23. Tom

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Während sich Nora und Mama im Wohnzimmer unterhalten, tragen Papa und ich die Kisten zum Auto. Zwischen uns liegt eine gewisse abwartende Anspannung in der Luft. Ich öffne den Kofferraum, er hievt die erste Kiste hinein und ich die andere direkt hinterher. Beim Schließen des Kofferraumdeckels treffen sich unsere Blicke und er sieht mich wohlwollend an: »Ich habe deiner Mutter nichts gesagt. Wir waren schließlich auch mal jung und haben verrückte Dinge getan.« Er zwinkert mir wissend zu. Nee, oder? Was wird das hier?

Perplex sehe ich ihn an. Er lacht grinsend auf: »Dein Gesicht solltest du jetzt sehen.« Ein Schmunzeln überzieht seines, dessen Züge meinen gleichen. »Keine Sorge! Für ein Vater-Sohn-Gespräch bist du schon zu alt.«
Papa klopft mir auf die Schulter, nachdem ich den Kofferraumdeckel geschlossen habe. »Sie ist die Richtige, oder?«, stellt er fest. Bei diesem Gedanken klopft mein Herz schneller.» Glaub' mir, dieses Gefühl kenne ich gut, mein Sohn. Nora ist wirklich eine tolle Frau. Ich würde mich sehr freuen, sie eines Tages auch ganz offiziell mit Brief und Siegel in der Familie willkommen heißen zu dürfen. Genauso wie Max und seine Geschwister.«

Ein schöner Gedanke wärmt die Stelle in meiner Brust, in der das Herz sitzt und breitet sich von dort über meinen gesamten Körper aus: Ich stehe neben Phil und Hilde am Altar und meine Liebste läuft am Arm meines Vaters auf mich zu. Aufgeregt, strahlend und ganz in Weiß. Unsere Mütter, Annika mit Nachwuchs und Lea stehen mit feuchten Augen beieinander, während Ben und Max schon auf der ersten Bank Platz genommen haben. Leider ist Noras Vater schon vor gut drei Jahren verstorben und kann sie nicht mehr selbst zum Altar führen. Aber ich hoffe, dass er damit zufrieden wäre, von meinem Vater dabei ausgeholfen zu bekommen.

So möchte ich es eines Tages erleben ...

***

Bald danach brechen wir auf, weil Max demnächst nach Hause kommt. Kaum ist er abends angekommen und sieht die Kisten in seinem Zimmer stehen, ist er ganz aus dem Häuschen und will unbedingt vor dem Schlafengehen eine Zugstrecke legen. Es dauert nicht lange, da ruft er mich und wir sitzen noch zwei Stunden zusammen und bauen unter anderem eine Brücke, unter der der Zug hindurchfahren kann.
Meine Liebste sieht ab und an rein, bewundert unsere Fortschritte ausgiebig und stellt uns ausnahmsweise zum Abendessen etwas Fingerfood und Saft ins Zimmer. Und ich erkenne einmal mehr, wie sehr ich diese »Männer-Zeit« mit Max genieße.

***

Die folgende Woche besteht aus viel Arbeit und wenig Zeit für uns als Familie oder Paar. Weil Nora drei Spätdienste hintereinander hat, bin ich allein für die Versorgung von Max und Buddy verantwortlich. Zum Glück nimmt mir Hilde die Mittagsrunden mit ihm ab und hilft Max bei den Hausaufgaben.
Bei einem Männerabend habe ich Phil davon erzählt, wie sie uns damals beim Sex gehört und mir die Filzgleiter in die Hand gedrückt hat und er hat sich vor Lachen gar nicht mehr eingekriegt. Anschließend hat er mich genötigt, mir die Folge »Rebellen« vom Tatortreiniger anzusehen und ich habe seinen Lachflash verstanden. Spätestens beim Filzgleiter-Tourette hatte mich das Thema voll im Griff und ich kam aus dem Lachen nicht mehr raus. Trotzdem haben meine Liebste und ich den Küchentisch bisher nicht wieder für weitere »Turnübungen« benutzt.
Überhaupt sind wir seit dem krassen Moment bei meinen Eltern nicht mehr dazu gekommen. Noras aktuelle Spätdienste müssen die Hölle sein, so fertig wie sie nach der Arbeit ist. Duschen, essen und beim Kuscheln schläft sie dann schon ein. Auch Max sieht sie momentan so gut wie gar nicht, außer kurz morgens vor der Schule, doch ich sorge dafür, dass sie zweimal am Tag telefonieren: einmal nach der Schule und das andere Mal zur Nacht. Hoffentlich kann sie sich in den nächsten vier freien Tagen gut erholen, bevor es am Montag mit ihrem Frühdienst losgeht.

Liebe findet ihren Weg 2Where stories live. Discover now