Kapitel 34~

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Liam POV
Seufzend bearbeitete ich gerade etwas Papierkram, als meine Mutter anrief. „Hey, wie läuft's?", fragte ich und lehnte mich zurück. „Liam, du musst sofort herkommen. Runa hat eben eine Panikattacke bekommen und ist jetzt weggelaufen", antwortete meine Mutter hektisch und ich sprang auf. „Bin unterwegs!" Ich legte auf und eilte nach draußen zu meinem Auto. Mit quietschenden Reifen fuhr ich los. Schon bald war ich in der Stadt, in der meine Mutter und Lia mit Runa ein Hochzeitskleid suchen sollten. In der Stadt drosselte ich mein Tempo und hielt Ausschau nach Runa. Hinter dem Auto, mit dem sie unterwegs waren, parkte ich und stieg aus. „Sie ist plötzlich so blass geworden Liam und dann ist sie abgehauen...", stammelte Lia und ich lächelte sie an. „Wir finden sie schon, Lia. Alles gut. In welche Richtung ist sie denn gerannt?" Lia zeigte in eine Richtung und ich rannte dorthin. „Runa! Runa wo bist du?!", fragte ich laut und sah mich suchend um. Auf einmal hörte ich ein leises Schluchzend und folgte dem stirnrunzelnd. In einer Gasse sah ich Runa auf dem Boden knien. Sie presste die Hände auf die Ohren und schluchzte. „Runa", sprach ich sie an und kniete mich vor sie. Erschrocken sah sie auf und sah mich voller Angst an. Sie rutschte noch mehr ins Eck und ich seufzte. „Komm her, Runa!", befahl ich ihr, aber sie reagierte nicht. Aus aufgerissenen Augen sah sie mich an und atmete sehr flach.

Ich rieb mir über die Stirn und stand auf. Wenn Runa nicht freiwillig mitkommen würde, würde ich sie eben mitnehmen, sie hatte sowieso keine Wahl. Als ich sie allerdings berührte, schrie sie auf, als hätte sie Schmerzen. Fuck, hatte ich ihr gestern zu viel zugemutet? Aber ich musste sie zurücktragen, sie war viel zu leicht angezogen für diese Temperaturen. Wieder schrie sie, als ich sie berührte, aber diesmal ignorierte ich es und hob sie hoch. Schluchzend lehnte sie sich an mich und ich trug sie zurück zum Auto. Lia sah erschrocken aus, meine Mutter eher neutral, aber das war mir egal. Vorsichtig ließ ich Runa runter, fing sie aber sofort wieder ein, als sie stiften gehen wollte. „Ins Auto, Runa! Ich sag es nicht nochmal!" Diesmal gehorchte sie und stieg ein. Seufzend fuhr ich mir mit einer Hand durch die Haare. „Scheinbar war ich gestern zu grob und hab sie verschreckt, aber das wird wieder. Habt ihr alles erledigt oder müsst ihr die Tage nochmal los?" „Wir haben ein hübsches Kleid und schöne Schuhe für sie." „Gut, das heißt bis zur Hochzeit muss sie nicht mehr raus?" „Nein." „Dann kann ich mich um Runa kümmern, damit sie keine Angst mehr vor mir hat." „Viel Glück." Lia wank mir zu, als ich ins Auto stieg und nach Hause fuhr. Meine Männer würde sie und unsere Mutter heimfahren, aber ich musste mich dringend um Runa kümmern. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Runa versuchte die Türe zu öffnen, aber glücklicherweise, war die Zentralverriegelung aktiv. Was war plötzlich in sie gefahren? Wollte sie wirklich aus einem fahrenden Auto springen?

„Mir ist so schlecht...", murmelte sie plötzlich und presste eine Hand auf ihren Mund und eine auf ihren Bauch. Sofort hielt ich am Straßenrand und öffnete die Türe. Sie beugte sich aus dem Auto und erbrach sich. Ich hielt ihr die Haare zurück und strich ihr über den Rücken. Als sie sich nicht mehr erbrechen musste, lehnte sie sich wieder zurück und schloss die Augen. „Wir reden daheim", sagte ich und reichte ihr ein Taschentuch. Stumm wischte sie den Mund ab und ich beugte mich an ihr vorbei um die Türe wieder zu schließen. Dann fuhr ich weiter und wir waren auch bald da. Ich parkte direkt vor der Türe, damit wir keinen weiten Weg hatten. Runa stieg aus, konnte sich aber kaum auf den Beinen halten. Seufzend stieg ich aus, ging um das Auto herum und hob sie hoch. Sie wehrte sich nicht einmal, was noch mal verdeutlichte, dass es ihr nicht gut ging. „Du bist widersprüchlich", murmelte sie und überrascht sah ich sie an. „Wieso?", fragte ich sie und trug sie hoch ins Bad. In der Dusche ließ ich sie runter und fing an sie auszuziehen. Noch immer hatte sie mir nicht geantwortet, sie sah mich einfach nur nachdenklich an. „Runa? Wieso bin ich widersprüchlich?" „Einmal bist du so grausam und gewalttätig zu mir und dann plötzlich wieder so sanft..." Ich lächelte und zog mich nun selbst aus, bevor ich das Wasser anmachte. Das Pflaster auf ihrer Wunde war wasserfest, damit die Wunde darunter gut verheilen konnte. Vielleicht hatte ich damit etwas übertrieben, aber ich hatte ihr meinen Namen in die Haut geritzt, sie wusste jedoch noch nichts davon. Eigentlich hatte ich auch nicht soweit gehen wollen, aber sie hatte mich provoziert, obwohl ich sie gewarnt hatte.

Vorsichtig wusch ich sie und schickte sie dann nach draußen, damit sie sich noch die Zähne putzen konnte. Währenddessen duschte ich selbst noch schnell und machte dann das Wasser aus. Runa trocknete sich gerade etwas unbeholfen ab und ich half ihr, nachdem ich mich selbst abgetrocknet hatte. „Meine Schulter tut weh...", murrte sie und ich runzelte die Stirn. Das dürfte eigentlich nicht sein. „Setz dich im Schlafzimmer aufs Bett, ich sehe es mir gleich an", meinte ich und sie ging rüber. Mit dem Erste-Hilfe Kasten folgte ich ihr, stellte ihn aber erst neben ihr ab. Dann ging ich ins Ankleidezimmer, zog mir etwas an und nahm frische Sachen für Runa mit zurück. Runa sah mich die ganze Zeit über an und ich setzte mich neben sie. Vorsichtig zog ich das Pflaster ab und fluchte. Die Wunde sah nicht gut aus, wesentlich schlimmer als heute Morgen noch. „Reagierst du vielleicht allergisch auf die Wundsalbe?", fragte ich sie und holte das Desinfektionsmittel aus dem Kasten, zusammen mit einer Kompresse. „Kann sein, ich reagiere manchmal auf Salben, aber vielleicht war sie auch abgelaufen...", murmelte sie und sackte zur Seite. Sofort hielt ich sie fest und fluchte leise, als ich mir die Salbe genauer ansah. Tatsächlich war sie seit einigen Monaten abgelaufen. Vorsichtig wischte ich mit der Kompresse, auf die ich etwas Desinfektionsmittel gegeben hatte, über die Wunde und musste Runa dabei gut festhalten, weil sie aufschrie und sich wehrte. „Shh, ganz ruhig Runa. Der Schmerz lässt gleich nach, es wird gleich besser, versprochen", flüsterte ich und sie schluchzte. „Du lügst...es wird nie besser werden...", schluchzte sie und ich seufzte. „Vertrau mir Runa, es wird besser", versicherte ich ihr, aber sie schüttelte den Kopf.

„Ich will zu Milo...lass mich zurück Liam, bitte. Ich will zurück...", wimmerte sie und ich seufzte. „Das geht nicht. Du kannst nicht wieder zurück. Dein Bruder ist tot, Runa", sagte ich und sie erstarrte. „Nein...nein...du lügst! Milo lebt!", schrie sie und schlug auf mich ein. „Er ist tot Runa! Ich lüge dich nicht an!" Das tat ich sehr wohl, aber das musste sie nicht wissen. Solange sie dachte, dass er tot war, würde sie bei mir bleiben, weil sie sonst niemanden hatte. Kraftlos sackte Runa gegen mich und ich hielt sie fest. „Shh, schon gut, ich halte dich. Ich bin da", flüsterte ich und sie schluchzte leise. „Ich hab meinen Bruder auf dem Gewissen...", schluchzte sie und ich seufzte. Natürlich gab sie sich die Schuld, aber das würde bald anders aussehen, ich musste sie nur ablenken. „Willst du immer noch zurück?", fragte ich sie, dabei kannte ich die Antwort bereits. Sie hatte niemanden außer mir und sie war nicht bereit für das Leben, sie hatte keine Ahnung, wie das richtige Leben ging, es würde sie noch mehr zerstören. „Wohin soll ich denn? Milo ist tot...Wuschel auch und Noah wird mich hassen, weil ich doch Schuld an dem Tod seines Freundes bin...", wisperte sie und sah mich traurig an. „Ich bringe nur Unglück Liam...auch dir werde ich irgendwann Unglück bringen...also...wäre es doch besser wenn ich einfach sterbe...oder?" Fassungslos sah ich sie an. Das wollte ich nicht. Sie sollte nicht über ihren Tod nachdenken, denn sie trug an nichts Schuld. „Runa, sieh mich an! Du bist nicht Schuld, an gar nichts! Du hättest es nicht verhindern können!", stellte ich klar, aber ich sah, dass sie mir nicht glaubte. „Doch...ich hätte einfach bei dir bleiben können...dann würde Milo noch Leben..." Fuck, sie war wirklich davon überzeugt, dass sie Schuld war. „Du hattest keine Erinnerungen mehr und warst verwirrt, das ist okay. Wirklich. Aber hör auf dir die Schuld zu geben!"

Sie schüttelte nur den Kopf und wollte nach der Verbandschere im Erste-Hilfe Kasten greifen, aber das ließ ich nicht zu. „Bring mich um Liam! Bitte!" „Nein!" Schluchzend sah sie mich an und ich zog sie an mich. Hoffentlich würde das bald vorbeigehen. Vielleicht lag es nur an den Schmerzen, die sie durch die entzündete Wunde hatte. „Schlaf ein wenig, Runa. Morgen sieht alles schon viel besser aus, du wirst sehen", murmelte ich und strich ihr durch die Haare. Langsam schlief sie ein, was aber auch an der Erschöpfung lag. Ich war viel zu unvorsichtig mit Runa umgegangen. Sie war wesentlich zerbrechlicher, als es wirkte, das wusste ich jetzt.



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Ein kleines Bonuskapitel ;)

You are Mine, little BirdWhere stories live. Discover now