Kapitel 23

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Matheus

Wir erlangten schneller ein Treffen, als uns lieb war und so saßen wir jetzt auf neutralem Boden dem Oberhaupt der Souza Familie entgegen. Wenn ich ehrlich war, bereitete mir sein Auftreten Angst, doch mein Vater hatte mir schon früh beigebracht, so etwas nicht nach außen tragen zu lassen. In gewisser Weise erinnerte er mich an meinen Vater, mit dem Unterschied, dass er nicht mit mir verwandt war. Ich hatte aufgehört, mich umzusehen. Ich hatte nicht erwartet, dass er Melodie mitbringen würde, doch die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.

„Also, was wollt ihr für sie?“ begann mein Vater ganz ungeniert.

Dass sie mein Kind in sich trug, hatte für ihn alles verändert. Man mochte über ihn denken, was man wollte, doch er beschützt seine Familie.

„Überhaupt nichts.“

Sowohl ich als auch mein Vater taten schwer unsere Überraschung zu verbergen.

„Ich will lediglich, dass sich dein Sohn von ihr fernhält.“

Jetzt verstand ich die Welt nicht mehr. Ich ging ununterbrochen davon aus, sie hätten Melodie und meiner Willen und um meiner Vater-Willen entführt.

„Das könnte schwer werden, mein alter Freund. Schließlich sind sich die beiden versprochen.“

Bei jedem einzelnen Wort sprach der pure Hass aus ihm, auch wenn der Inhalt es nicht vermuten ließ.

„Dann löse ich dieses Versprechen hiermit auf.“

„Mit welchem Recht?“, schimpfte der Mann neben mir übellaunig.

Jetzt lehnte sich unser Gegenüber mit einem kecken Lächeln zu meinem Vater. Es war die Art Grinsen, die einem einen Schauer über den Rücken jagte.

„Erinnerst du dich noch an unsere Freundin Aurora?“

Der Name sagte mir etwas und wenn ich den Ausdruck meines Vaters begutachtete, war dieser auch ihm ein Begriff. Ich hatte ihn noch nie so geschockt gesehen. Nicht mal als er meine Mutter tot auffand. Offenbar war dies die Frau, die die beiden einst liebten, doch woher kannte ich diesen Namen?

„Sie ist die Mutter von Melodie und ich ihr Vater.“

Jetzt stand uns beiden der Schock ins Gesicht geschrieben. Wollte er mir gerade erzählen, dass die Frau, die ich so zufällig traf und in die ich mich so abgöttisch verliebte, die Tochter unseres Feindes war?

„Davon wusste sie selbst nichts, denn ihre Mutter verschwand mit ihr, noch ehe ihre Halbschwester geboren wurde.“

Jetzt fragte ich mich, wie Melodie all das aufnahm. Allgemein drehte sich jeder Gedanke um sie. Ich konnte nicht atmen, wenn ich nicht wusste, dass es ihr gut ging.

„Ich seht, ich habe also durchaus das Recht, diese Verbindung zu lösen.“

„Ich will es von ihr hören“, gab ich meinen Unmut kund.

„Das wird nicht geschehen, denn sie hängt noch gewissermaßen an dir.“

Nun begannen alle Stricke der Vernunft in meinem Inneren zu reißen. Ich lehnte mich rüber und packte diesen unverschämten Mann an seinem Kragen. Mir war egal, wer er war, für mich zählte nur, dass er Melodie in seinen Fängen hielt. Seine Untergebenen zuckten gefährlich, doch er gab ihnen ein Zeichen, zu verharren.

„Gib mir Melodie zurück!“

Nie war ich entschlossener und dennoch begann er einfach nur zu grinsen.

„Du gefällst mir. Wärst du nicht der Sohn dieses Idioten da drüben, hätte ich dir vielleicht eine Chance bei meiner Tochter gewährt.“

Ich packte ihn noch fester an.

„Sie ist …“ 

Das Geheimnis war gerade dabei, aus mir herauszubrechen, da spürte ich die Hand meines Vaters auf meiner Schulter. Er warf mir diesen Blick zu, es fürs Erste ruhen zu lassen. Doch da lag auch ein Feuer darin, dass mir sagte, dass er nicht eher ruhen wird, bis Melodie wieder bei uns ist. Er hatte anscheinend seinen ganz eigenen Antrieb gefunden.

