Kapitel 25

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Ich streckte mich zu dem kleinen Kühlschrank neben der Sitzecke und fischte zwei Flaschen Bier heraus. Als ich Liam eine davon reichen wollte, schüttelte er jedoch den Kopf. „Danke, aber ich werde so langsam los. Bin noch verabredet."

Ich zuckte nur mit den Schultern und stellte beide Flaschen auf dem Tisch ab. Während ich eine weitere aus dem Kühlschrank zog, stand Liam bereits auf und verabschiedete sich von den anderen.

„Sophia oder Cheryl?", wollte Harry noch von ihm wissen und grinste dabei schelmisch.

„Sophia.", antwortete Liam und wurde doch glatt etwas verlegen, „Cheryl kann sich eh nicht zwischen mir und Andrew entscheiden."

„Cheryl ist 'ne Bitch.", mischte sich Zayn ein, „Da darf Andrew einmal ein Probetraining bei Man City mitmachen und plötzlich ist er für sie super interessant. Sie sieht sich doch jetzt schon als Spielerfrau."

„Was soll's." Liam zuckte nur gleichgültig mit den Schultern, verschwand anschließend in Harrys Zimmer und schloss leise die Tür zum Flur hinter sich. Im Gegensatz zu Niall wusste er offenbar, wie man eine Türklinke benutzte.

Ich öffnete mein Bier und schmiss den Kronkorken auf den kleinen Haufen zu den anderen. „Kennt ihr diese Sophia?", fragte ich, während ich mich zurücklehnte und meine Füße auf den freigewordenen Stuhl legte.

„Sie gehört zu den Natives.", antwortete Harry und trank noch einen Schluck aus seiner Flasche, „So nennen wir Leute wie Liam, die hier in Bournemouth leben."

„Ah okay. Wer gehört denn noch alles dazu?" Im Grunde lag es auf der Hand, dass der Ort nicht nur aus Urlaubern bestand, sondern dass hier natürlich auch Familien ganzjährig lebten, arbeiteten und ihre Kinder zur Schule gingen. Trotzdem fiel mir der Gedanke daran irgendwie schwer und kam mir seltsam vor. Alles in Bournemouth war auf Tourismus, Spaß und Freizeitgestaltung ausgelegt. War es nicht komisch, dort zu wohnen, wo andere Urlaub machten? Jeden Tag den Strand und das Meer vor Augen zu haben, aber dennoch ins Büro oder zur Schule zu gehen? Und was war im Winter, wenn nicht einmal Nebensaison war? Herrschte nicht eine unheimliche Stille in der Stadt, wenn die ganzen Touristen weg waren? Oder genossen die Bournemouther die Atempause, in der sie ihre Stadt praktisch nur für sich hatten? Vielleicht musste ich das mal Liam fragen.

„Jenna zum Beispiel.", beantwortete Harry meine Frage. Das war natürlich einleuchtend, dass die Arzthelferin von Ruth Payne auch in Bournemouth lebte, wenn sie hier arbeitete.

„Emily und Olivia sind auch Natives", zählte Zayn weiter auf, „und Andrew und Jordan auch."

Ich ließ das einen Moment sacken und sortierte den Namen Gesichter zu, soweit mir das möglich war. „Hat dieser Andrew wirklich mit Manchester City trainiert?" Das interessierte mich als Amateurkicker und Fußballfan natürlich. Immerhin handelte es sich um den Englischen Meister der letzten drei Jahre.

Harry nickte, während er den letzten Schluck Bier trank und dann die leere Flasche auf den Tisch stellte. Die hatte er in Rekordgeschwindigkeit geleert. Wahrscheinlich ging ihm schon wieder so viel im Kopf herum, dass der Alkohol das Karussell seiner Gedanken bremsen sollte.

Zayn guckte ebenso skeptisch auf die leere Flasche wie ich, kam aber wohl zu demselben Schluss. Jedenfalls sprach er Harry genauso wenig darauf an wie ich. Vielleicht wollte er sich mit Kritik aber auch gerade etwas zurückhalten. „Er ist schon ziemlich gut.", nahm er das Thema ‚Andrew' wieder auf, „Keine Ahnung, ob er wirklich das Zeug dazu hat, in Manchester unter Vertrag genommen zu werden, aber dass er zum Probetraining eingeladen wurde, kam wohl nicht von ungefähr."

„Trotzdem ist er ein Idiot und spielt sich seitdem auf, als wäre er der neue Erling Haaland.", grummelte Harry und rollte genervt mit den Augen.

Ich behielt es für mich, weil sowohl Zayn als auch Harry diesen Andrew offensichtlich nicht mochten, aber ich war schon beeindruckt und auch ein wenig neidisch. Bei einem Spitzenclub aus der Premier League trainieren zu dürfen, war eine riesige Ehre. Allein den heiligen Rasen im Etihad Stadium betreten zu dürfen, verursachte bei mir eine Gänsehaut. Kaum auszudenken, wie es sich anfühlen musste, wenn De Bruyne, Grealish und Álvarez direkt neben einem trainierten. Wenn ich im Herbst den Umzug nach Manchester hinter mir hatte, würde ich, so oft es geht, im Stadion in der Ashton New Road sein, um Man City anzufeuern. Außerdem hatte die Universität von Manchester eine ziemlich gute Fußballmannschaft, für die ich unbedingt versuchen würde, mich zu qualifizieren. Ich sah meine berufliche Zukunft zwar nicht als Fußballer - immerhin war ich realistisch genug, einschätzen zu können, dass mein Können am Ball dafür nicht ausreichte - aber es machte mir unheimlich viel Spaß und hielt mich einigermaßen fit.

Roter SandWhere stories live. Discover now