5. Tom

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Was ein Tag, ey!
Ich bin aus mehreren Gründen froh, dass er so gut wie um ist.
Jetzt warte ich noch auf den Anruf meiner Liebsten, dann werde ich - um Max zu hören, falls er mich ruft - versuchen, mit angelehnter Tür einzuschlafen. Doch hängt mir das Treffen mit meinen Eltern immer noch nach. Nie hätte ich gedacht, dass meine Mama so weit gehen würde, Nina einzuladen. Ich bin ernsthaft sauer und das habe ich ihr bei unserem Telefonat heute Morgen deutlich gemacht!

Meine Liebste weiß nichts davon. Sie wirkte nach unserem Besuch in sich gekehrt und war ruhiger als sonst und durch ihren Nachtdienst werden wir vorerst keine richtige Zeit finden, um darüber zu reden.
Zum ersten Mal!

Und auch zum ersten Mal, seit wir zusammen sind, liege ich hier allein in unserem Bett. Ohne sie fühlt es sich trostlos und unpersönlich an, dabei schlafe ich in diesem Zimmer schon gute zweieinhalb Jahre. Vor Nora habe ich das nie so empfunden, aber jetzt ist mir absolut bewusst, wie sehr sie mein Leben bereichert. Es ist fröhlicher geworden.
Vielfältiger.
Auch durch Max.

Ihn allein ins Bett zu bringen, hat gut geklappt. Warum auch nicht?

In den letzten Wochen haben wir drei uns ganz gut eingegroovt und wir waren tagsüber schon für mehrere Stunden allein, wenn Nora arbeiten musste. Er ist ein lieber Junge und wir kommen gut miteinander aus. Einfach ist die Situation für ihn immer noch nicht, aber er ist mir gegenüber offen und wir haben Spaß zusammen. Wahrscheinlich hilft dabei auch unser erstes Treffen damals bei Hilde, als ich ihren Spülenabfluss gereinigt habe.

Doch mit seinem Vater habe ich seitdem keine drei Worte gewechselt.
Zum Papa-Wochenende fährt ihn Nora und er bringt Max nach Hause. Üblicherweise lässt er ihn an der Haustür raus und wartet so lange, bis ihm Max vom Küchenfenster aus zuwinkt, dann fährt er los. Ich respektiere das, solange es Nora und dem Kleinen damit gut geht.
Tatsächlich kann ich seinen Frust nachvollziehen, immerhin lebe ich jetzt mit ihr zusammen und man sieht, wie sie aufblüht. Aber er hatte seine Chancen und wenn der Sport mich eines gelehrt hat, dann, dass es immer auf die Chancenverwertung ankommt.

Aber trotz seiner schlechten Spielstatistik hat er ein cleveres, liebenswertes Kerlchen hinbekommen. Oft muss ich an mir halten vor Lachen, wenn Max mit dieser besonderen Kinderlogik um die Ecke kommt.
Ich bin zwar ein erprobter, zweifacher Onkel, doch ist ein Kind im eigenen Haushalt nochmal ein anderes Level. Das gibt man am Ende des Tages nicht glücklich, aber erleichtert bei seinen Eltern wieder ab. Getroffene Entscheidungen wirken längerfristig und Max ist ein Meister im Infragestellen und Nachbohren.

So wie heute Abend.
Obwohl sich Nora vorher ausgiebig verabschiedet und ihm das Versprechen abgenommen hat, brav ins Bett zu gehen, wenn ich es sage, trödelt er in einer Tour. Wir kommen gerade von einer letzten Runde mit Buddy zurück und ich schicke ihn ins Badezimmer, damit er seinen Pyjama anzieht und auf Toilette geht, nachdem er noch etwas getrunken hat.

