1. Nora

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Dreieinhalb Monate sind seit meiner Trennung von Arne vergangen. Mittlerweile ist es ruhiger geworden und der Alltag eingekehrt, wenn man es so nennen mag. Ich nenne es lieber »Mein Leben« und ich begrüße es mit offenen Armen - auch wenn alles seine zwei Seiten hat. Aber dazu später mehr.

Wie es alle ahnten – und Tom gehofft hatte – zog ich in den Sommerferien vor drei Wochen zu meinem Liebsten. Die Zeit davor lebte ich mit meinem jüngsten Sohn Max bei meiner Mutter. Ursprünglich wollte ich uns eine eigene Wohnung anmieten, aber Tom hatte mich eines Abends so süß gefragt, dass ich nicht ablehnen konnte.

Max hatte damals die Nacht unten bei Hilde verbracht und Tom toll für uns gekocht. Als ich das Bad benutzen musste und anschließend wieder an den Tisch zurückkam, lag auf einem auf der Tischmitte platzierten und mit essbaren Blüten dekorierten Dessertteller eine kleine Schachtel aus dunkelblauem Samt. In deren geöffneter Mitte auf einem weißen Satinkissen ein Wohnungsschlüssel drapiert war. »Mach mir die Freude und ziehe mit Max hier ein«, bat er mich so aufgeregt, wie ich ihn bisher noch nie erlebt hatte. Da konnte ich nur zustimmend nicken, denn er ist ein unglaublich toller Mensch und ich möchte ihn nie mehr in meinem Leben missen!

Tom zelebriert unsere Liebe, macht sie jeden Tag besonders und trotz seiner liebevoll-romantischen Ader ist er ein richtiger Mann. Durch ihn weiß ich jetzt, wie es sich anfühlt, sich in einer Beziehung beschützt und sicher, geborgen und geliebt zu fühlen.

Und begehrt ...

Endlich weiß ich, was leidenschaftlicher, lustvoller und schweißtreibender Sex ist! Schritt für Schritt habe ich mich mit Toms Hilfe öffnen können, Finessen entdecken dürfen, die ich so nicht kannte und dabei einiges über mich und meine Bedürfnisse gelernt. Anfangs war mir meine Unerfahrenheit peinlich, aber er hat meine Zweifel mit den Worten »Wenn es dir keiner zeigt, wie sollst du es dann wissen?« einfach beiseite gefegt und unter einem anzüglichen Grinsen und mit funkelnden Augen seine Unterstützung angeboten: »Ich helfe dir gerne. Ganz selbstlos.«

Genau!

Fällt mein Blick zufällig auf seine schönen Hände, zieht sich meine Mitte schmerzhaft-lustvoll zusammen und ich habe ein Kopfkino von Dingen am Laufen, die ich unbedingt gemeinsam mit ihm ausprobieren möchte. Seine galanten, höflichen Umgangsformen lässt mein Liebster im Bett gern außen vor und ich schmelze bei dieser fordernden Dominanz. Nie, wirklich nie, verlasse ich unser Bett, ohne sein Mal zu tragen. Ein Biss hier, ein Knutschfleck dort ... Es ist eben unser Ding und ich finde es prickelnd, diese Zeichen seiner Liebe am nächsten Tag auf meiner Haut zu entdecken und verstecken zu müssen, je nachdem, wo sie sich befinden.

Aber natürlich ist das i-Tüpfelchen, dass sich Max und Tom toll verstehen, sonst wären wir hier gar nicht eingezogen. Seit Buddy, ein süßer, schwarzer Labrador, bei Tom wohnt, ist Max hier fast nicht mehr wegzubekommen. So hatte Tom kurzerhand sein Arbeitszimmer für ihn geräumt und wir ihm nach Absprache mit Arne hier ein neues Zimmer eingerichtet, damit er sein altes Zimmer in dessen Haus behalten kann. Weil sein neuer Schulweg sonst zu lang wäre, wechseln wir uns beim Fahren ab, damit Max nicht die Schule wechseln muss.

Und auch Hilde hilft uns aus, wenn Tom und ich arbeiten müssen oder einfach mal so. Hilde - unsere gute Seele, Nachbarin und zufällige Kupplerin. Obwohl es das laut ihr gar nicht gibt. »Liebe findet ihren Weg«, meint sie. So wie sich Buddy und Sir Henry gefunden haben.

Eines Tages saß dieser wieder einmal vor Toms Wohnungstür und Hilde war nicht zuhause, also nahm er den Kater mit nach oben. Versteckte sich Sir Henry anfangs fauchend vor dem neugierigen, schwanzwedelnden Buddy, lagen sie irgendwann aneinander gekuschelt auf Buddys Hundeplatz. Fast wie Yin und Yang. Pfeffer und Salz. Schwarz und Weiß. Seitdem lebt Sir Henry beinahe in zwei Haushalten und auch Hilde hat Buddy fest in ihr Herz geschlossen.

