Kapitel 48 - Der Stern erlischt

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Ich konnte nicht anders, als zu grinsen.
Aber wie immer wurde dieser schöne Moment ruiniert. Ein Haufen Orks kündigte sich sehr geräuschvoll an.
„Orksöldner! Nicht mehr als hundert!", warnte Kíli neben mir und hob bereits sein Schwert.
„Oh, nein!", kommentierte ich bestimmt. „Du kommst schön mit. Wir müssen hier weg. Jetzt."
„Thorin! Komm mit, bitte!"
Die Situation abschätzend, sah er von Bilbo zu den ankommenden Orks, dann zu mir und Kíli.
„Geht! Ich kümmere mich um alles. Los!"
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
„Verschwindet!"
Keine Zeit mehr zum Widersprechen. Mit Tränen in den Augen schwang ich mich auf den letzten Widder, Kíli fand hinter mir Platz.
Ich musste darauf vertrauen, dass Thorin seinen Bilbo verteidigen würde, und dass das für ihn genügen würde, nicht sterben zu wollen. Aber ich bezweifelte es.

Hektisch trieb ich den Widder an und lenkte ihn den Rabenberg hinunter. Kaum hatten wir die Ebene unter uns erreicht, stürzten wir plötzlich auf den schneebedeckten Boden.
Wir rollten uns ab und ich erkannte einen Pfeil im Hals des Widders.
„Nein, nein, nein", murmelte ich entsetzt.
„Lauf!", rief ich panisch und rannte schonmal los. Aber ich bemerkte, dass niemand mir folgte.
Ich drehte mich wieder um, und das Bild, das sich mir bot, war der Anfang meiner ganz persönlichen Hölle.
Da stand Kíli wie angewurzelt, steif vor Entsetzen. Aus einem der dunklen Ruinengänge trat ein grässlicher Ork, mehr als doppelt so groß wie wir. Bolg hatte uns gefunden.
Er schritt langsam auf uns zu, die spitze Keule in der Hand, ein blutdürstiges Grinsen im Gesicht.
Reflexartig sprang ich nach vorn und schob mich zwischen die beiden. Bereit, für Kíli zu sterben, hob ich mein Schwert.
Als wäre ich nur ein nervendes Blatt im Wind, schleuderte der Riese mich gegen eine Treppe.
Verschwommen sah ich, wie Bolg sich gefährlich ruhig meiner Sonne näherte.
Zumindest war Kíli endlich aus seiner Starre erwacht und hob sein Schwert.
Nein.
Trotz all dem Schmerz, der sich in meinem Körper verteilte, packte ich Dagnir fester und rappelte mich auf. Von der Treppe aus sprang ich auf Bolgs Rücken und hielt ihm meine Klinge an die Kehle.
Wieder erfolglos; er packte mich mit der freien Hand und schleuderte mich vor sich, sodass ich quer auf Kíli landete und ihn mit mir zu Boden warf.
Vor Schmerz stöhnend rappelten wir uns auf. Noch immer näherte sich der Orkgeneral nur langsam.
Beruhigend griff Kíli meine Hand und sah mir tief in die Augen. „Zusammen. Vielleicht haben sie für uns beide geleuchtet."
Überrascht sah ich auf und blinzelte eine Träne aus meinen Augenwinkeln. „Zusammen."
Damit konnte ich leben. Naja, leben würde ich nicht, aber zumindest musste dann niemand von uns für immer allein und depressiv zurückbleiben.
Wir stützten uns gegenseitig, um aufzustehen. Mit letzter Kraft erhoben wir gemeinsam unsere Schwerter. Wenn wir schon sterben mussten, würden wir zumindest einen würdigen letzten Kampf liefern und den Abschaum mit uns in den Tod reißen.
Bolg streckte erneut seine Hand aus, um mich aus dem Weg zu schaffen. Diesmal war ich schlau genug, die Spitze meines Schwertes durch seine Handfläche zu bohren. Er schrie auf vor Schmerz, was aber nicht von Dauer war. Er umklammerte maschinenhaft die Klinge, zog sie mir mit roher Gewalt aus der Hand und warf sie einige Meter hinter sich. Jetzt hatte ich keine Waffe mehr.
Beschützend hielt Kíli seinen Arm vor mich und trat hervor, sein Schwert kunstvoll in der Hand drehend.
Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, dass wir beide mit dem Leuchten gemeint waren. Wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, Kíli vor dem Tod zu bewahren, musste ich sie nutzen.
So sprang ich, unbewaffnet und blind vor Liebe, in die Arme des Riesen. Er knurrte, aber mein Gewicht war genug, um ihn zurückzuwerfen. Jetzt wurde er wütend.
Ein grässlicher Schmerz zog sich plötzlich durch meinen Nacken. Hatte Bolg mich gerade ernsthaft gebissen wie ein Vampir?!
Ich bemerkte den Blutverlust sofort, und mir wurde schwindelig.
Ich vernahm wütendes Gebrüll von Kíli hinter mir, konnte im Augenblick aber nicht verstehen, was er sagte.
Meine Arme ließen nach und ich fiel kraftlos vor dem Monster zu Boden.
Verschwommen sah ich, wie Kíli frontal zum Angriff ansetzte. Ich wollte schreien und ihn zurückrufen, aber meine Stimme versagte.
Endlich schaffte ich es, meine Hand zu der Wunde zu führen. Ich spürte warmes Blut heraus quellen, und es erinnerte mich an die Wasserquelle an der Spitze des Erebor. Blutverlust machte wohl wirklich wirre Gedanken.

