Kapitel 5.2 - Kapt. J. Hook

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Auf Hooks Anweisung tauchten seine Männer die Ruder langsam ins Wasser, möglichst sanft und in glatten Bewegungen um alle unnötig lauten Geräusche zu vermeiden. Es war spät geworden, die Nacht hatte Einzug in Neverland gehalten und ihre Schleppe aus Finsternis und Sternen über der Insel ausgebreitet. Mondlicht spitzte manchmal hinter den gräulichen Wolkenbanken hervor und streichelte über den weißen Sand der Cannibal Cove, sodass der Sand nun nicht mehr rötlich, sondern in einem gespenstischen Weis schimmerte. Es sah aus als hätte jemand flüssiges Perlmutt an den Rand der Küste gestrichen, doch sobald der Mond wieder verdeckt wurde nahm jeder Schatten den gleichen grauen oder schwarzen Farbton an. Mit dem Nebel verwischte alles zu einem undurchsichtigen Gemisch, unmöglich zu erkennen was sich in einigen Metern Entfernung zum Boot befand.


James hielt die Augen offen, suchte ihre Umgebung nach den üblichen Auffälligkeiten ab. Der Schimmer nassen Haares, schuppige Körper die sich im Nebel zeigten, ein Paar glühender Augen vielleicht? Oder doch das unvermittelt süße Zirpen einer unwiderstehlichen Stimme? Ah - hier draußen konnte alles tödlich sein, jede falsche Bewegung zog Aufmerksamkeit auf sie und es reichte das Gewicht der Beiboote im Wasser, dass jedes Tier im Umkreis mehrerer hundert Meter ihre Anwesenheit spürte.


Hook setzte sich nicht wie die anderen Männer ins Boot, sondern stütze seinen Fuß auf dem vorderen Spitz ab. Von dort hatte er einen einigermaßen guten Blick auf die Umgebung und könnte zumindest teilweise einen Angriff frühzeitig erkennen. Hin und wieder meinte er das leise Lachen eines Kindes irgendwo in der Ferne zu hören, suchte die Richtung nach kleinen fliegenden oder vielleicht sogar schwimmenden Gestalten ab.
Wer wusste schon ob die Neulinge dumm genug waren zu dieser Stunde (oder überhaupt) zum Schiff zu schwimmen. Doch immer, wenn er den Blick in die entsprechende Richtung wandte, war das Geräusch wieder verschwunden. Hier und da wurde der Nebel dünner, zerfressen von Mondlicht wie ein böser Geist - gereinigt durch das strahlende Weiß. Wo die Meerjungfrauen wie Todesengel ihre Flossen auf dünnen Kliffen räkelten, gespickt von glänzenden Schuppen wie flüssiges Silber und überzogen mit winzigen blauen und silbrig grünen Schattierungen. Sie waren wunderschön. Viele Männer versuchten sich stets den widernatürlichen Schuppenschwanz dieser Kreaturen in Erinnerung zu rufen, sich mit aller Macht von den atemberaubenden Gesichtern abzulenken. Auch wenn James sie darin bestärkte, ihnen immer wieder ins Gedächtnis rief, dass Meerweiber keine Frauen waren - sondern noch immer ein Fisch, eine Kreatur der nassen Gräber so vieler Seemänner - so konnte er ihnen eine gewisse Faszination nicht absprechen. Die Meerjungfrauen waren klug, wild und von so unglaublicher Schönheit, dass wohl kein Mann der in die großen Augen sah, ihnen nicht verfallen war.


Und der Captain hatte seinen Respekt vor ihnen - nicht zuletzt, weil sie sich mit ihm und dem Schiff solidarisch zeigten. Eine unausgesprochene Übereinkunft, von der niemand mehr wusste wie sie zustande gekommen war. Vielleicht hatten beide Seiten auch einfach irgendwann bemerkt, dass sie einander nützlich waren ohne es zu beabsichtigen? Denn mit jedem Mann, der in den finsteren Verliesen des Skull Rock, einer riesigen Felsformation die äußerlich tatsächlich Ähnlichkeit mit dem menschlichen Schädel aufwies, ertrank, diente anschließend den Krokodilen als Futter. So hielten sich diese Biester fern von den schillernden Gärten der Meerjungfrauen, die viele Meilen unter der Wasseroberfläche angeblich existieren sollten. James hatte sie noch nie erblickt, wie vermutlich niemand auf der Insel, doch manchmal waberte an besonders windstillen, sonnigen Tagen ein buntes Funkeln um das blutige Riff vor der Meerjungfrauenlagune. Fast so als könnte die Sonne mit ihren langen Fingern ins Wasser greifen und den Schimmer der abertausend vielfarbigen Korallen heraufholen. In diese Gewässer traute sich kein Fischer mehr, höchstens noch Schiffe von Red Dagger, die Waren aus der Seestadt zu Blackbeards Minen brachten, segelten am Eingang zur Lagune vorbei. Doch selbst sie waren stets darauf bedacht, außerhalb der Reichweite dieser glänzenden Riffe (die ihren Namen nicht umsonst trugen), zu bleiben.

A Neverland Tale - HOOKED (de)Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang