Prolog

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"Ach komm schon, Louis. Bitte!"

"Mum...", seufzte ich theatralisch. Langsam nervte mich meine Mutter. "Warum muss ich denn unbedingt mitkommen?"

"Weil ich gerne die ganze Familie dabei hätte. Wann waren wir denn das letzte Mal alle zusammen unterwegs?"

Ich lehnte mich in dem Sessel, in dem ich saß, zurück und blickte zu meiner Mutter empor, die störrisch ihre Arme vor der Brust verschränkt hatte. "Reicht es dir nicht, wenn du vier Kinder mitnimmst? Ich bin achtzehn, Mum... was soll ich denn da machen? Ich hab keinen Bock, einen ganzen Monat mit den vier Zicken zu verbringen."

Das war natürlich etwas hart ausgedrückt. Ich liebte meine vier Schwestern über alles und wenn irgendjemand so über sie reden würde, würde ich ihm die Hölle heiß machen. Aber ich durfte das. Ich war immerhin ihr großer Bruder.

"Nein, vier meiner Kinder reichen mir nicht.", antwortete meine Mutter und änderte ihre Taktik. Sie ging vor mir in die Hocke und legte ihre Hände auf meine Knie, wie sie es früher gemacht hatte, als ich noch klein war und sie mich zu etwas überreden wollte, zu dem ich keine Lust hatte. "Ich möchte auch meinen Lieblingssohn dabei haben. Bitte, Loubou."

Sie sah mich mit ihren großen blauen Augen an und ich wusste, ich hatte so gut wie verloren. "Du hast nur einen Sohn, Mum."

"Ja genau. Und du bist, seit dein Dad nicht mehr da ist, der einzige Mann in meinem Leben." Das war fies und das wusste sie. Mein Vater war vor zwei Jahr gestorben und diese Karte auszuspielen war absolut unfair. Sie hatte meinen Dad sehr geliebt und fünf Kinder mit ihm bekommen. Ihn zu verlieren, daran war sie fast zerbrochen. Sie wusste genau, dass ich nun nicht mehr nein sagen konnte.

Ich atmete resignierend aus. "Okay, ich komme ja mit. Aber ich weiß jetzt schon, dass ich mich zu Tode langweilen werde."

Sofort änderte sich die Körpersprache meiner Mutter. Ein Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus und sie klatschte freudig in die Hände. "Ach was. Anne bringt ihren Sohn auch mit. Ihr habt doch schon früher zusammen gespielt."

"Mum... da waren wir fünf und haben Sandkuchen gebacken."

"Ja und nun seid ihr erwachsen und werdet auch eine Beschäftigung finden. Bournemouth Beach ist wunderschön, hat Anne gesagt. Das wird ganz toll, wirst schon sehen." Und damit ging sie fröhlich vor sich hin summend zurück in die Küche und ließ mich im Wohnzimmer allein.

Von wegen ganz toll. Ich war achtzehn Jahre alt, hatte gerade meinen Schulabschluss in der Tasche und das letzte Mal in meinem Leben so richtige Sommerferien und durfte diese jetzt mit meiner Familie an der Küste verbringen. Das hatte ich mir eindeutig anders vorgestellt. Mein eigentlicher Plan bestand aus Sex, Drugs and Rock'n'Roll. Also vielleicht nicht wortwörtlich, aber ich wollte mit meinen Jungs tagsüber ein bisschen auf dem Bolzplatz kicken und abends dann feiern gehen und... naja, mal sehen, was sich eben so ergeben hätte.

Das konnte ich nun vergessen. Ich hatte extra nachgelesen. Bournemouth Beach war zwar super zum Schwimmen und Sonnenbaden, aber ansonsten eher ein Paradies für Familien und nicht für partysuchende Jugendliche. Außerdem kannte ich dort niemanden außer meinen Schwestern und mit denen konnte und wollte ich nichts unternehmen, zumal alle vier noch zu jung waren.

Blieb nur noch der Sohn von der Freundin meiner Mutter. Ich war mir nicht zu hundert Prozent sicher, aber sein Name war Harry, glaubte ich. Meine Mutter und Anne waren schon zusammen zur Schule gegangen und hatten früher viel miteinander unternommen, als Harry und ich noch Kinder gewesen waren. Aber Anne war nach dem Tod ihres Mannes umgezogen und die beiden hatten sich etwas aus den Augen verloren.

Roter SandWhere stories live. Discover now