Kapitel 2.10 - Filou

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Seine Augen durchbohrten die Finsternis. Er spürte den feuchten, kühlen Nebel der die Stimmen mit sich trug. Geisterhafte Schemen, die ihm das warnende Gefühl kalten Eises in die Glieder trieben.
Hatte er etwas gehört? „Schh..." raunte er ihr zu und blieb ruckartig stehen. Seine Augen spähten über das Meer, in die Wellen die nur hier und da schimmerten, weil das Mondlicht durch den Nebel drang... und da war etwas im Wasser.


„Los, sofort zum Schiff!" Gebot er den anderen und schritt zügig weiter. Er war sich nicht sicher- doch er glaubte, dort im seichten Wasser der Wellen blondes Haar und das Licht gesehen zu haben, dass sich in den schimmernden Schuppen einer Flosse brach. Augen die wie Rubine in der Dunkelheit glühten- der Abgrund der leibhaftigen Hölle mit der Stimme eines Engels! Ein tödlicher Engel, wenn sie erst gezwungen wären, den Gesängen zu lauschen und sich noch in dieser Nähe zum Wasser befanden- ungeschützt von den Lichtern der Jolly Roger.


Er spürte das Zittern der Frau in seinen Armen. Wie war sie nur hier hergekommen? Peter Pan hatte sie ganz sicher nicht hergebracht. Seit diesem Mädchen... Wendy... hatte Peter diesen Fehler nicht noch einmal gemacht. Er brachte Jungen her. Burschen, die ihn bewunderten und die für ihn starben. Mädchen... sie waren zu clever. Zu Clever für Pan, zu Clever für die Piraten – und sogar zu Clever, den süßen Worten von Feen zu glauben.
Sie vergaßen nicht so leicht wie all die anderen und ihr Herz hing immer mit einem unzertrennbaren Faden in der anderen Welt. Es ließ sie niemals ganz los und so waren sie doch immer eine Seele, zerrissen und niemals GANZ.


Aber wie war sie sonst an diesen Ort gekommen? Manchmal kamen Schiffe hier her. Strandeten an dem Riff von Neverland und liefen dort auf Land, nur damit sie auf ewig in Neverland gefangen blieben. Oder Blackbeard schleppte Jungen aus der anderen Welt an, ließ sie in den Mienen schuften, bis sie ihm lästig oder hörig wurden. Soweit er jedoch wusste, waren die Schiffe von Blackbeard auch nicht mehr fähig, die Grenze zu überschreiten. Nicht nur, weil es keinen Stern mehr gab der sie zurückleiten konnte, sondern auch, weil ihm längst die Masse an Feenstaub fehlte, um seine Schiffe und den 'Sprung' anzutreiben. Blackbeard selbst hatte außerdem bereits seine Liebste einst an die Feen verloren... nein, auch sein Herz war inzwischen zu verwelkt, um sich einer neuen Blume zuzuwenden.



Neverland selbst war äußerst penibel in seiner Wahl, wenn es mal jemanden durch die Nebel zerrte. Aber eine Frau? Warum sollte Neverland ausgerechnet jetzt, wo es zu zerfallen drohte, eine Frau herbringen? Es brauchte Stärke... und Frauen waren fragil, zerbrechlich, sie starben zu schnell.


Seine Stirn zog sich in Falten, während sein Herz in seiner Brust schmerzlich ausschlug. Ein seltsames Gefühl, das in seine Glieder sickerte und dort zurückblieb, während er die weichen Züge studierte- als könnte er darin die Antwort finden. Vermutlich konnte nur sie die Fragen beantworten... jene, die nicht nur ihn, sondern zweifellos auch den Kapitän der Piraten brennend interessieren würden: gab es einen anderen Weg durch die Nebel, hinaus in die andere Welt?


Sein Blick glitt über den zarten Schwung dieser Nase, die nassen Wellen des braunen Haares, das in ihrer Stirn klebte wie Kaskaden aus flüssigem Holz. Die geröteten Wangen, die vollen Lippen... und für eine Sekunde verharrte er dort, ehe er seinen Blick wieder fortriss. Verdammt, was war los mit ihm? Er benahm sich wie einer dieser Narren! Ein wenig härter wurde der Zug um seine Lippen. Diese Frau sah so hilflos aus, schutzbedürftig, dass es in seinem Innern den Beschützerinstinkt wachrief, den er bereits seit langsam verloren glaubte. Er musste es unterbinden, die Tür zuschlagen und hundertfach vernageln. In dieser Welt gab es dafür keinen Platz!

A Neverland Tale - HOOKED (de)Onde histórias criam vida. Descubra agora