Kapitel 2.5 - Fiona

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Feuer

Ihre Lungen fühlten sich an wie Feuer, ein stechendes Brennen, geschürt von rauem Salz und... einem harten Untergrund. Fiona spürte ihre Handflächen, Wangen, Knie... alles brannte. Als sie versuchte nach Luft zu schnappen, drängte sich eine salzige Flüssigkeit in ihre Kehle. Wasser rollte über den kleinen Körper hinweg, drückte ihn tiefer in... Sand? 

Fiona stemmte sich gegen den Grund und tatsächlich sank sie ein paar Zentimeter ein. Das Stechen in den Händen und Knien wurde schlimmer, doch im Moment nahm sie es kaum wahr. Luft


Mit einer ruckartigen Bewegung fuhr die Kraft zurück in ihre Glieder, Fiona schaffte es sich abzustützen. Endlich durchbrach sie die Wasseroberfläche, hustete und spuckte Salzwasser. Ihr war übel, als hätte sie ein ganzes Meer ausgetrunken und doch keinen Tropfen Flüssigkeit zu sich genommen. Während sie versuchte den Rest ihrer Sinne zu konzentrieren, gegen stechende Kopfschmerzen und eine lähmende Erschöpfung anzukommen blinzelte sie gegen Salzwasser und nasses Haar an. Es war dunkel um sie herum... zumindest glaubte Fiona das. 


Mühevoll zog sie sich an Land, spürte etwas Schweres um ihren Körper. Das Gewicht von vollgesogenem Stoff und die drückende Enge in der Brust, weil etwas ihren Oberkörper in der unnachgiebigen Umarmung fester, biegsamer Holzstäbe hielt. Ein Korsett. Das Wort sickerte wie Honig in ihren Verstand, langsam und zähflüssig sodass sie es kaum greifen konnte. Als sie versuchte sich darauf zu konzentrieren versank ein Teil der Welt wieder in Dunkelheit. Es war so schwer dagegen anzukämpfen, die Schmerzen herunterzubeißen und weiter zu kriechen bis kalter, feiner Sand die nass Haut und Kleidung zu verkleben begann. Sie fühlte sich erwürgt und ins Leben zurückgeschickt. 


Aber warum? Was... was... 


Fiona schaffte es nicht eine Frage zu bilden, auf die sie sich hätte konzentrieren können. Ihr Verstand kam einem zerschnittenen Spinnennetz gleich. Jeder Faden endete irgendwo im Dunkel, kein zusammenhängender Gedanke wollte ihr helfen zu verstehen...


Als endlich keine Wellen mehr gegen ihre Füße stießen, sackte sie einfach zusammen und blieb schwer atmend liegen. Es dauerte keine Minute, da steigerte sich die Übelkeit ins Unermessliche und Fiona stütze sie auf die Ellbogen um einen weiteren Schwall Salzwasser zu erbrechen. Das Brennen in der Kehle wurde dadurch noch schlimmer, aber wenigstens schaffte sie es danach einen vernünftigen Atemzug zu tun. Völlig entkräftet kippte sie zur Seite, rollte sich zitternd weg und versuchte zwar nach oben zu kommen, doch als die ersten Sandkörner sich in ihre wunden Handflächen bohrten gab Fiona nach.


Ein bitterer Geschmack hatte sich auf ihrer Zunge ausgebreitet, während sie gegen das Gefühl in ihrem Magen ankämpfte. Zitternd krümmte Fiona sich auf dem kalten Sand zusammen, ihre Lider flatterten als sie versuchte die Augen zu öffnen. Alles war dunkel, die rauschenden Wellen überlagerten jedes andere Geräusch und... sie war mutterseelenallein. Warum war es dunkel? Nacht... es ist Nacht.
Dass sie es wusste, beruhigte Fiona nicht im Mindesten. Ein Meer... warum ein Meer? Warum Strände? Warum war sie fast ertrunken? Ein Bild von gleisendem Sonnenlicht spitze zwischen die Verzweiflung, doch danach brach alles ab. Jetzt hüllte beinah vollkommende Dunkelheit sie ein, nur durchbrochen von den zarten Strahlen eines befremdlichen Mondes. War er größer? Hatte sie ihn überhaupt schon einmal gesehen?


