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(Triggerwarnung)

Der Tracker, der Gwens besten Freund verfolgte starb auf eine schnelle und erbarmungslose Weise, als Xander ihm kurzerhand die Wirbelsäule aus dem Körper riss. Rafe hob derweil Josh mit einer fließenden Bewegung hoch und warf ihn regelrecht in Dekes wartende Arme. Dieser presste den Omega beschützend an sich und zog sich sofort zur Hütte zurück.
Der Rest der beiden Clans hingegen sprintete in den Wald - Kai vorweg, dem zarten Hauch von Beerenduft in der Luft folgend.. ein Duft, der von Rauch, Asche und Blut überdeckt wurde... Henry brüllte, als er den Geruch des besten Trackers seines Vaters, Carbin erkannte. Carbin war einer der wenigen Alphas der Aufspürerkaste, die es mit Kais scharfen Sinnen aufnehmen konnte. Und dazu kam noch, dass dieser verschissene Bastard ein Sadist und Chauvinist reinsten Wassers war. Wenn Carbin seine dreckigen Pfoten auf Gwendolyn hatte, dann war ihre Kleine in verteufelt großen Schwierigkeiten! Denn anderes als der königliche Clan duldete der Scheißkerl nicht auch nur den Hauch von Ungehorsam und würde Gwen sogar für ein Augenverdrehen halb besinnungslos prügeln...
„FUCK!" schrie Kai mit einem Mal und legte an Tempo zu.
„Was ist los?" rief Maximilian zwei Schritte hinter ihm und der Tracker rief nur ein Wort... ein Wort, dass ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ...
„LUFTSEGLER!"
Nein... Nicht das!
Wenn Carbin ihre Epsilon in einen verdammten Solar-Luftsegler verfrachtet hatte, würden sie ihre Kleine nie einholen können! 
Die zehn Alphas brachen durch die Baumgrenze und stürmten auf ein Plateau, nur um mitansehen zu müssen, wie ein silbriges schnittiges Gefährt mit einem gigantischen goldenen Mylarsegel und weit gefächerten Flügeln sich in den Himmel erhob.
„NEIN!! GWEN!" schrie Jay verzweifelt und Max packte Kai am Kragen. „Ist es sicher, dass sie an Bord ist?" Der Tracker nickte verbissen und starrte den Segler hinterher, der die letzten Stahlen der Sonne ausnutze um seine kostbare Fracht über die Berge davonzutragen.
Henry knurrte hasserfüllt, drehte sich um und ging mit weit raumgreifenden Schritten den Weg zurück, den sie gerade gekommen waren. Duncan schloss auf und die restlichen Alphas folgten... alle mit demselben grimmigen Gesichtsausdruck...
„Was jetzt?" fragte der Mann mit den langen braunen Haaren. Henrys Stimme war kalt und gnadenlos, als er antwortete: „Jetzt? Jetzt werden wir zur Residenz meines Vaters zurückkehren und dort werde ich den alten Scheißkerl umbringen und dann UNSERE Epsilon einfordern!"
Duncan grinste böse und knurrte leise: „Guter Plan!"

Gwendolyn starrte verzweifelt aus dem runden Fenster in die Tiefe... sie hatte hilflos mitansehen müssen, wie ihr Clan zu spät kam, wie sie sich abwandten und wieder in Richtung der Hütte verschwanden. „Nein..." wimmerte sie und presste sehnsüchtig ihre Hand an das hauchfeine Staubglas.
„Halt dein Maul, Epsilon!" schnarrte die Stimme des Mannes, der sie im Wald eingefangen hatte. Der Kerl hatte in etwa Kais Statur und da endete die Ähnlichkeit auch schon. Wo die meisten Alphas außergewöhnlich attraktiv waren, hatte dieser hier anscheinend die Restposten abgegriffen. Die schwarzen Haare waren kurz und strähnig, die Augen hellgrau und die Nase war krumm und schief. Eine lange Narbe zog sich über die komplette linke Gesichtshälfte und Pockennarben vervollständigten den Look, der Gwen mit einem Schauer überzog. Doch es war die grausame Boshaftigkeit, die aus den blassen Augen sprach, welche ihr wirklich Angst und Bange machte. Und wie immer wenn sie Angst hatte, kam ihr Trotzkopf zu Tage. Sie würde sich doch nicht von diesem ekelhaft riechenden Entführer einschüchtern lassen!
Also verschränkte Gwen die Arme und fauchte den Tracker an: „Und wer bist du? Nicht, dass mich dein Name wirklich interessiert... ich will nur wissen, was auf der Gedenktafel für den dämlichsten Vollidioten der Menschheitsgeschichte stehen soll! Tjorben wird dich in so kleine Einzelteile zerlegen, dass nicht einmal deine Mutter in der Lage sein wird, dich wieder zusammenzusetzen!"
Der Alpha schlenderte auf den Rotschopf zu und betrachtete sie für ein paar Sekunden... dann holte er aus und verpasste Gwen eine Ohrfeige, bei welcher der jungen Frau die Lichter beinahe ausgingen und die sie gegen eine Verstrebung krachen ließ.
Er hockte sich zu ihr, packte grob ihr Kinn und drehte ihren Kopf mit einem brutalen Ruck zu sich. Leise sagte er: „Mein Name ist Carbin... Lass mich eines klarstellen, du unwürdiges Stück Mensch. Du wirst nie wieder so respektlos mit mir reden, hast du das verstanden? Am besten für dich wäre wenn du generell nur noch redest, wenn man dich damit ehrt, dass du angesprochen wirst! Weibchen sind nur dazu gut, um die nächste Generation von Alphas zu gebären - nicht um Konversation zu betreiben! Sobald wir in der Königsresidenz angekommen sind, wird unser Herrscher und sein neu gebildeter Clan dich einreiten... Hmmm... ich kann deine Schmerzensschreie schon praktisch hören... und sie klingen unfassbar geil!!
Weißt du, du undankbares Stück.. der König ist nämlich nicht so verweichlicht wie sein Sohn, er wird zuerst diesen zierlichen Körper und dann deine Seele zerbrechen und wenn deine nächste Hitze kommt, wirst du mit soviel Sperma gefüllt werden, dass du direkt tragend sein wirst! Und hast du erstmal einem Alpha das Leben geschenkt, brauch unser Herrscher weder seinen Sohn... oder gar dich noch."
Gwen wurde schlecht - und das war nicht nur ausschließlich der Gehirnerschütterung und dem Mundgeruch des Widerlings zu zuschreiben. Die Vorstellung, dass ein anderer Alpha sie berühren... ihre Unschuld einfordern würde...
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Gwen sich geweigert sich einzugestehen, dass der königliche Clan ihr Herz erobert hatte. Doch nun... Carbins Worte waren wie ein Sonnenstrahl, der ihr die Wahrheit aufzeigte...

