Kapitel 2.3 - Fiona

30 17 0
                                    

Ihre Füße trugen sie durch das erste Stockwerk ins Erdgeschoss, vorbei an dem leerstehenden Damensalon, dessen schicke Möbel jetzt mit großen Leinentüchern abgedeckt waren. In Richtung der Treppe zur geräumigen Küche des Herrenhauses eilte sie weiter, ignorierte die polternden Schritte auf den Holzstufen über sich und versuchte kein Geräusch zu machen. Sie war deutlich leiser als ihr Vater und wahrscheinlich folgte er ihr ohnehin nicht in das Dienstbotengeschoss, so weit würde er sich nicht herablassen, nur für eine Ohrfeige. Und wo wollte Fiona schon hin? Es gab niemanden der sie aufgenommen hätte, kein Mädchen ohne Eltern hatte es leicht draußen. Fiona wusste das, genauso dass es keine Chance für sie gab, ihm zu entkommen außer eine Hochzeit – der nächste Vertrag über ihre Freiheit.


Keine einzige Blume schmückte mehr die hübschen Vasen auf den polierten Holzmöbeln, die Kerzenleuchter waren zu großen Teilen von getrocknetem Wachs überzogen und neue Kerzen fehlten gänzlich... aus den meisten Zimmern schlug einem die Kühle der Unberührtheit entgegen. Grau. Das Wort passte so perfekt zu diesem ehemaligen Zuhause, dass sich für sie von Geborgenheit und Wärme zu jener grauen Trostlosigkeit gewandelt hatte, die Fiona die Luft abschnürte. In ihrem Magen brannte der verletzte Stolz und die leise Angst er könnte sie einholen. Geistesabwesend tasteten ihre Finger über den roten Fleck in ihrem Gesicht und zitternd atmete sie aus, während Fiona durch den Gang im Untergeschoss hastete. 


Hier wuschen die Bediensteten Wäsche, kochten und führten jede andere Tätigkeit aus, die ihnen von den Herren des Hauses übertragen wurde. Es war wärmer, denn die Küche und auch der Waschraum verströmten stets die Hitze kochenden Wassers und eines knackenden Feuers. Seit ihr Vater den Bediensteten jeden Kontakt zu Fiona verboten hatte, konnte sie nicht einmal die beiden Zimmermädchen sehen, mit denen Fiona eine zweckmäßige Freundschaft verband. Auch die alte Köchin, die einer Mutter in diesem Haus wohl noch am nächsten kam, verließ die Küche kaum noch um Charles Anweisung nachzukommen. Vielleicht wagte sich auch deshalb niemand aus den Zimmern, als Fiona den schmalen Gang durchquerte und auf den Dienstbotenausgang zusteuerte. Den Teufel würde sie tun und ihre Zeit jetzt weiter mit dem Gerede über gute Erziehung und das richtige Einschenken von Tee vergeuden. Sollten sie Hunde und andere unglückselige Geschöpfe dressieren, doch sie wollte ihren Geist nicht... irgendwann ebenso stumpf und abgetötet sehen, wie den der Misses und hohen Damen.


Während Fiona durch den Gang eilte, das Poltern ihres Vaters hinter sich, streckte eine junge Frau mit weißer Haube den Kopf aus einem der Zimmer. Ihre Augen wurden groß als sie Fiona erblickte, schon öffnete sie den Mund... da fluchte Charles am Aufgang des Untergeschosses. Sofort klappte der Kiefer des Dienstmädchens wieder zu und sie verschwand still und leise im Waschzimmer, so als hätte sie nichts gesehen. Fiona war ihr dankbar, für wenigstens ein bisschen Hilfe... und wenn es nur das Schweigen war.


Die kleine Tür am Ende des Korridors rückte in greifbare Nähe und Fiona prallte halb gegen die Pforte, fing sich daran ab, nur um Sekunden später über die Schwelle zu eilen.
Satt und golden leuchtete ihr Sonnenlicht entgegen, strich liebevoll über das zarte Muster ihres Kleides und die helle Haut... bis es ihre Fingerspitzen berührte. Es kitzelte ihre Nasenspitze, die natürliche Wärme eines frischen Tages bettete Fiona in eine innige Umarmung und hätte sie mehr Zeit gehabt, sicher wäre sie stehengeblieben um es zu genießen.


Doch sie hielt nicht Inne, sondern ging schnellen Schrittes weiter bis zu dem kleinen Tor, dass hinaus auf den Gehweg der Straße führte. Die Blackfeuvers bewohnten derzeit Charles Stadthaus, da ihr Vater seit einigen Monaten geschäftlich in London aktiv war und durch die zentrale Lage brauchte Fiona lediglich durch das Gartentor schlüpfen um sich unter die Leute zu mischen. Es war ein schöner Tag und mehrere Damen in hübschen Kleidern passierten mit weißen Sonnenschirmen den Gehsteig.

A Neverland Tale - HOOKED (de)Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu