Kapitel 2

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Ich kehrte gerade mit dem breitesten Lächeln bei uns Zuhause ein. Von dem Geld hatte ich Medikamente und etwas zu essen besorgt. Ich war so euphorisch, während ich mir die Schuhe von den Füßen stülpte, dass beinahe alles aus der großen Papiertüte herausgefallen wäre.

„Ihr glaubt nicht, was heute passiert ist!“, rief ich in den Flur hinein.

Niemand war gewillt, zu antworten. Ich runzelte die Stirn. Wahrscheinlich waren sie gemeinsam auf dem alten Sessel von papai eingeschlafen. Das passierte oft, wenn es bei mir spät wurde und Ariel sich weigerte Schlafen zu gehen. Ich deckte sie dann für gewöhnlich zu und räumte dann das Chaos auf, dass sie hinterlassen hatten. Als ich jedoch diesmal um die Ecke schlenderte, erwartete mich ein Bild, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Ein Mann stand in der Küche, sein Rücken mir zugedreht. Das Jackett von seinen Schultern gefallen, das Hemd bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt. Meine Mutter und meine Schwester saßen an der Theke und schauten ihm zu, wie er etwas zubereitete. Es war nicht irgendein Mann, es war der Mann aus dem Restaurant, dessen Geld ich dazu genutzt hatte, das Mahl in meiner Hand zu bezahlen. Ich war so starr vor Schreck, mir blieb nichts anderes übrig, als die Tüte in meinen Händen fallen zu lassen. Erstarrt drehten sich alle Beteiligten zu mir um.

„Da bist du ja Melodie“ summte meine Schwester, die von allein von ihrem Stuhl sprang und auf mich zu rannte. Während sie mich umarmte, konnte ich nur diesen großen Fremden anstarren. Sein Ausdruck war so wissend, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass das eine Einbildung war. Das Ganze passierte gerade wirklich. Meine Mum, die sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt hatte, lächelte mir zu.

„Warum hast du uns nicht erzählt, dass du einen Freund hast?“

Ich blinzelte, wollte am liebsten den Mann vor ihren Augen zur Rede stellen. Zusammen? Ich schüttelte leicht den Kopf. Ich kannte nicht mal seinen Namen. Aber vielleicht sollte ich mitspielen. Wer weiß, vielleicht war er gefährlich, schließlich hatte er herausgefunden, wo ich wohne. Meine Augenlider flatterten heftig, trat aber auf den Dunkelhaarigen zu. Er bereitete gerade etwas in der Pfanne zu, was wirklich lecker roch. Als ich jedoch bei ihm angelangte, lächelte er mich an, setzte seine Hand an meinen Nacken und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn.

„Entschuldige, dass ich dich so überrasche.“

Dieses Gespräch fand außerhalb dieses Lügenmärchens statt und so gab ich etwas zurück.

„Was soll das?“

Meine Stimme war nur wenig klagend, auch wenn ich ihn am liebsten anschreien würde.

„Ich dachte, es wäre Zeit, dass deine Familie von mir erfährt.“

„Wo hast du ihn nur so lange versteckt?“, hauchte meine Mutter verträumt. So lange? Ich hatte ihn heute zum ersten Mal gesehen.

„Wie wäre es, wenn wir uns setzen? Das Essen ist fertig.“

Meine Schwester johlte auf, während ich mich bei jedem Schritt fragte, ob ich vielleicht träumte. Doch dann führte ich die Gabel zu meinem Mund und schmeckte die leckere Speise. Was wollte er? Immer wieder huschten meine Augen über ihn und jedes Mal erwischte er mich dabei. Ich fühlte mich wie ein kleines Reh, das versuchte, des Raubtiers Taktik zu durchschauen, doch ich war längst in seine Falle getappt.

„Wann habt ihr euch denn kennengelernt?“, fragte meine Mutter liebevoll. Sie war solch eine gute Seele. Sie hatte es nicht verdient, in solch ein Theater hereingezogen zu werden. Diese Erkenntnis machte mich umso wütender. Ich stierte ihn an, denn meine Antwort würde wohl kaum der seinen entsprechen. Er legte die Gabel zur Seite und setzte ein verlegenes Lächeln auf.

„Ich war vor ein paar Wochen in dem Restaurant, wo Melodie arbeitet und da hat mich ihre ganze Art übermannt. Ich hatte mich nicht getraut sie anzusprechen und so kam ich immer und immer wieder, bis ich es irgendwann tat.“

MatheusWhere stories live. Discover now