Jays Frechheit... Jareds Humor... Kais stille Klugheit... Tjorbens unerwartete Sanftheit... Maximilians ruhige Kraft und Henry...
... ja, der Prinz hatte sie am meisten überrascht. Genau wie der blonde Vollstrecker hatte er eine 180 Gradwende vollzogen und dass ohne, dass Gwen ihn zuvor markiert hatte.
Diese sechs Männer gehörten ihr! Ihr gewählter Clan! Sie waren die einzigen, die Gwendolyn in ihrem Körper würde dulden würde... die einzigen mit denen sie nisten wollte!
Dieser verschissene Bastard hatte kein, KEIN Recht, sie ihren Alphas wegzunehmen!
KEIN RECHT!
KEIN RECHT!!!!
Wut, gleißend und alles zerreißend durchströmte die kleine Epsilon und spülte jede andere Empfindung, den Schmerz in ihrem Kopf und dem verstauchten Knie fort.
Carbin hatte sich indes abgewandt um das Landemanöver zu überwachen - fest im Glauben, dass das Weibchen unter Kontrolle und zu verängstig war um weitere Probleme zu verursachen.
Sie waren zwar noch weit entfernt von der königlichen Residenz, aber anders als die Bodensegler konnten die Luftschiffe ohne Sonneneinstrahlung sich nicht fortbewegen und mussten für die Nacht stets am Boden angedockt werden.
Das Gefährt glitt anmutig in die Tiefe, die Ankerharpunen wurden abgefeuert und die starken Seilwinden zogen den Segler in die endgültige Parkposition. Carbin nickte zufrieden dem Betakapitän zu und ging zu den Proviantsäcken hinüber. Er griff hinein, nahm ein Stück Weizenbrot hervor und wog es mit einem hinterhältigen Lächeln in der Hand. Klar wusste er, dass Weizen für Os und Ees nicht bekömmlich war, aber wenn es dem Miststück nicht gut ging, hatte er weniger Arbeit damit sie zu beaufsichtigen. Sollte sie sich doch ruhig die Eingeweide rauskotzen, das war Carbin vollkommen egal.
Er wusste nicht, dass Weizen nicht nur ‚nicht bekömmlich' für Epsilons war, es war hochgiftig und würde das Mädchen binnen Stunden qualvoll umbringen, sollte sie das Brot essen...
Das fiese Grinsen immer noch auf seinem Gesicht, drehte der Tracker die junge Frau grob an der Schulter herum und...
.... brach bewusstlos zusammen...
Gwen ließ das Rohr fallen, dass sie aus der Wand des Seglers gerissen hatte und stierte mit tiefschwarzen Augen auf die Ausgangsluke. Ihr Körper stand unter Strom und schüttete gigantische Mengen an Adrenalin aus. Der Kapitän des Gefährts kam aus dem Cockpit und stürzte sich sofort auf die Epsilon.
Instinkte, uralt und so mysteriös wie das Dasein der Epsilons selbst übernahmen die Kontrolle und Gwen warf sich mit einem Kreischen, das Steine zum Zerkrümeln bringen konnte auf den Beta. Der Mann hatte keine Chance und lag nur Sekunden später mit eingeschlagenem Schädel neben dem Tracker auf dem Boden.
Dann nahm Gwendolyn sich die Luke vor und nutzte die Eisenstange als Hebel. Die Luftsegler war nicht robust gebaut. Um auf den Solarströmen der Sonne nur mit Hilfe der Mylarsegel fliegen zu können, war eine ultra leichte Bauweise von Nöten. Daher war die Ausstiegsluke auch innerhalb weniger Augenblicke Geschichte und Gwendolyn sprang zu Boden. Mit einem Fauchen wandte sie sich in die Richtung aus der der Segler hergeflogen war... in Richtung ihres Clans...
Und dann rannte sie los... ohne Schmerz... ohne Furcht... ohne Waffen...
... denn wer sollte eine Epsilon im Rage-Zustand schon aufhalten können?!

In einem Feld voller Schmetterlinge Where stories live. Discover now