»Komm, Max, Zähne putzen und dann ab ins Bett mit dir!«, fordere ich ihn auf. »Ich bin aber noch gar nicht müde«, mault er und nimmt sich extra lange Zeit auf der Toilette. »Du hast deiner Mama versprochen, dass wir beide gut miteinander auskommen. Wir wollen sie doch nicht enttäuschen, oder?« »Okay«, ruft es über das Geräusch der Toilettenspülung hinweg. »Gut, ich komme jetzt rein und du wäschst deine Hände und putzt Zähne. Und ich putze nochmal nach.«
So habe ich es mit Nora besprochen.
Zwar möchte ich auch das Beste für Max, muss aber zugeben, dass ich nicht immer genau weiß, was das Beste ist. Ich würde oft mehr durchgehen lassen als meine Liebste: mal eine Extra-Kugel Eis oder das Spielzeug kaufen, dass er sich jetzt sofort wünscht. Die Liste ist lang. Immerhin war ich auch einmal sieben Jahre alt und glaube mich noch sehr gut an diese Zeit zu erinnern. 
Allerdings hatten sich meine Eltern nicht erst frisch getrennt und ich musste umziehen ...

Nachdem Händewaschen und Zähneputzen mit Nachputzen recht reibungslos geklappt haben, liegt Max in seinem Bett. Auf seinen Wunsch hin, hat Nora das Zimmer im Dschungel-Look dekoriert und es scheint ihm zu gefallen.
»Ich lese dir gerne noch etwas vor, wenn du magst«, schlage ich ihm vor. »Aus dem Buch, das mir Opa Paul geschenkt hat? Kannst du mir daraus vorlesen?« Max deutet eifrig zu einem Buch auf seinem Nachttisch und ich erkenne es sofort wieder. Ein seltsam warmes Gefühl breitet sich von meiner Brust über meinen gesamten Körper aus und ich muss einfach lächeln.

Opa Paul ...

Unser Besuch bei der Auto-Messe hat eine tolle Verbindung zwischen beiden besiegelt. Mit dem Wissen und den kindgerechten Erklärungen meines Vaters und dem Buchgeschenk hatten Max und er sofort einen Draht zueinander und sein Quasi-Enkel ihn fortan nur noch mit »Opa« angesprochen. Von Nora weiß ich, dass Arnes Eltern früh verstorben sind und Max sie nie kennengelernt hat und auch Mariannes Mann und Noras Vater schon seit drei Jahren tot ist. Einen neuen Opa zu haben, ist bestimmt toll für ihn.

Ich lese Max etwas vor und bemerke, wie seine Augen dabei immer wieder zufallen. »So, das war's für heute«, beschließe ich. »Schlaf gut und träum' was Schönes. Wenn was ist, dann kannst du gerne rufen und ich komme.« »Du ... Tom ... Wenn Buddy heute bei mir schlafen würde, dann könnte mir nichts passieren«, murmelt er spitzfindig.

Sieh an! So müde ist er anscheinend nicht, um es nicht doch noch einmal zu versuchen, aber ich gebe nicht nach.
»Nein«, erwidere ich und erkläre erneut: »Hunde gehören nicht ins Schlafzimmer. Es mal zu erlauben und dann wieder zu verbieten, ist für Buddy nicht fair. Kein Schlafzimmer und keine Couch für ihn!«

Eines Tages wird mir Max für diese Entscheidung dankbar sein!
Der Gedanke, dass ich meine Lady beglücke und hinter mir ein Hecheln höre, weil Buddy im Schlafzimmer liegt und mir auf den blanken Hintern starrt ... Nope! Da lasse ich nicht mit mir verhandeln! Und Max bleibt schließlich auch nicht ewig sieben Jahre alt.
»Okay«, antwortet dieser etwas geknickt. »Ich wünsche dir eine gute Nacht, Kumpel.« Kurz wuschle ich durch seine Haare, stehe auf und gehe zur Tür, wo ich die Hand gerade eben auf die Klinke lege, als er leise sagt: »Tom, ich hab dich trotzdem lieb.«

»BÄM«

Wieder breitet sich das wohlige, warme Gefühl in mir aus.
»Ich hab dich auch lieb«, erwidere ich, ihn anlächelnd und stelle damit endgültig fest, dass dieser Tag gar nicht so aufreibend enden könnte, wie er begonnen hat.
Zum ersten Mal!

Liebe findet ihren Weg 2Where stories live. Discover now