»Jimin wusste, dass du noch lebst?«, fragte Taehyung tonlos. »Er wusste, dass du nicht tot bist?«

Vor mehr als sechs Tagen, hatte er Jimin wieder getroffen und er hatte ihm nicht einmal einen Hinweis darauf gegeben, dass Jeongguk noch lebte. Mit keinem Wort hatte er Taehyung eine Ahnung davon gegeben, dass Jeongguk damals nicht verstorben war.

Der Ritter nickte. »Jimin hat mir damit mein Leben gerettet. Und er hat mir anschließend dabei geholfen, unterzutauchen.« Jeongguk schien sich unsicher darüber zu sein, ob er näher an Taehyung herantreten durfte. Er verlagerte sein Gewicht, blieb dann aber doch stehen. Sein Arm zuckte, so als wolle er nach Taehyung greifen, besann sich dann aber etwas Besserem. »Ich wollte dich benachrichtigen, Tae. Wirklich. Aber ich konnte nicht.«

Taehyung hatte das Gefühl, als könne er nicht atmen. Sein Brustkorb fühlte sich schwer an, seine Sicht verschwamm. Er konnte nicht glauben, dass Jeongguk leben sollte. Dass er wirklich vor ihm stand.

Bildete er sich Jeongguk vielleicht nur ein? Hatte er durch die Verletzung seiner Schulter ein Fieber bekommen, hatte er Wahnvorstellungen? Jeongguk war tot!

Sein Blick fokussierte sich erst wieder, als er Jeongguks Hand an seiner Wange spürte. »Taehyung? Heh, Taehyung. Schau mich an.«

Heiße Tränen brannten in seinen Augen und bahnten sich ihren Weg seinen Wangen hinunter, als er seinen Blick zu Jeongguk wandte. Jeongguk hatte sich verändert. Er war älter geworden. Dunkle Schatten ummantelten seine Augen und seine Wangen waren viel markanter, als Taehyung sie in Erinnerung gehabt hatte. Auch seine Haare waren anders. Sie waren viel länger als früher, Jeongguk trug sie nach hinten in einem Knoten gebunden, aber einige der langen, dunklen Strähnen hatten sich gelöst und umrahmten nun sein hübsches Gesicht.

»Ich hätte nie gedacht, dass du mal so ein grandioser Schwertkämpfer werden wirst.« Jeongguk versuchte sich an einem Lächeln, welches zaghaft seine Lippen umspielte. »Wenn ich daran denke, wie unsere ersten Übungskämpfe verliefen, kann ich es kaum glauben. Ich bin stolz darauf, wer du geworden bist, Taehyung.«

»Lass mich!«, fauchte Taehyung und schlug kraftlos seine Hand weg. »Du bist tot!«, wiederholte er sich selbst. »Du kannst hier nicht einfach tauchen und mir erzählen, dass sei alles nur eine Lüge gewesen! Ich habe dich betrauert, Jeongguk!«

»Ich konnte dich nicht kontaktieren, ich konnte das einfach nicht riskieren! Niemand außer Jimin und der Lord, dem ich diene, weiß von mir. Weiß, wer ich bin. Glaub mir, wenn ich dir sage, wie oft ich darüber nachgedacht habe, dir ein Pergament zukommen zulassen, oder dir irgendwie eine Nachricht zu übermitteln, aber es war zu riskant. Ich konnte niemanden trauen, Taehyung. Es gibt unzählige kirinische Spione in Raellé, wenn meine Identität rausgekommen wäre, hätte König Jaesun unmittelbar davon erfahren, dass ich noch lebe.«

Diesmal ließ Taehyung es zu, dass Jeongguk seine Wange sanft umfasste. »Erst als ich gehört habe, dass du an den raellischen Hof kommst, habe ich daran geglaubt, dich endlich wiedersehen zu können. Jimin hat mir von dem Fest erzählt und vermutet, dass du dich bei dem Turnier anmelden würdest. Das war meine einzige Gelegenheit, irgendwie an dich ranzukommen. Es ging nicht anders.« Jeongguks Stimme brach. »Bitte glaub mir, Taehyung. Ich wollte dir das nicht antun, ich wollte dir niemals wehtun.«

Taehyung wollte daran glauben, dass es so war. Dass Jeongguk ihn nicht kontaktiert hatte, weil es ihm unmöglich war. Dass es zu gefährlich gewesen wäre. Aber sechs Jahre lang hatte der Kummer um Jeongguk sein Herz belastet, ihn gepeinigt und gequält. Was wäre aus ihnen geworden, wenn es die Forderung von seinem Onkel nie gegeben hätte? Wenn Jeongguk vermeintlich nicht gestorben wäre? Taehyung erinnerte sich noch genau den letzten Moment, vor Beginn der Schlacht, den sie zusammen verbracht hatten. Er hatte gedacht, dass Jeongguk ihn küssen würde. Er hatte nicht verstanden, was zwischen ihnen war, aber er hatte die Spannung gespürt. Die Gefühle, die unausgesprochen zwischen ihnen gestanden hatten. Er hatte die Sorge in Jeongguks Augen gesehen. An was erinnerte sich Jeongguk in der Zeit nach seiner Verletzung? Er war kaum bei Bewusstsein gewesen, nie bei klarem Verstand, war von immerwährendem Fieber gequält worden. Hatte er bemerkt, dass Taehyung kaum von seiner Seite gewichen war? Dass er alles dafür gegeben hatte, Jeongguk am Leben zu erhalten?

Die Ritter der Krone ‒ Der neue Thron | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWhere stories live. Discover now