Langsam vergiftete die Panik ihre erschöpften Glieder, ohne das Fiona hätte sagen können warum. Etwas stimmte nicht, das spürte sie. Aber was? Was verdammt nochmal war es? Zu viele Gedanken rasten gleichzeitig in ihrem Kopf umher, sie konnte nicht mehr sagen welche falsch, unwichtig, richtig oder von Bedeutung waren.


Wie unterscheidet man Realität und Traum? 


Gar nicht... nicht jetzt. Fiona. Das war ihr kleines bisschen Sicherheit, es konnte nicht falsch sein. 


Mein Name ist Fiona. 


Die trockenen Lippen zogen sich etwas auseinander, doch als ihre Mundwinkel die Kratzer auf den Wangen bewegten verblasste es sofort wieder. Schmerz pulsierte durch ihr Gesicht wie eine glühende Woge, doch ihr wurde nicht wärmer. Alles war kalt und nass, ihr Kleid hatte sich klamm um den Körper geschlungen als wollte es sie erdrücken. Zu schwer um aufzustehen. Fiona bewegte sich, versuchte noch einmal aufzustehen. Ein heftiges Zittern, teils vor Kälte und teils aus Erschöpfung ließ ihre Arme einknicken und unter der Last ihres Körpers zurück in den Sand sinken. Die entsetzliche Kälte fraß sich immer tiefer durch Kleidung, Haut und Fleisch bis in die Knochen. Fiona wusste nicht wo sie war, es gab keine Erinnerung an der sie sich festhalten konnte. Eiskalte Nachtluft strich über sie hinweg, schloss die müden Augen und ließ sie in einen gefährlichen Dämmerzustand sinken. Fiona war so erschöpft... so maßlos erschöpft. Es war eiskalt und trotzdem spürte sie jedes Sandkorn in den Schrammen auf Gesicht, Händen und Knien.


Plötzlich war da ein Geräusch. Es erhob sich über die rollenden Wellen, den kalten Nachtwind. Ein dunkler, rauer Ton und gleichzeitig hatte er etwas Angenehmes. In einem anderen Zustand hätte sie sich vielleicht über die Aussicht auf Rettung gefreut, jemanden der ihr helfen konnte. Gerade schaffte sie es kaum die Augen zu öffnen und der Dunkelheit entgegen zu blinzeln. Etwas hatte sich verändert. Die Schwärze um sie herum war nicht mehr vollkommen, sondern durchbrochen von winzigen Lichtflecken. Waren das... Fackeln? 


Die wenigen Punkte waren klein und spendeten kaum genug Licht um zu erkennen, wer gesprochen hatte. Eine Silhouette, nahe bei ihr und doch zu weit weg um mehr zu erkennen als den bloßen Schemen. Langsam drehte sie den Kopf, versuchte die Gestalt anzusehen. Es musste ein Mann sein, denn für eine Frau waren die Schultern zu breit. Hilfe... es war endlich jemand hier, der ihr helfen würde. Mit dem letzten Rest Entschlossenheit und Überlebenswillen stemmte sie sich hoch. Sie wollte etwas sagen... doch als die Lippen sich teilten, schaffte es nur ein jämmerliches Krächzen heraus. Statt ein paar vernünftigen Worten musste sie husten und krümmte sich unter dem Brennen ihrer Kehle. 


Als es endlich besser wurde, versuchte sie wieder die Gestalt zu fixieren. In einer wagen Geste wischte sie ein paar Strähnen von der Stirn, spürte dabei den kalten Schweiß der als Zeugnis von Erschöpfung und Anstrengung kleine Perlen darüber streute. Als sie gerade hoffte neu ansetzten zu können, sprang etwas in Fionas Blickfeld wie ein bissiger Hund. Mondlicht brach sich auf einer Klinge, gleißend blitze ihr das Licht für einen Augenblick entgegen und offenbarte kalten Stahl. Erschrocken zuckte sie zusammen, versuchte auf die Beine zu kommen und verhedderte sich in den feuchten Lagen Stoff. Mit einem dumpfen Geräusch landete Fiona wieder im Sand.


 „W-Wer seid ihr?", war alles was ihr in diesem Moment einfiel und mehr brachte sie nicht hervor.


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A Neverland Tale - HOOKED (de)Where stories live. Discover now