Kapitel 26

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Der Heiler war nicht lange bei Háwena gewesen. Bis auf die kleine Platzwunde am Kopf wurde sie nicht weiter verletzt. Diese hatte er gründlich gesäubert und mit einer Paste bestrichen. Trotzdem hat er noch einmal nach den alten Wunden gesehen, die aber nicht wieder aufgegangen sind. Im Gegenteil. Der Heilungsprozess schritt gut voran.

Als der Heiler gegangen war, nahm die Schildmaid noch ein Bad und machte sich dann für das Abendessen fertig. Zwar zog sie schlichte Kleidung vor, doch heute wollte sie sich etwas mehr zurecht machen. Deswegen zog sie das grüne Kleid mit den silbernen Stickereien an, welches sie damals zur Feier nach der Schlacht von Helms Klamm getragen hatte. Sie bat sogar eine Magd, ihr bei den Haaren zu helfen. Diese flocht ein paar Strähnen ihres blonden Haares und band sie am Hinterkopf zusammen. Das restliche Haar floss in leichten Wellen ihren Rücken hinab.

Zufrieden machte sie sich auf den Weg in den Thronsaal und setzte sich an einen Tisch. Alred und die Gefährten waren bereits anwesend und sogleich begann ein lockeren Gespräch, wobei sich zunächst jeder nach ihrem Befinden erkundete. Besonders Alred war sehr besorgt um sie.

„Mir geht es sehr gut Alred. Macht euch keine Sorgen meine Freunde. So schnell werdet ihr mich schon nicht los." meinte die Schildmaid kichernd.

„Genau!" rief Pippin. „Denn wie wir alle wissen, Unkraut vergeht nicht." Zunächst war Háwena etwas sprachlos über diese Bemerkung, doch verfielen sie alle kurz darauf in Gelächter.

„Ihr spricht wahr, mein Herr Peregrin. Doch würde ich die holde Schildmaid eher mit einer Rose, denn mit Unkraut vergleichen." durchbrach eine tiefe Stimme das leise Gelächter der Anwesenden. Sie alle hatten nicht bemerkt, wie Fürst Imrahil und seine Tochter den Raum betreten hatten. Elegant nahm er gegenüber von Háwena platz und seine Tochter setzte sich an seine Seite. Die Fürstentochter hatte sich heute besonders zurecht gemacht. Ihr Kleid war golden und es schimmerte bei jeder Bewegung im Schein der Fackeln. Das dunkle Haar wurde kunstvoll Hochgesteckt und war mit goldenen Perlenversehen. Sie wirkte wahrlich wie eine Königin.

In Lothìriels Blick konnte Háwena wieder nur Abneigung erkennen, als sie den Blick auf ihre Freunde richtete. Nur Legolas schenkte sie immer mal wieder ein Lächeln oder sprach einige Worte mit ihm.

Auch der Fürst erkundete sich noch einmal nach dem Befinden der Schildmaid und sah ehrlich besorgt aus. Seine Tochter dagegen musterte Háwena nur einmal kurz, rümpfte undamenhaft ihre edle Nase und richtete ihren Blick wieder auf Legolas. Da dieser aber kein Interesse an einem Gespräch mit der Fürstentochter hatte, saß sie bald einfach still neben ihrem Vater.

Bald schon betrat auch Éomer den Thronsaal und setzte sich an die Stirnseite des Tisches.

„Éomer, mir geht es wirklich gut. Wirklich! Mir fehlt nichts." sagte Háwena lachend, nachdem auch dieser besorgt nach ihrem Zustand fragte.

Mit einem Lächeln auf den Lippen betrachtete er die Schildmaid. „Doch sollte sich daran etwas ändern, dann sagt umgehend Bescheid." Dann wandte er sich von Háwena ab und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Fürsten.

„Fürst Imrahil. Noch einmal möchte ich Euch hier willkommen heißen. Es ist mir eine Freude Euch beherbergen zu dürfen. Doch obwohl ich zuwissen glaube, dass ihr aus bestimmten Gründen angereist seid, so bitte ich Euch zunächst um einen Bericht über die heutige Schlacht."

Darauf nickte der Fürst, füllte sich einen Becher mit Wein und nahm einen großzügigen Schluck, ehe er seine Stimme erhob.