***

„Was sollte das?“, gab ich frustriert von mir, als wir uns wieder in unseren eigenen Reihen befanden. Ich konnte nicht begreifen, wie er sie einfach aufgeben wollte. Wie er seine Familie einfach aufgeben wollte. Wie besessen riss ich alle möglichen Unterlagen hervor in der Hoffnung ein Schlupfloch oder etwas dergleichen zu finden. Ich spürte, wie der Dunkelhaarige seine Hand auf meine Schulter legte, doch ich konnte diesen Vater nicht gebrauchen. Ich brauchte den skrupellosen Mafiosi.

„Sohn …“

„Was? Wir hätten nicht nachgeben dürfen. Wir hätten ihm sagen müssen, dass Melodie von mir schwanger ist.“

Meine Wut fand kein Ende mehr. Wäre es doch wirklich Wut gewesen. In Wirklichkeit leitete mich die Angst. Jetzt setzte er entschlossen seine beiden Hände an meine Oberarme, zwang mich dazu, in all meiner Aufregung zu verharren.

„Er wusste nichts von der Schwangerschaft. Melodie hat ihm infolgedessen nichts davon erzählt. Was denkst du, warum sie das getan hat?“

Meine Augen wurden groß, meine Furcht begann sich zu vervielfältigen.

„Sie befürchtet, er könnte es ihr wegnehmen, wenn er davon erfährt.“

Mein Gegenüber nickte und lockerte seinen Griff.

„Wäre er wirklich so skrupellos?“, fragte ich atemlos, doch mein Vater zuckte lediglich mit seinen Schultern.

„Wir sollten Melodies Angst akzeptieren und fürs Erste daran arbeiten, sie aus seinen Händen zu befreien. Ich werde annehmen, sie werden ihr nichts tun, jedoch rennt die Zeit. Er wird sie mit jemandem vermählen. Zumindest wäre das meine Herangehensweise, wären unsere Rollen vertauscht.“ 

Meine Ängste waren dabei, sich alle auf einmal zu bestätigen. Mein Vater schien jetzt selbst befallen zu sein, denn als wäre er nur noch die Hülle seiner Selbst, schlurfte er zu dem Stuhl ganz in der Nähe und ließ sich darauf fallen.

„Ich denke, es wird Zeit dir zu erzählen, was damals geschehen ist.“

Etwas perplex setzte ich mich ihm gegenüber und beobachtete die Sprachlosigkeit meines Vaters.

„Manuel und ich waren gute Freunde, als wir Aurora trafen. Beide mit großen Ambitionen und noch größeren Zielen. Wir waren in die gleichen Kreise verstrickt. Unsere Freundschaft nahm jedoch einen verhängnisvollen Schlag, denn wir beide verliebten uns in sie. Melodies Mutter arbeitete damals in der Bar, in der wir ganz gerne vorbeischauten und diese Besuche gingen immer öfter vonstatten. Um unsere Freundschaft nicht zu gefährden, schworen wir uns, Aurora entscheiden zu lassen und sie entschied sich für mich. Was ich jedoch nicht wusste war, dass sich die beiden noch immer trafen. Manuel hielt sich nicht zurück und erzählte ihr etwas, das sie in seine Arme trieb. Ich wäre bereits einer anderen versprochen.“

„Mutter!“ summte ich jetzt atemlos, da ich jetzt endlich seine Distanz verstehen konnte. Sie war die Mauer, die ihn von seiner wahren Liebe trennte.

„Ich erfuhr erst Wochen nach der Hochzeit, dass es Manuel war, der mich an meine Eltern und Aurora verriet. Deshalb fand ich es ja so amüsant, dass Tony dich verraten hat.“

Bei seinem Namen presste ich unweigerlich meinen Kiefer zusammen, denn er war so viel mehr gewesen, als mein Untergebener. Er war mein Freund.

„Es ist, als würde sich die Geschichte wiederholen.“

Bei allem, was ich hatte, das würde ich nicht zulassen.

„Jedenfalls haben sie geheiratet, doch eines Tages verschwand sie und mir war es unmöglich sie aufzufinden. Ich wäre gar nicht im Bilde darüber, was ich ihr sagen würde.“

Entgeistert von der Geschichte sprang ich auf und stützte mich auf das Fensterbrett, meinem Vater gegenüber. Ich sollte Melodie schleunigst befreien. Nicht, dass mein Vater Recht behielt und sich die Geschichte wahrhaftig wiederholt.

MatheusWhere stories live. Discover now