Das Geräusch von Kílis Ringen nach Atem brachte mich zurück in die Wirklichkeit. Adrenalin setzte wieder ein, und ich konnte klarer denken.
Zu spät.
Mit gewaltiger Kraft schlug Bolg seinem Opfer die Faust ins Gesicht und hielt ihn übers Knie gelegt im Arm. Die blutende Hand auf seinem Brustkorb, die andere die Keule hebend.
Endlich fiel mir mein drittes Küchenmesser wieder ein. Ich tadelte mich endlos, dass ich nicht früher daran gedacht hatte.
Hektisch tastete ich an meinem Bein herunter, winkelte es an und kam endlich zu meinem Stiefel. Ich griff nach dem Messer, zog es in einer flüssigen Bewegung heraus und warf es, ohne viel nachzudenken.
Mein Atem stockte, und mein Puls setzte kurz aus.
Mein Messer landete zwischen Bolgs Augen, und er sackte zusammen. Aber nicht, bevor er mit dem spitzen Ende seiner Keule den Brustkorb meiner anderen Seele durchbohrt hatte.

*

Als ich mich mühselig aufrappelte und zu den Körpern am Boden humpelte, hörte ich Kíli noch schwach atmen.
Mein ganzes Gesicht war längst voller Tränen, und ich presste verzweifelt meine Hand auf seine klaffende Wunde.
„Amrâ... limê", röchelte er unter schwerer Anstrengung.
„Shh", weinte ich. „Alles gut. Alles wird gut, wir kriegen das hin." Die Verzweiflung in meiner Stimme hätte jedem Zeugen das Herz gebrochen.
„Bleib wach, okay? Bleib schön bei mir. Das wird schon..."
„Hör mir zu", krächzte er.
Wild schüttelte ich meinen Kopf und die ersten Tränen landeten schon auf seiner Rüstung.
„Wir... haben nicht viel Zeit. Hör... zu.."
Verzweifelt griff ich nach seinen Händen und umklammerte sie, küsste sie. Als würde ihn das zurückbringen.
„Meine Liebe, mein Mond und meine Sterne...", begann er schwer atmend. „Tut mir leid, dass.. es so endet.. Ich hätte die Ewigkeit mit dir verbracht... Aber den Kampf mit dem Schicksal kann man.. nicht gewinnen.. Ich liebe dich mehr, als je jemand auf dieser Welt jemanden geliebt hat. Wir sind für die Ewigkeit... Aber.. ich möchte nicht, dass dein Herz und deine Seele für immer.. f-für immer leiden. Solange die Sonne scheint,.. wache ich über dich. Erinner dich daran... Für die Ewigkeit..."
Ich schluchzte laut: „Bleib wach... bleib.. bleib wach..."
Keine Antwort.

Als ich realisierte, dass seine warmen braunen Augen ins Leere starrten, wurden es so viele Tränen und Schluchzer, dass ich nur noch verschwommen sah.
Hoffnungslos griff ich in meine Rüstung, wo ich auf Herzhöhe den Runenstein verstaut hatte.
Mit zittrigen Händen legte ich ihn in Kílis Hand und presste diese an meine Wange, küsste sie und heulte noch mehr.
„Komm zurück", bettelte ich. „Komm zu mir zurück..."
Zwar waren dieselben Worte auf den Runenstein graviert, aber das verlieh ihm noch lange keine Magie.
Endlich gab ich auf und ließ mich nach vorne auf seinen Körper fallen. Dann entfuhr mir ein markerschütternder Schrei. Dann der nächste, und noch einige mehr.
Meine Sonne hatte mich verlassen und ihren Stern mitgenommen. Zurück blieb nur noch der Mond, der ohne das Licht seiner Sonne nicht scheinen konnte.
Heiser, verheult und immer noch gefährlich viel Blut verlierend, wurde mir endlich schwarz vor Augen.






*






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(Bearbeitet: 21.03.2023)

~ 💀👑

Mittelerde... Ernsthaft?! //Hobbit ff Where stories live. Discover now