„Nun mein König. Ich hatte die Herrin Háwena um einen Ausritt gebeten, um etwas mehr von Eurem schönen Land sehen zu können. Wie ihr wisst bin ich kein Mann, der gerne lange in einer Halle sitzt. Schon immer zog es mich in die Natur. So hatten wir also gerade unsere Pferde gesattelt, als uns die Nachricht eines Orkangriffs ereilte. Es war ein nahegelegenes Dorf, etwa eine Stunde von Edoras entfernt. Nachdem wir unsere Rüstungen angelegt und Herrin Háwena die Krieger zusammengerufen hatte, zog ich neben ihr in die Schlacht. Verzeiht mir mein Verhalten, denn obwohl ich weiß, dass es nicht üblich ist, dass ein Gast mit den Kriegern reitet, so konnte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Unbedingt wollte ich mit eigenen Augen sehen, ob die Geschichten um die Schildmaid Rohans wahr sind. Und in der Tat bin ich sehr beeindruckt von ihrem Können. Damit kein Feind entkommen konnte, haben die Hälfte der Krieger das Dorf umzingelt, während die übrigen das Dorf stürmten. Seite an Seite habe ich mit Herrin Háwena gekämpft und zwei Mal hat sie mein Leben vor dem Tode bewahrt. Mutig und selbstlos hat sie sich auf den Feind gestürzt. Leider wurde sie dabei selbst verletzt. Somit stehe ich tief in ihrer Schuld. Es dauerte nicht lange und der Feind war vernichtet. Glücklicherweise gab es nur einige wenige Verwundete und keine weiteren Verluste." Damit endete der Fürst seinen Bericht. Háwena hatte während der Erzählung verlegen ihren Kopf gesenkt und eine leichte Röte hatte sich auf ihren Wangen gebildet. Sie war noch immer der Meinung, dass sie nur ihre Pflicht erfüllt hat. Erst als sie einen Blick auf sich liegen spürte sah sie wieder auf. Als sie den fragenden Blick Éomers erkannte, nickte sie ihm zu, um die Geschichte des Fürsten zu bestätigen.

„Zwar freut es mich zu hören, dass alle wohlbehalten aus der Schlacht zurückgekehrt sind, doch bitte ich Euch nachdrücklich, Fürst Imrahil, an keinem weiteren Kampf teilzunehmen, sollte es zu einem erneuten Angriff kommen. Denn weder kann ich es verantworten, dass Euch etwas zustößt, noch möchte ich, dass Háwena erneut verletzt wird. Dies geschah in jüngster Vergangenheit schon zu oft." Nun sah er die Schildmaid gleichermaßen besorgt, als auch zärtlich an, worauf ihre Wangen wieder rötlich schimmerten.

„Mein König, ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise." ertönte da plötzlich die Stimme von Lothíriel. Éomer, der scheinbar erst jetzt ihre Anwesenheit bemerkte, runzelte kurz seine Stirn als er sie erblickte. „Als angenehm würde ich die Reise nicht bezeichnen, wenn man bedenkt aus welchem Grund wir diese antraten. Doch gab es keine Vorkommnisse und war sehr ruhig." Jegliche Heiterkeit war aus seinem Gesicht verschwunden und ein Schleier der Trauer legte sich über seine Augen. Auch die anderen am Tisch senkten den Kopf. Die Trauer eines jeden war schon fast greifbar. Vorsichtig legte Háwena ihre Hand auf seine und drückte sie aufmunternd. Sie war überrascht, als er den sanften Druck erwiderte und schenkte ihr ein trauriges Lächeln. Lothíriel, welche nach Éomers Antwort zerknirscht den Kopf eingezogen hatte, betrachtete mit Missbilligung diesen Körperkontakt.

„Nun lasst uns essen und fröhlichere Gespräche führen. Für die Trauer ist Morgen bei der Beisetzung des Königs noch genug Zeit. Es ist Euch doch recht, dass wir die Geschäfte, welche sicherlich der Grund Eures Besuches sind, auf den übernächsten Tag zu verschieben, Fürst Imrahil?"

„Natürlich König Éomer. Wenn es uns erlaubt ist, so würden wir gerne noch eine Zeit lang in Eurem Land verweilen und erst nach Eurer Krönung wieder abreisen. Bis dahin gibt es sicherlich genug Zeit, um über die Geschäfte zu reden." stimmte der Fürst zu.

„Ihr ward schon immer ein gern gesehener Gast, Fürst Imrahil."

Damit begann dann auch, sehr zur Freude Gimlis und der Hobbits, das Abendessen.

Merry, Pippin und Gimli schafften es wieder einmal, dass die anfänglich bedrückte Stimmung schnell verflog. So wurde es noch ein angenehmer und lustiger Abend.

Es war schon spät am Abend, Háwena war müde und ihr Kopf hatte vor geraumer Zeit angefangen unangenehm zu pochen. So erhob sich die Schildmaid, entschuldigte sich und wünschte allen eine angenehme Nacht.

„Wenn du erlaubst bringe ich dich noch zu deinem Gemach. Dann werde auch ich mich zur Ruhe legen. Die Reise war lang und ich freue mich wieder in einem Bett schlafen zu können."

So stand auch Éomer von seinem Stuhl auf und bot Háwena seinen Arm dar. Mit geröteten Wangen nahm sie diesen dankbar an. Zusammen verließen die beiden Krieger die Halle. Den wütenden Blick in ihrem Rücken bemerkte jedoch keiner der Beiden.

Wie das Leben so spielt - Herr der Ringe - Éomer ffWhere stories live. Discover now