Kapitel 31

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„Warum verlassen wir nicht Italien?“

Ich nahm gerade im Türrahmen Platz, da ich den Kleinen ins Bett gebracht hatte. Es hatte lange gedauert, denn er hatte viele Fragen. Wie lange wir hier bleiben würden? Warum wir bei Matheus waren und nicht bei Tony? Auf die meisten konnte ich keine Antwort geben.

„Sie werden nach dir fahnden lassen. Irgendwann werden sie die Geduld verlieren und ihren Suchradius auf die anderen Länder legen. Dies wird der Moment sein, wo wir endgültig fliehen.“

Ich betrachtete Matheus. Er hatte sich auf die Bettkante gesetzt und ich bekam lediglich seinen breiten Rücken zu Gesicht. Der heutige Tag muss ihm hart zusetzen.

„Werden sie uns hier finden können?“

Ich war etwas an ihn herangeschritten, sodass ich seinen steinernen Ausdruck zu Gesicht bekam, der zerfiel, als er mich in seinem Blickfeld entdeckte. Er konnte es noch immer nicht wirklich fassen, dass ich jetzt hier war, hier bei ihm. Über drei Jahre war unsere letzte Begegnung her und dennoch zwischen uns war die Zeit stehen geblieben. Als wäre überhaupt keine Zeit zwischen heute und damals vergangenen.

„Es war das Haus meiner Mutter. Sie besaß es vor ihrer Heirat mit meinem Vater und heute gehört es einer entfernten Cousine. Es wird ihnen schwerfallen, es zu uns zurückzuverfolgen.“

Das Gebäude stand abseits in einem entlegenen Dorf. Von der Ferne aus sah man das Meer mit seinen fantastischen Stränden. Dieser ganz besondere Charme hatte es mir angetan.
Liebevoll streckte Matheus seine Hände nach mir aus und als er mich erreichte, zog er mich auf seinen Schoß. Seine Hände schlangen sich um meinen Körper. Ich spürte die überwältigende Sehnsucht, die er empfand.

„Wie geht es ihm?“, flüsterte der Dunkelhaarige kaum hörbar.

„Er … er wird Zeit benötigen. Fürs Erste weiß er nur, dass wir eine Weile hierbleiben werden.“

Matheus Körper spannte sich unter mir an.

„Wann wirst du ihm erzählen, dass ich sein Vater bin?“

Ich seufzte.

„Vielleicht solltet ihr einander erst einmal kennenlernen. Er ist mit dem Wissen aufgewachsen, dass Tony sein Vater ist.“

Er nickte nur geknickt, machte deutlich, wie sehr ihn das alles plagte. Nun umfasste ich sein Gesicht.

„Er ist jung. Er wird Tony vergessen. Du wirst stattdessen an seiner Seite sein.“

Er nickte, der Verzweiflung nah, die Augen glasig. All die Anspannung der letzten Jahre verließ gerade seinen Körper.

„Es tut mir leid, dass ich dir nicht beistehen konnte.“

Ich nickte, wollte erwidern, dass ich nicht allein war, doch das hätte nur Salz in die Wunde gestreut.

„Ich hätte bei dir sein sollen.“

Ich schlang meine Arme um seinen Körper, presste mich an ihn.

„Du bist jetzt bei mir.“

Auch seine Arme verfestigten ihren Griff.

„Ich werde euch beide nie wieder hergeben. Ich werde Tony umbringen und deinen Vater erst recht.“

„Du kannst die beiden nicht umbringen“ sprach ich sanft.

Wie von allein ließen wir uns zurück in das Bettlaken sinken. Matheus lehnte sich über mich, mit einem solch entschlossenen Ausdruck, wie ich ihn noch nie an ihm gesehen hatte.

„Was musstest du dafür tun, damit sich die Bedingungen erfüllen?“

Matheus war schlau. Mir war klar, er würde es hinterfragen. Scham schmückte mein Gesicht, denn ich war nicht stolz darauf, was ich tun musste. Seine Hand strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr, als Aufforderung ihm auch diese Details zu verraten.

„Ich musste mit ihm schlafen, damit er glaubt, Luiz wäre von ihm und damit er den Beweis hat, dass ich ihn liebe.“

Entgegen meiner Erwartung zeichnete ihn keine Wut aus. Zumindest nicht gegenüber mir. Sein Gesicht hingegen war voll davon.

„Und genau deswegen muss ich ihn töten.“

Ehe ich Einspruch erheben konnte, führte Matheus seine geschwungenen Lippen immer näher.

„Egal, wer er mal war. Dich zu verletzen bedeutet den Tod zu wählen. Besonders, wenn man sich etwas nahm, das mir gehört.“

Ich schluckte, von seiner Aussage übermannt.

„Auch ich habe dich verletzt und ich schwöre dir, ich werde es wiedergutmachen.“

Die Hand des Dunkelhaarigen begann ihren Weg über meinen Körper zu bahnen. Die Verletzlichkeit seines Herzens war förmlich greifbar.

„Ich konnte dich nie vergessen, Matheus. Es gab immer nur dich.“

Seine Augen wurden groß, aber zugleich dunkel und verschwommen.

„Melodie …“

Seine Lippen schwebten so nah vor meinem Gesicht, dass sie sich beinahe berührten.

„Ich werde dich lieben. Ich werde dich schätzen, deine Entscheidungen respektieren und deshalb frage ich dich, ob du mein sein willst?“

Die Nervosität hatte ihn übernommen. Die düstere Art seiner Stimme war verschwunden.

„Willst du meine Frau werden, Melodie?“

Sein Selbst war so nah, dass ich in diesem Augenblick kaum mehr als ein kleines Nicken hervorbringen konnte, so klein, aber die Bedeutung davon so riesengroß. Wir würden eine Zukunft teilen. Und so überfiel er mich mit seiner ganzen Hingabe. Seine Lippen, die meine gefangen nahmen. Seine Hände, die jedes weiter Kleidungsstück von meinem Körper streiften und den brennenden Augen, die jeden Moment in sich aufnahmen.

MatheusWhere stories live. Discover now