KAPITEL ZEHN

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Seokjin schritt von dort aus zum Ratszimmer, obwohl noch viel Zeit war, bis die erste Ratssitzung des Tages stattfinden würde. Er nahm an, dass Namjoon der Sitzung aufgrund seines Postens auch ohne Einladung beiwohnen würde, was ihn nur noch mehr verstimmte. Als er das Ratszimmer betrat, huschte ein Bediensteter in den Raum, um das Feuer zu entzünden, damit sich der Raum für Seokjin erwärmte. Der Junge mochte 15 oder 16 Jahre alt sein und Seokjin sah ihn zum ersten Mal. Eilig versuchte er das Holz zu entzünden, wobei ihm sein rabenschwarzes Haar in die Stirn fiel, und die Verlegenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er mehrere Versuche benötigte, bis das Feuer entflammte.

»Verzeiht, Eure königliche Majestät«, murmelte er und verneigte sich ungeschickt vor Seokjin.

»Es ist in Ordnung. Bitte bring rasch etwas Wein.« Er entließ den Jungen mit einer leichten Bewegung seiner Hand und der Knabe schlüpfte eilig aus dem Ratszimmer heraus. Seokjin setzte sich auf einen der Stühle vor dem Kamin und schaute den Flammen dabei zu, wie sie langsam immer mehr von dem trockenen Kaminholz zu verschlingen begannen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Yoongi auch nur einer Ratsversammlung nicht beigewohnt hatte, seit dem Seokjin die Krone trug. Yoongi war sonst immer der erste, der bereits im Ratszimmer saß, sich durch Pergamente wühlte und Dokumente durchging, die wichtig für die Sitzungen waren. Und er war zumeist auch der Letzte, der nach dem Ende der jeweiligen Sitzung erst spät das Ratszimmer wieder verließ.

Niemand würde es je wagen auszusprechen, aber es war allen bewusst, dass es viel mehr Yoongi war, der das Königreich verwaltete, als Seokjin. Auch wenn er in den vergangenen Jahren immer mehr in seine Rolle hineingewachsen war und sich Mühe gab, war Yoongis Engagement und Einfluss nicht von der handzuweisen. Mit der Ankunft des Prinzen von Kirin würde es zu sehr wichtigen Verhandlungen kommen, die Erweiterung von bestehenden Handelsrouten und deren Ausbau, und es war überaus wichtig, ein gutes Verhältnis zu Kwon Taehyung aufzubauen, so würde er es in absehbarer Zeit sein, der Kirins Thron besteigen würde.

Für diese Verhandlungen war Yoongi eigentlich unumstößlich wichtig. Natürlich hatte Seokjin weitere Berater an seiner Seite, gute Männer wie Jongsuk und Seungho, die bereits an seiner Seite waren, seit dem Seokjin vor nun beinahe sieben Jahren die Krone übernommen hatte. Aber Yoongi war es, der auf Ratsversammlungen zumeist das Wort hatte und er wäre es auch gewesen, der es bei den Verhandlungen mit dem kirinischen Prinzen gehabt hätte.

Er wandte kaum seinen Blick aus dem Flammen ab, als der Bedienstete mit einer vollen Karaffe Wein und einem Becher zurück in das Ratszimmer kam und beides auf dem Tisch neben Seokjin abstellte, ehe er wieder verschwand. Der junge König griff nach der Karaffe, füllte sich den Becher und nahm sogleich einen Schluck. Der Wein war überraschend süß, ein Tropfen, den Seokjin normalerweise nicht trank, aber keiner der anderen bediensteten schien sich die Mühe gemacht zu haben, dem Jungen das zu sagen. Für einen Moment spielte Seokjin mit dem Gedanken erneut nach jemanden schicken zu lassen, aber nachdem er noch einen Schluck kostete, entschied er sich dagegen. Er leerte den Becher schnell, während er weiter die Flammen beobachtete.

Die Karaffe war schon leer, als der erste seiner Berater vor Beginn der Ratssitzung in das Zimmer kamen. Jongsuk hielt einige Pergamentrollen in seiner Hand mit Nachrichten, die über Nacht mit Tauben am Hofe angekommen waren, und legte sie auf den Rundtisch, an dem sie sich alsbald niederlassen würden.

Seokjin begrüßte Jongsuk mit einem Nicken, verweilte aber noch an seinem Platz am Feuer. Jongsuk ließ sich am Tisch nieder und begann die ersten Pergamentrollen zu öffnen und ihren Inhalt zu überfliegen. Die Tür zum Ratszimmer wurde einen Augenblick später erneut aufgestoßen, diesmal von Son Hyunwoo, dem Kommandanten der Mahaan.

»Eure Majestät«, begrüßte er Seokjin und verneigte sich leicht, ehe er sich an seinem Platz am Tisch einfand und hinsetzte.

Ein Bediensteter war hinter dem Kommandanten der Leibgarde eingetreten und hatte neuen Wein und Becher für die anderen aus dem Rat mitgebracht, die er auf dem Tisch abstellte und verschwand. Es war nicht der Junge von zuvor gewesen und Seokjin fragte sich, ob er den Jungen mit seiner abwesenden Art möglicherweise vergrault hatte. Er erhob sich von seinem Platz am Feuer, schritt mit seinem Becher in der Hand zum Ratstisch und füllte ihn sich nach, ehe er sich ebenfalls auf seinen Platz am Tisch niederließ und einen kräftigen Schluck nahm. Es war der Wein, den sie gewöhnlich auch tranken und er rann kalt den Rachen des jungen Königs hinunter.

Die Ritter der Krone ‒ Der neue Thron | ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt