Kapitel 4.1 - Filou

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Spätestens in diesem Moment bewahrheitete sich sein Gefühl: Das Deck lag in vollkommenem Chaos. Piraten waren an Fässern heruntergesunken und hielten sich blutende Wunden. Andere hievten Körper auf einen Haufen, die sich nicht mehr regten. Später, wenn kein Pirat mehr unten in einem kleinen Beiboot stand, würden sie die Körper über Bord werfen. Dort fänden die Seemänner ihre letzte 'Ruhe' und ihren würden letzten Beitrag als Teil der Insel leisten, indem sie Futter für die hungrigen Sirenen und Krokodile wurden. Der Geruch von Schießpulver und vor allem Blut lag in der Luft. Letzteres war an vielen Stellen über das ganze Deck verschmiert und mischte sich zu den Farben von kreidigem, bunten Puders, dass die Jolly Roger wie ein bizarres Kunstwerk entstellte.


Sofort war Filou in Alarmstellung, senkte die Schultern und bleckte in der Art eines wütendes Hundes die Zähne.
„Was ist passiert?" forderte er sofort zu wissen.

"Pan und seine Bande." knurrte einer der Piraten, dessen Kamerad sich die Hand auf eine blutige Wunde an der Schulter drückte. "Habe sich mal wieder einen Spaß erlaubt..."

Filou stieß ein Knurren aus, dass seine Abscheu nicht ansatzweise verbarg. Peters verfluchte Ratten hatten also das Schiff überfallen, natürlich Piraten getötet und sie bestohlen.

"Die Männer?"

"Vier Tote, viele Verwundete. Vier schwer. Sharpeye, Slightfinger Dale, John Teak und Joshemy." vor allem den letzten Namen presste er zwischen den Zähnen hervor. Der Segelflicker war erst vor kurzem von Pans Bagage übergelaufen... sicher hatten sie ihn deshalb direkt erledigt, als er ihnen vor die Klinge gekommen war. "Arme Schweine... Mullins hat sie runter bringen lassen... schaffen vielleicht die Nacht nicht." brummte er düster.

Filou nickte verstehend. "Was haben die Ratten erwischt?"
"Vorräte. Gewürze, Mehl, aber auch Flaschen mit Wein oder getrocknetes Fleisch." erstattete ein anderer der Piraten Bericht und hielt demonstrativ einen Sack hoch, der von oben bis unten einfach nur aufgeschlitzt worden war.
Filou ließ indes den Blick schweifen, um die offensichtlichen Schäden aufzunehmen, während die beiden Piraten fortfuhren, den stellvertretenden Befehlshaber über die Fakten zu unterrichten: Die Segel waren in Mitleidenschaft geraten, Löcher mussten geflickt werden. Ein Teil der Mannschaft war fort- verfolgte die Mistbälger aber vermutlich würden sie bald zurückkehren.
"Sollen wir noch Leute schicken?" fragte Billy und Filou schüttelte sogleich den Kopf.
"Nein. Das Meer ist aufgewühlt genug und der Nebel zu dicht. Hätte der Kapitän mehr Männer gewollt, hätte er sie mitgenommen. Wir haben genug Männer in dem Spiel dieser Waldkobolde verloren." gab er zurück und sein Blick haftete sich an die Silhouette der Insel, die sich hinter dem Nebel erhob. In der Nacht wäre es tödlich, den Verlorenen zu weit in die Wälder zu folgen. Dort gab es Biester, Fallen und die Wilden.
"Der Kapitän wird sie sicher bis zur Erschöpfung hetzen." gab Billy in einem so gehässigen Tonfall von sich, dass Filou die Brauen hob.
"Einer der verdammten Pip hat sich in seine Kajüte gewagt." erzählte Billy und diesmal wurde sein Tonfall leiser, als wollte er verhindern, das zu viele der Mannschaft es mithörten wie Waschweiber, "... hat den Mantel des Kapitäns geklaut!"
Diesmal verwischte Filous Gesicht tatsächlich zu einem Ausdruck von... Fassungslosigkeit. Jedoch nur für einen Moment, dann fing er sich wieder.
'Den wird er persönlich aufschlitzen.' dachte der Maat, empfand dabei jedoch nur begrenzt Mitleid. Die Narren, die sich auf diese Spiele einließen... umso schneller es ein Ende nahm, umso besser für sie - und die Mitglieder seiner Crew.


Deshalb also war das Meer derartig aufgewühlt gewesen. Es ärgerte ihn unglaublich, dass sie nicht schneller zurückgekehrt waren. Es wäre ihm eine ganz besonders persönliche Freude gewesen, seine alten Kameraden wieder zu sehen. Was einst einmal eine enge, brüderliche Bindung gewesen war, löste heute nicht mehr als brodelnden Hass in ihm aus.
Nungut. Es war wie es war. Filous Blick glitt über einen der Piraten, vor dem gerade Mullins der Fleischflicker kniete und sich die klaffende Wunde an seiner Seite besah. Das Hemd und die Weste waren in ein dunkles Rot getränkt, der Pirat keuchte und war bleich wie der Tod. Was für eine seltsame Nacht, dachte er - und ahnte nicht, WIE seltsam sie tatsächlich werden sollte.


Erst jetzt bemerkte er, dass ein paar Männer in ihren Handlungen innegehalten hatten und zu ihnen starrten. Sie sahen so dämlich drein, als wäre eine Meerjungfrau aus den Wellen direkt auf die Jolly Roger gesprungen. Geraune und Gemurmel brandete erst in einer Gruppe auf, dann bei einer anderen und Filou hätte blind sein müssen, um das dunkle Glänzen in ihren Augen zu übersehen. Männer die vom Adrenalin des Kampfes aufgestachelt waren... die Situation war gefährlich.


„Bringt dieses Chaos in Ordnung!" bellte deshalb umso harscher, „Wenn der Kapitän zurück ist, ist das Deck geschrubbt, die Leichen über Bord und die Fässer gestapelt ihr verdammten Kielratten oder ich sorge dafür, dass er euch dafür Kielholen lässt!"
Die Männer zuckten zusammen. Der Tonfall des Maats war kalt und geschliffen wie eine Klinge, die sich an ihre Hälse legte. Keiner von ihnen wollte eine Strafe durch den Kapitän oder seine Rechte Hand in Kauf nehmen.
Nach einem kurzen Zucken kam sofort Bewegung in die Meute. Seine Befehle wurden wiederholt - manche blafften andere an und man konnte sehen, wie unangenehme Aufgaben förmlich die Rangkette herunterrollten. Solange, bis sie die jüngsten Matrosen erreichten, die leidig das Gesicht verzogen und sich dann an die Drecksarbeit machten. Indes griff FIlou erneut nach der Frau, hob sie sich wieder auf die Arme und schritt mit einem Schnauben voran in Richtung der Treppen, die unter Deck führten. Es war besser, wenn er das blutige Stück Fleisch verschwinden ließ, ehe die ausgehungerte Beute auf die Idee käme, trotz allem Risikos danach zu schnappen.

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A Neverland Tale - HOOKED (de)Where stories live. Discover now