Kapitel 50 | Evide'n'doro

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Die Stadt war recht klein. Es waren kaum Menschen auf der Straße und die, die dort waren beäugten sie misstrauisch. Man konnte es ihnen aber auch nicht verübeln, denn zwei Fremde in einer kleinen Stadt, die mitten in der Nacht auftauchten, waren nicht gerade üblich. Dorrin und Obi-Wan stiegen aus dem Landspeeder. Auch Karina stieg vom Speeder ab, auf dem sie mitgefahren war. Kaum, dass sie abgestiegen war, fuhr ihr Fahrer auch schon wieder davon. Sie sah ihm misstrauisch nach. Der Typ hatte es ganz schön eilig. „Danke.", sagte Obi-Wan. „Ihr könnt mir danken, wenn wir euren Speeder repariert haben.", gab Dorrin zur Antwort, koppelte den kaputten Speeder der Jedi ab und schob ihn geradezu auf ein kuppelartiges Gebäude zu. Obi-Wan und Karina folgten ihm wortlos. Über dem Eingang zum Gebäude hing ein Schild, dass Karina nicht entziffern konnte, aber sie vermutete, dass dort oben sicherlich Werkstatt stand. Dorrin schob den Speeder in einen großen, leeren Hof und stellte ihn ab. „Espen! Ich hab Kundschaft für dich!", rief er in die Leere des Hofes. Außer ein paar abgeschalteten WAC-Droiden, einer Landspeederturbine und einer Menge Schrott lag nichts in dem Hof. Aber hinter der Turbine schaute plötzlich ein schwarzes Gesicht hervor. Die Gestalt stand auf und ein großer Mann mit einem ölbefleckten braunen Einteiler kam zum Vorschein. Er kam nicht näher und beäugte die Jedi scharf. Dann fragte er direkt: „Wo hast du die zwei denn aufgegabelt?", „Eigentlich hatte ich nur ihren Speeder aufgegabelt. Auf dem Weg hierhin haben sich unsere Wege allerdings gekreuzt."
Der Mechaniker Espen kam auf Dorrin und die Jedi zu und nahm den Speeder in Augenschein. Die schwarze Stelle, wo der Motor saß, ließ ihn sofort erkennen, was das Problem war. Er öffnete ihn und schaute hinein. 
„Das sind wundervoll durchgeschmorte Kabel. Sieht aus als bräuchtet ihr eine neue Motorbatterie."
„Hättet Ihr eine da?", fragte Obi-Wan.
„Ja. Aber die Reparatur wird ein bisschen dauern. Bis Sonnenaufgang könnte ich fertig werden."
Sonnenaufgang war zu lang. Zumindest war Dorrin offenbar dieser Ansicht.
„Schaffst du's vielleicht auch schneller? Die beiden müssen zum Markt in Novi'Dan."
„Schnellere Arbeit, mehr hapanische Credits."
„Kein Problem. Ich komme für sie auf.", sagte Dorrin und winkte das Ganze ab. Espen wollte gerade verschwinden und sich an die Arbeit machen, doch Obi-Wan protestierte: „Das können wir nicht annehmen.", meinte er. Dorrin lächelte beschwichtigend: „Lasst das meine Sorge sein, mein Bruder. Seht es als Entschuldigung dafür, dass ich Euren Speeder geklaut habe." Espen warf einen skeptischen Blick zu Dorrin. Der nickte nur und Espen sagte daraufhin: „Eine Stunde." Dann wandte er sich ab und schaltete die WAC-Droiden ein. Den Jedi blieb der skeptische Austausch von Blicken nicht verborgen. Sie spürten, dass hier irgendetwas nicht stimmte, doch konnten sie diesem Gefühl noch keine genaue Zuordnung geben. Sie konnten nur sagen, dass Dorrin nervös zu sein schienen. Dorrin drehte sich zu Obi-Wan, gab ihm die Hand und sagte: „Ich muss euch dann auch leider wieder verlassen, mein Bruder. Viel Glück auf eurer Reise.", „Danke, Dorrin", antwortete der Jedi und Dorrin verschwand aus der Werkstatt. Mit Espen im Lager und Dorrin, der gegangen war, konnten die beiden Jedi sich endlich ungestört austauschen. „Sieh dich hier um und folge Dorrin. Aber sei vorsichtig. Ich bleibe hier und warte auf die Reparatur.", flüsterte Obi-Wan seiner Schülerin zu. „Alles klar, Meister.", bestätigte Karina und nickte kurz, dann verschwand sie unauffällig. Dass Obi-Wan das Reden übernahm und Karina sich im Hintergrund hielt, hatte den Zweck, dass Karina anderen Menschen nicht so sehr im Gedächtnis blieb. Wer erinnerte sich schon an jemanden, der sich schweigend im Hintergrund hielt?

Karina schlich unauffällig zwischen den Gebäuden hindurch und hörte sich aufmerksam um. Sie musste herausfinden, was in dieser Stadt vor sich ging. Sie bemerkte, dass es hier zu viele Transportmöglichkeiten gab. Neben Speedern und Reittieren, gab es nämlich noch zwei größere Raumschiffe und das kam ihr doch ein wenig verdächtig vor. Die Häuser waren überwiegend unbewohnt, also wozu brauchten die wenigen Bewohner so viele Transportmittel? Karina spürte plötzlich etwas. Es kam aus einem der Häuser. Es machte sich ein ungutes Gefühl in ihr breit. Sie schaute sich um, dann öffnete sie die Tür. Dahinter befand sich nichts außer ein paar Kisten. Karina betrat das Haus, kniete sich runter und öffnete eine der Kisten vorsichtig. In der Kiste befanden sich Waffen. Eine Menge Waffen! Was war das hier für ein Dorf? War das vielleicht—! „Keine Bewegung, madellé.", sagte eine Stimme hinter ihr. Karina brauchte sich nicht umzudrehen, um zu bemerken, dass man eine Waffe auf sie richtete. „Schön langsam umdrehen." Karina stand langsam auf und drehte sich vorsichtig um. Ihre Hände hielt sie von ihrem Körper weg, um zu signalisieren, dass sie unbewaffnet war. Das war eine ungünstige Situation. „Los, raus da!", befahl der Mann vor ihr mit herrischer Stimme. Sie erkannte ihn wieder: es war derselbe Typ, auf dessen Speeder sie mitgefahren war — Tristan. „Lass uns zurück zu Papi gehen.", keifte er hässlich und schubste Karina mit dem Gewehr vorwärts.