Meine Tochter Lea hat sich mittlerweile mit meiner Trennung von Arne arrangiert und kommt uns öfter besuchen. Waren Tom und ich anfangs ein großes Thema in ihrer Clique, so sind sie mittlerweile wieder bei den typischen Teenager-Themen angekommen und wir sind keine Kuriosität mehr. Bei den Müttern sieht es zwar anders aus, aber die sind mir herzlich egal.

Ich habe die Arbeit erwähnt. Ja, ich arbeite wieder. In einem Altenheim mit einer halben Stelle, denn ich möchte weiterhin für Max da sein können. An Tagen, an denen ich Frühdienst habe, fährt Tom Max zur Schule und holt ihn auch wieder ab. Ich liebe diese neugewonnene Unabhängigkeit und habe viel Spaß bei meiner Tätigkeit. Nicht zuletzt wegen meines Lieblingskollegen Timo.

Ich bin sehr erleichtert, dass sich meine Mama mittlerweile für uns freuen kann, denn sie merkt, wie gut mir mein Liebster tut. Anfangs war sie doch skeptisch wegen unseres Altersunterschiedes und Toms Arbeit erschien ihr nicht seriös oder geeignet genug, um eine Familie zu ernähren. Auch da hat uns Hilde geholfen, den Weg zu ebnen. Den Rest hat Tom mit seinem höflichen, zuvorkommenden und hilfsbereiten Wesen erreicht.

Aber natürlich gibt es auch Dinge in meinem neuen Leben, die nicht rund laufen.

Toms Mutter ist enttäuscht darüber, dass er sich nicht für Nina entschieden hat und sie bei ihm auf eigene Enkelkinder verzichten muss und Ben geht immer noch auf Abstand zu mir. Das macht mir wirklich zu schaffen, denn ich vermisse meinen Erstgeborenen sehr. Auch Tom möchte er nicht kennenlernen und so hat er uns bisher noch nicht besucht.

Mit meinem Ex Arne läuft es ... sperrig. Wir tauschen uns wegen der Kinder und deren Schulbelangen aus, aber seine Verletzung lässt er mich durch einen gehässigen Umgangston spüren. Auch stichelt er immer wieder gegen Tom und unsere Liebe. Da die Ohren auf Durchzug zu stellen, fällt mir schwer, denn Tom kann nun wirklich nichts für die Fehler, die Arne und ich in unserer Ehe gemacht haben. Aber ich bemühe mich um Fassung, denn ich möchte mich nicht auf sein Niveau herabbegeben.

Richtig hart ist für mich ebenfalls, dass sich meine langjährige Freundin Marion seit meiner Trennung von Arne von mir abgewendet und sich auf seine Seite gestellt hat. Nach Leas Erzählung kommt sie ihn öfter besuchen und die beiden verbringen Zeit miteinander. Natürlich gönne ich Arne ein neues Glück, aber es hat den schalen Beigeschmack, als ob sie nur darauf gewartet hätte, um bei ihm landen zu können – bald zwanzig Jahre lang!

Dafür habe ich mich mit Annika, der Frau von Toms bestem Freund Phil, angefreundet und wir verbringen viel Zeit zusammen, auch zu viert oder fünft, je nachdem, ob Max mitkommt oder nicht. Sie sieht mit ihrem kleinen Babybäuchlein ganz entzückend aus!

Annika hat mir viele Zweifel bezüglich meiner Beziehung zu Tom nehmen können, denn natürlich hatte mein Liebster Frauenbekanntschaften, die wir ab und an treffen. Eifersüchtige, verächtliche Sprüche oder Blicke bleiben da leider nicht aus.

»Nora, er hätte alle diese Frauen haben können und hat nur Augen für dich. Er redet permanent von dir, wenn er nicht gerade wie ein verträumter Schussel in unserer Wohnung sitzt und wieder mal ein Glas fallen lässt. Glaub mir, das ist nicht der Tom, den ich von früher kenne.« Und Annika muss es wissen! Auch ein tonloses »Siehst du!« bei einem Vierer-Date, wenn Tom eine Frau abblitzen lässt, zeigt mir deutlich, was sie meint.

Ja, in meinem neuen Leben läuft noch nicht alles rund, aber als Optimistin freue ich mich über alles, was gut läuft und lasse alles andere auf mich zukommen - und der gute Teil überwiegt. Ich hoffe nur inständig, dass sich die Beziehung zu Ben wieder bessert, aber die Zeit, die mein Sohn braucht, werde ich ihm geben.

Liebe findet ihren Weg 2Where stories live. Discover now