückte ich auf das Gaspedal, raste davon, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Alles um mich herum verschwamm zu einem verschwommenen Bild, während ich nur noch den unter mir schnell fließenden Asphalt spürte. Die Straßen breiteten sich vor mir aus, die Wälder schellten an mir vorbei. Meine Gedanken widmeten sich nun nur noch darum, was eine kranke Scheiße gerade in meinem eigenem Zuhause abgegangen ist.

Mein Vater, der früher zu jedem Zeitpunkt mein großes Vorbild gewesen war, hatte sich nun in einen fremden Schatten verwandelt, der mich mit jedem Schlag weiter von mir selbst entfernte. Seit dem Tod meiner Mutter wurde er zu einer Bestie. Seine Worte waren wie Dolche, seine Berührungen wie brennende Peitschenhiebe, die meine Haut aufrissen und meine Seele zerfetzten.

Die Maske, die ich in der Schule trug, um den Anschein seiner perfekten Familie, zu der angedacht ich dazugehörte, aufrechtzuerhalten, war längst zu einer schweren Last geworden, die mich erstickte und erdrückte. Hinter den glänzenden Fassaden unserer Villa verbarg sich ein düsteres Geheimnis, das niemand zu sehen wagte, niemand außer mir.

Meine Enttäuschung kreiste einzig und allein um meinen Vater, der heute Abend nun endgültig zu weit gegangen ist.

Das hatte er nun davon... eine Tochter, die abhaut und ihr sowieso schon beschissenes Leben hinter sich lässt. Was sollte mich denn auch schon zurückhalten? Er wohl kaum. Wenn mein Erzeuger denkt, er könnte es schaffen, hatte er sich gewaltig getäuscht. Garantiert werde ich nicht zurückkommen, nur um mich ein weiteres Mal von ihm vergewaltigen zu lassen.

Nie mehr...

-

Mein Auto wurde langsamer. Nach und nach rückte es dem Hotel vor mir zu und blieb letztendlich auf einem der Parkplätze stehen. Das Gefühl, all das hinter mir gelassen zu haben, fühlte sich verdammt gut an. Auch wenn die letzten Ereignisse wahrscheinich schwer zu verarbeiten sein werden, hatte ich trotzdem nicht den Gesit aufgegeben.

Only oneWhere stories live. Discover now