Kapitel 2.1 - Fiona

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Die polierten Dielen des Fußbodens glänzten. Teures Parkett, winzige Holzstückchen dicht an dicht und mit teuren Ölen stets geschmeidig gehalten. Fionas Blick bohrte sich hinein, beinah so als könnte sie zwischen den winzigen Ritzen der Dielen verschwinden, wenn sie nur lange genug darauf starrte. 


„Was gibt es da unten zu sehen?" Die Stimme war hart, nicht im Mindesten gezeichnet von ernsthaftem Interesse. Ganz langsam hob Fiona den Kopf, zwang sich ihren Blick vom Boden loszureißen und... auf ihren Vater zu lenken. In den mattbraunen Augen lag Zorn, gemischt mit einer Verzweiflung die sie in den letzten Wochen immer öfter an ihm gesehen hatte. Ein trüber Klecks Bitterkeit, der seine Mine verzog und ihm jeden Funken natürlicher Autorität nahm. Normalerweise besaß ihr Vater die Ausstrahlung eines hochgewachsenen Baumes, imposant und respekteinflößend. Jemand, dem man Gefallen wollte, vor dem man Respekt hatte und... ja, manche aufstrebenden Geschäftsleute mochten sich sogar wünschen so zu sein wie er. 


Charles Blackfeuver hatte Durchsetzungsvermögen, Geschäftssinn und stets ein gutes Gespür für den richtigen Zeitpunkt um etwas zu verkaufen. Noch vor wenigen Monaten hatte in diesen braunen Augen stets ein gewitzter Ausdruck gesessen, der mit dem Betrachter spielte und selbst in strenge Worte noch eine Prise leichten Amüsements legte. Jetzt... Fiona erkannte ihn kaum wieder.
Von der ehemaligen Wärme, der Liebe für seine Familie war nichts übriggeblieben. Doch konnte sie es ihm zum Vorwurf machen? War nicht an allem jemand anders Schuld? Fiona senkte den Blick nicht noch einmal, sondern begegnete seinem hitzigen Ausbruch mit fest aufeinander gepressten Lippen. Wenn sie ihn ansah, wusste sie so genau was fehlte... Armanda.

 
Armanda Blackfeuver, ihre Mutter, die Frau seines und ihres Lebens. Nicht nur ihr weiblicher Schliff hatte das Haus verlassen, genauso ihr Lachen, ihre Ruhe... der Gegenpol zu einem ehrgeizigen, ambitionierten Mann. Fiona hatte sich in den letzten Monaten oft gefragt was ihr lieber gewesen wäre. Eine tote Mutter, oder eine die sie im Stich gelassen hatte? Zu oft war sie gefragt worden, ob Armanda gestorben sei... und zu oft musste sie die Geschichte wieder und wieder erzählen. Von ihrer Mutter, die sich entschieden hatte die Familie zu verlassen. Ha, wie schön war doch die Umschreibung, wie bitter die Wahrheit. 


Ein anderer Mann hatte ihrer Mutter erst schöne Augen gemacht, bis er sie schließlich vollends in die Überzeugung wickelte, ihr ein besseres Leben zu verschaffen. Mehr Freiheit, ein höherer Stand, das Leben als Countess... und es lockte sie so sehr, dass Armanda nicht widerstehen konnte. Fiona wollte nicht wahrhaben, dass ihr eine verstorbene Mutter lieber gewesen wäre. Eine, um die sie trauern konnte und deren Geist sie nie verlassen würde. Stattdessen ließ ihre Mutter sie hassen, war nicht länger das Herz und die Seele der Familie, sondern riss ein Loch in ihr Leben. Fiona hasste sie so sehr... und gleichzeitig versuchte sie noch immer zu verstehen. Warum... warum nur wolltest du so sehr ein anderes Leben?


Ein bitterer Geschmack strich über ihre Zunge, drückte Fiona die Übelkeit in den Magen, weil sie – je länger Armanda sie verlassen hatte – immer mehr begriff, was es bedeutete sein Leben zu hassen. Nächtelang lag sie wach, war erschöpft und konnte doch kein Auge zu tun. Etwas ließ sie nicht schlafen, verwehrte ihr die Ruhe die ihr Geist brauchte. Dann war da noch ihr Vater, der sie bei jeder Gelegenheit daran erinnerte, wie sehr sie ihm zur Last viel... mit ihrer bloßen Anwesenheit. Fiona wusste, dass er sie nicht mehr als seine Tochter, sein Fleisch und Blut sah. Eine Tochter ohne die Ehefrau dazu... was war das schon? Keine intakte Familie, keine Musterschülerin, keine Dame die er vorzeigen konnte wie eine besonders schöne Teetasse. 


An Fiona war nichts genügend, nichts so wie es die Lehrer und hohen Damen um sie herum wollten. Die Gesellschaften zu denen sie geladen wurde langweilten die junge Dame noch mehr als ihr Unterricht, ein paar Bälle und Abendveranstaltungen auf die ihr Vater sie manchmal noch mitnahm, waren alles was Fionas Leben noch kleine Lichtflecken verlieh. Der Rest fühlte sich... falsch an. Je mehr Zeit verstrich, desto sicherer wurde sie sich, dass ihr nicht mehr lange blieb bis ihr Vater die Anstandsdame, Miss Gallway, beauftragen würde Fiona vorzubereiten. Nachdem sie keine Mutter mehr hatte, deren Aufgabe dies eigentlich gewesen wäre, übernahm die Hausdame solche Tätigkeiten. Fiona graute allein bei der Vorstellung. Zu heiraten schien keiner der Damen aus ihrem Umfeld etwas auszumachen, die Meisten waren regelrecht euphorisch und beneideten Fiona um ihren Verlobten. Nun... vielleicht auch deshalb, weil sie ihn länger als ein paar Wochen kannte. Und tief in ihrem Herzen wusste sie selbst, dass es ein großes Glück war jemandem versprochen zu sein den sie mochte und der sie zumindest bisher nicht vor Einschränkungen stellte. Doch so bald zu heiraten erschien ihr seltsam.

A Neverland Tale - HOOKED (de)Where stories live. Discover now