Als Karina und Tristan den Hof der Werkstatt betraten, sah Karina, dass Obi-Wan dort nicht mehr alleine war. Auch Dorrin, Espen, zwei weiterere Männer und ein junges Mädchen standen um Obi-Wan herum. Der unbekannte Mann neben Dorrin hielt eine Waffe auf Obi-Wans oberen Rücken gerichtet. Dorrin sah nicht gerade erfreut aus. Sein Gesicht war von einem finsteren Blick durchzogen. „Ich hab das Mädchen im Lager gefunden.", sagte Tristan, der Karina immer noch seine Waffe ins Kreuz drückte. „Gut gemacht, Tristan.", sagte Dorrin. Tristan schubste Karina nun zu Obi-Wan herüber. „Ihr spioniert, Fremder, wieso? Sagt mir die Wahrheit. Wer seid ihr wirklich?" Weder Obi-Wan noch Karina antworteten. Aber ihnen beiden war klar, dass sie Dorrin antworten mussten. Sonst tötete er sie aller Wahrscheinlichkeit nach noch. Allerdings konnten sie ihm nicht sagen, dass sie Jedi, geschweige denn dass sie Spione im Auftrag der hapanischen Königinnenfamilie waren. Beides würde ebenfalls ihren Tod bedeuten. „Nun gut.", begann Obi-Wan. „Wir suchen die Evide'n'doro. Wir wollen uns ihnen anschließen." Karina schaute ihren Meister verwirrt an. Das war sein Plan? Sie glaubte nicht, dass das funktionieren würde, also schaute sie sich bereits unauffällig in der Gegend um. Ihre Gegner waren nur zu sechst. Das waren nicht viele. Allerdings waren vier von ihnen bewaffnet — fünf, wenn man Espens Schraubenschlüssel mitzählte. Doch sie waren Jedi. Irgendwie würden sie das schon hinbekommen. Die Mission wäre ohnehin gelaufen. Wenn die Evide'n'doro wirklich diese skrupellosen Terroristen waren, als die die Königin sie bezeichnete, dann konnten sie nicht mehr viel ausrichten. „Die Evide'n'doro sind doch nichts als Terroristen.", durchbrach Dorrin die Stille. Seine Stimme klang kühl und er wirkte nicht so als ob er Obi-Wan glauben würde. „Das sehen wir nicht so. Sie sind Befreier von den Ketten der Königinnenfamilie!"
„Das ist Hochverrat, was Ihr gerade von euch gebt."
„Dann sterbe ich lieber als Verräter, statt als Sklave unter dem Regime der Königin. Doch bitte verschont meine Tochter. Sie hat damit nichts zu tun."
Karina konnte nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte. Sie wusste nicht, dass ihr Vater sich so eine Täuschung ausdenken konnte. Sie konnte sehen, dass Obi-Wans Worte etwas in Dorrin ausgelöst hatten, denn er zuckte kurz mit seiner Waffe. Das junge Mädchen, das in etwa in Karinas Alter zu sein schien, trat an Dorrin heran und sagte: „Ich vertraue ihnen.", „Sei nicht dumm.", zischte Tristan und drückte seine Waffe so an Karinas Kreuz, dass sie sie deutlich spüren konnte. Das Mädchen schien ihn jedoch zu ignorieren. „Sieh sie dir an. Wenn sie wirklich von der Königinnenfamilie wären, wüssten wir das." Dorrin wirkte verunsichert, das konnten die Jedi spüren. Er schaute Obi-Wan mit eindringlichem Blick an, dann ließ er seine Waffe sinken. „Ihr habt Glück, Fremder. Euch und Eurer Tochter wurde das Leben geschenkt. Würdigt es." Alle ließen sofort ihre Waffen senken. Obi-Wan atmete erleichtert aus. Karina traute sich das noch nicht, denn sie spürte immer noch Tristans Waffe in ihrem Kreuz. „Tristan, lass die Waffe runter.", sagte Dorrin ruhig. Tristan zögerte noch ein wenig, dann ließ auch er endlich die Waffe sinken, doch Karina spürte Wut in ihm hochkochen. Vor Tristan sollten sie sich definitiv in Acht nehmen. Er war ihr ohnehin von Anfang an nicht geheuer gewesen.
„Folgt uns.", forderte Dorrin und die Jedi taten wie ihnen geheißen. Karina lehnte sich unauffällig zu Obi-Wan und flüsterte: „War das von Anfang an dein Plan gewesen?"
„Um ehrlich zu sein war ich mir nicht ganz sicher, ob meine Taktik sufgehen würde.", gab er zu. Karina schaute ihn ein wenig entsetzt an. „Anakin ist kein guter Einfluss.", murmelte sie vor sich hin und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ob das Ganze hier nun geplant war oder nicht, die Hauptsache war, dass sie es geschafft hatten. Sie waren drin.

Die Töchter des Obi-Wan KenobiWhere stories live. Discover now