Kapitel 18

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„Erzähl mir etwas von dir“, forderte ich ihn auf, während der Dunkelhaarige dabei war, das Frühstück zu verspeisen.

Es war meine Bestechung für ein Anliegen, das ich vorzutragen hatte. Mit vollem Mund hielt er jetzt inne und betrachtete meine Aufforderung mit Verwunderung. Ich gab es nicht gern zu, aber mit großer Wahrscheinlichkeit würde ich Matheus heiraten und wenn dies der Fall war, würde ich gern wissen, wer derjenige war, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde. Ich wusste, dass er großzügig, mitfühlend und sanft sein konnte, aber ebenso bestimmend, grob und stur. Doch von seiner Vergangenheit wusste ich kaum etwas, abgesehen von den dunklen Details, die er mir offenbarte.

„Was möchtest du wissen?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Erzähl einfach das, was dir zu Beginn in den Kopf schwirrt.“

Matheus schien einen Augenblick zu überlegen.

„Als ich klein war, wollte ich Feuerwehrmann werden.“

Mir entkam ein unwillentliches Kichern und auch mein Gegenüber musste Schmunzeln. Es war so banal, als wäre der Dunkelhaarige ein ganz normaler Mann.

„Natürlich, bevor ich verstand, wer mein Vater war. Danach wollte ich immer tun, was er tat. Ich versprach mir davon seine Anerkennung und er lobte mich gerade genug, um dranzubleiben.“

Vor Ernsthaftigkeit presste ich meine Lippen zusammen. Eines Tages werde ich Matheus Vater mitteilen, was ich von ihm hielt. 

„Und jetzt? Was würdest du dir wünschen?“

Ich begann mir ein einfaches Leben vorzustellen, mit Matheus an meiner Seite. Natürlich war es fantastisch, dass er die Mittel besaß meiner Familie zu helfen, doch ich glaubte nicht, dass einer von eins beiden mit dieser Zukunft glücklich werden könnte. Mein Gegenüber seufzte jetzt und legte seine Sicht an die Decke, als könnte sie ihm die Antwort geben, die er wissen wollte.

„Ich möchte dich heiraten, darin bin ich mir sicher, doch was das andere angeht …“

Matheus verzagte, verschwand förmlich in seinem eigenen Geist. Wahrscheinlich stellte er sich gerade vor, wer er sein könnte.

„Wie ich dir einst sagte, wird es mir unmöglich sein, mich je wieder aus dem Milieu zurückzuziehen, ohne damit meinen endgültigen Tod zu besiegeln.“

Eine Schwere besetzte diesen taufrischen Morgen. Er war in seinem eigenen Leben gefangen, eine Möglichkeit auf Freiheit ausgeschlossen.

„Und was ist mit dir?“

Offenbar wendeten wir uns meinem Anliegen schneller zu, als ich es zu Beginn des Gespräches annahm. Nervös lenkte ich meine Sicht auf die Tasse, die ganz ruhig den Tee in sich verwahrte.

„Ich wollte schon immer Ärztin werden. Ich kann dir nicht genau sagen warum, aber ich glaube Menschen auf dieser Weise zu helfen, könnte mir Erfüllung schenken.“

Schüchtern suchte ich jetzt seinen Blickkontakt.

„Ich würde gern meinen Abschluss nachholen und dann Medizin studieren.“

Ich hatte diesen Traum längst verworfen, doch mit Matheus Unterstützung könnte ich es schaffen.

„Du wirst nicht arbeiten müssen.“

Seine Antwort so selbstverständlich. Wut breitete sich aus, auch wenn ich zuvor nicht wirklich glaubte, dass er Ja sagen würde. Wahrscheinlich war es die Enttäuschung eines kleinen Teils, der gehofft hatte, ich könnte ihn überzeugen.

„Was hast du vor? Mich hier auf ewig einsperren und mich von der gesamten Welt fernhalten?“

An seinem Ausdruck erkannte ich, dass ihm diese Aussicht gefiel.

„So müsste ich mir zumindest keine Gedanken machen, dass dir etwas geschehen könnte.“

Auch seine Stimme wurde von einem gewissen Ärgernis geleitet. Frustriert sprang ich auf, unwillig die Zukunft zu akzeptieren, die er gerade ausmalte. Ich kehrte ihm den Rücken zu und schaute stattdessen dem schönen Garten entgegen. Wäre es kein Gefängnis, könnte ich daran Gefallen finden.

„Wenn du dir so unsere Ehe vorstellst, dann will ich dich nicht länger heiraten.“

Ich lauschte seinen aufgebrachten Schritten hinter mir und sein animalischer Atem verdeutlichte, dass er sich wirklich bemühte, sich zurückzuhalten.

„Du hast längst zugestimmt“, erwiderte er trotzig.

Ebenso trotzig stieß ich seine Hand von meiner Schulter, die sich dort niedergelassen hatte. Er verstand einfach nicht, wie wichtig mir diese Freiheit war.

„Nicht zu spät, um es zu revidieren.“

Seine Hand umgriff jetzt mit einer Härte meine Taille, doch ich ließ mich nicht einschüchtern. Nicht diesmal. Ich drehte mich um, funkelte ihm aus meinem Inneren entgegen. Ich würde nicht nachgeben. Seine harte Miene zerbrach, als er mich so verletzlich sah. Verständnisvoll legte sich seine Hand an meine Wange.

„Ich liebe dich, Melodie. Ich könnte nicht damit leben, dass dir etwas geschieht. Du wärst da draußen in ständiger Gefahr.“

Hilflos kniff ich meine Augenbrauen zusammen, denn egal, wie sehr ich mich auch bemüht hatte, ihm zu entfliehen, so sehr quälte mich die Vorstellung, dass er kein Teil meiner Zukunft wäre.

„Das ist keine Liebe“, rief ich verzweifelt aus.
„Wenn du mich wirklich liebst, Matheus, dann musst du mich gehen lassen. Ich werde nicht wegrennen, ich werde dich nicht verlassen, doch diesen Freiraum wirst du mir geben müssen, sonst verlierst du mich für immer.“

Bei meinen Worten biss er sich auf die Lippen. Ich konnte förmlich sehen, was er dachte. Er würde nicht zulassen, dass ich ihn verließ. Jetzt seufzte er geschlagen.

„In Ordnung.“

Ich konnte mein Glück kaum fassen, also begann ich zu quicken vor Freude. Doch ehe ich ihm um den Hals fallen konnte, hob er streng zwei Finger in die Höhe.

„Aber nur unter zwei Bedingungen.“

Ich nickte aufmerksam.

„Du wartest so lange, bis sich die Lage mit der Souza Familie beruhigt hat und dir wird ein Beschützer zur Seite gestellt.“

Seine Bedingungen waren plausibel.

„Abgemacht.“

Jetzt fiel ich ihm doch um den Hals.

„Danke, danke, danke Matheus.“

Jetzt konnte auch der Dunkelhaarige nicht länger seine bittere Miene aufrechterhalten.

MatheusWhere stories live. Discover now