Kapitel 2.4 - Filou

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Diese Welt die nun zu verlöschen drohte, war auch sein Zuhause. Und das Gleichgewicht wankte mehr denje. Piraten, Verlorene Jungen und Indianer starben, alterten und... ihnen fehlte die Zeit damit neue heranreiften. Ein Leben gewann an Wert - und wenn es endete, verlosch ein Stern am Himmel Neverlands. Umso wichtiger war es, dass sie bestanden und nicht wankten... jeder kämpfte um seinen Platz in dieser Welt!


Sie ruderten vorsichtig, bedächtig und langsam, um die Krokodile nicht aufzuwühlen und sich als Beute attraktiv zu machen. Sand rieselte um die ledernen Stiefel aus dunkelbraunem Rindsleder, die lange nicht mehr neu aber immer noch gut in Schuss waren. Schnallen schlossen über der Schnürung, die bis zur Mitte seiner Schienbeine reichten und teilweise abgewetzte Stellen kaschieren mochten.
Beinahe lautlos sank der Sand unter seinen Füßen ein, nachdem der Matrose in das hüfthohe Wasser gesprungen und das Beiboot weit genug an Land gezogen hatte, damit der Maat ohne nasse Füße an Land gehen konnte. Er rieb sich den angespannten Nacken, während er dem Beiboot nachblickte, dass gerade unter spärlichem Licht über die Gewässer wankte.


Kopfschüttelnd wandte Filou schließlich den Blick von dem kleinen Kahn ab, das den Weg über das Meer zurück zum Schiff suchte, ehe er seine Schritte abseits lenkte. Ihm folgten weitere Piraten auf dem Fuße wie stille Schatten. Seit Smee vor einigen Jahren beschlossen hatte, nicht länger dem blutigen Schlachten an Land teilzuhaben, stattdessen auf das Schiff acht zu geben und daher in die Kombüse als Smutje wechselte, hatte Filou seine Stelle als erster Maat an Hooks Seite eingenommen. Seine rechte Hand- und in gewisser Weise vermutlich das, was einem Freund am nächsten kam. Das schenkte ihm gewisse Privilegien und Handlungsfreiheiten. Die Piraten unter seinem Kommando hinterfragten nicht, wohin er ging oder was er vorhatte. Schon lange nicht mehr. Selbst hätten sie ihn gefragt, er hätte den seltsamen Drang, der ihn dorthin zog wo seine Schritte ihn führten, gar nicht definieren können.


Er folgte manchmal still einem Gefühl, dass noch immer aus den vergessenen Zeiten in seiner Seele wohnte, als er noch ein Mitglied der Pachama und enger mit der Welt verbunden gewesen war. Wenn man einmal auf diese Art mit der Welt verwoben war, konnte man die Fäden niemals vollkommen lösen. Selbst wenn er den Herzschlag der Insel nicht mehr unter den blanken Fußsohlen spüren oder die wabernde Gestalt des Windes nicht mehr zu erkennen vermochte, ruhte ein alter Instinkt weiter in seinem Innern. Ein Gespür für das sachte Zupfen des Schicksals an unsichtbaren Fäden. Bisher... hatte es sich niemals als falsch bewiesen. 


Entsprechend setzte er einen Fuß vor den anderen, wo seine Stiefel in dem weichen Sand versanken, gespickt von Muscheln und kleinen weißen Körpern, von denen die langjährigen Bewohner Neverlands wussten, was sie waren: die geschliffenen Knochen der Toten, die von den Meereskreaturen zurückgelassen und von Flüssen sowie dem Meer hier angespült wurden. Dort lagen sie im weißen Sand und verliehen diesem auf ihre unscheinbare Art eine makabre Schönheit stiller Mahnungen, die ungehört und ungesehen blieben.


Die Wellen verschlangen die Geräusche, selbst jene des Waldes wie ein Bollwerk, dass dort dicht an dicht stand. Sie rollten tosend vorwärts, um sich dann gurgelnd zurück zu ziehen - in einem ganz eigenen und schnell an Gefahr unterschätzten Rhythmus, denn das Meer konnte in all seiner Schönheit hier durchaus tückisch sein.
Das dunkle Glutrot seines Rehrockes flatterte leicht in einer aufziehenden Briese des Windes, wehte das tintenschwarze Tuch mit den Verzierungen des edlen Stoffes, wie eine eigene Flagge empor. Rot und schwarz, die Farben die er als erster Maat und Getreuer Hooks mit Stolz trug und womit er sich gegen den Rest der Mannschaft abhob, die typisch den meisten Seemännern schlichte Leder oder Leinenkleidung trugen. 

A Neverland Tale - HOOKED (de)Where stories live. Discover now