Kapitel 5

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Ich hatte wie ein Weltmeister gekocht, auch wenn es eine Weile gedauert hat. So musste sich mein Fluchtinstinkt wenigstens nicht damit befassen, welcher Weg hinaus der beste wäre. Ich wartete Stunden, doch er kam nicht. Ich beobachtete, wie die Wächter vor dem Haus wild telefonierten, ja sogar etwas zueinander schrien, doch ich verstand nie, worum es ging. Vielleicht war er ja Tod. So als Mann im Drogengeschäft kam man doch leicht um, nicht wahr?
Es war mittlerweile abends und ich hatte längst erneut etwas zu mir genommen und war gerade dabei, die Küche wieder zu verlassen, da knallte die Tür hinter mir zu. Ich sah ihn an und mir gefror gleichzeitig das Blut in meinen Adern. Als er mich entdeckte, hielt er inne.

„Entschuldige die Verspätung, es kam zu einer Komplikation.“

Er sagte es mit einer Leichtigkeit, die mich den Kopf schütteln ließ. Überall an seinem Körper war Blut. Sein Hemd war die längste Zeit weiß geblieben. Panisch trat ich an ihn heran, setzte meine Finger an seiner Brust und studierte die klebrige rote Flüssigkeit, die an mir hängen blieb.

„Ist das deins? Bist du verletzt?“

Sein Ausdruck wurde dunkel und so stieß ich mich geschockt von ihm. Es war nicht seins, es war das eines anderen. Jemand, der mit Sicherheit durch ihn getötet wurde. Ich trat vor Angst immer weiter zurück, bis er mich schließlich an meinem Handgelenk aufhielt. Ich wusste, er hatte eine Waffe und er war in diesem Geschäft tätig, doch ich hatte mir nie darüber Gedanken gemacht, dass er ein Mörder sein könnte.

„Komm, wir werden das abwaschen“, murmelte er, ein Blick auf meine blutverschmierten Hände. Ich schüttelte entgeistert meinen Kopf, wollte mich seinem Griff entreißen. Doch ihn beeindruckte mein Verhalten nicht. Im Gegenteil, er zog mich die Treppen hinauf. Ich weiß nicht mehr, womit ich ihn beschimpfte, doch ich beschimpfte ihn. Das alles brachte nichts, denn er zog mich bis in die Dusche, wo ich geschockt mit ansah, wie er jegliche Kleidung von seinem Körper streifte.

„Zieh dich aus“, raunte er schließlich. Wie versteinert stand ich einfach nur da. In meinem Kopf war nur dieses endlose Rauschen.

„Ich mache keine Scherze, Melodie. Zieh dich aus oder ich werde es tun.“

Mir war klar, dass er nicht scherzte, doch es war mir nicht möglich, mich zu bewegen, auch wenn ich das wollte. Meine Furcht hatte mich vollständig gelähmt. Er schnaubte frustriert und so stülpte er mir das Kleid über meinen Kopf und meine Unterwäsche von meinen Hüften. Ich stand nackt vor ihm, doch das war mir egal, wenn ich an das Blut dachte, das noch immer an meinen Händen klebte und auch ihn bedeckte. Jetzt drückte er mir einen Schwamm in die Hand.

„Wasch es ab.“

Dabei deutete er auf seine Brust, die über und über mit Blut besudelt war. Kein einziger Tropfen von ihm, nur die Schramme im Gesicht fiel mir auf. Ich war immer noch wie versteinert.

„Wasch es ab!“, schrie er nun und so umgriff ich zitternd den Schwamm und begann wie Trance das Blut von seinem Körper zu waschen. Ich hatte fürchterliche Angst. Als er mir dann den Rücken zudrehte, wurde sein Atem wieder ruhig. Er seufzte, als würde er bereuen, dass ich mich jetzt vor ihm fürchtete. Furcht war überhaupt kein Ausdruck dafür. Was hatte ich auch erwartet?

„Ich hatte keine Wahl, Melodie. Entweder er oder ich.“

Das war das Letzte, was er sagte, bevor er an mir vorbeiglitt und aus der Dusche trat. Das Wasser noch immer laufend, sank ich erschüttert an der Wand hinab. Ich konnte ihn unmöglich heiraten, ganz egal, was das meiner Familie bringen würde. Von mir aus würde ich doppelt so hart arbeiten, selbst widerliche Jobs annehmen. Das war bei Weitem besser, als dieses Monster zu heiraten.

***

Noch einmal lauschte ich seinen bedächtigen Atemzügen. Ich musste fliehen. Ich hatte mir den Weg hierher gut eingeprägt. Vielleicht würde ich es wirklich schaffen, zurückzufinden. Vorsichtig streckte ich ein Fuß über die Bettkante.

MatheusWhere stories live. Discover now