Kapitel 19~

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Runa POV
Der Mann vor mir sah erschüttert aus. Kannte ich ihn? Ich wusste es nicht. „Verarsch mich nicht, Runa“, meinte er, aber ich sah ihn verzweifelt an. In meinem Kopf herrschte völlige Leere. Ich wusste nichts mehr. War ich Runa? Oder verwechselte er mich vielleicht? Auf einmal kam ein Mann in weißem Kittel rein und ich versuchte mich aufzusetzen. Der Mann, der mich Runa genannt hatte, half mir und ich beobachtete ihn genau. „Schön dass sie wach sind, Miss Aikawa. Ich bin Dr. Lewis, ihr behandelnder Arzt“, begrüßte der Arzt mich und ich nickte unsicher. „Ist alles in Ordnung mit ihnen? Sie sind so blass“, fragte er mich und ich senkte den Blick. „Sie erinnert sich nicht, an gar nichts, nicht einmal an ihren Namen“, sagte der Mann und der Arzt zog scharf die Luft ein. „Das ist sehr bedenklich, wir müssen sie auf jeden Fall nochmal untersuchen.“ Ich nickte nur, was sollte ich auch sonst tun? „Ruhen sie sich noch etwas aus, Miss Aikawa. Vielleicht kommen ihre Erinnerungen auch bald wieder. Ich werde sie jetzt zur Untersuchung anmelden und eine Schwester wird sie dann abholen“, sagte Dr. Lewis und ging dann wieder.

„Wer bist du?“, fragte ich den Mann, der neben meinem Bett stand, leise. „Ich bin Liam, dein Freund“, antwortete er und erschrocken sah ich ihn an. „Ich…ich…“, stammelte ich verzweifelt und er lächelte. „Ist schon gut. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber“, meinte er, aber ich tat es dennoch. „Es tut mir leid…es tut mir so leid…“, wisperte ich und kniff die Augen zusammen. „Nein, hey, nicht weinen. Bitte, hör auf zu weinen“, bat Liam mich und setzte sich auf die Bettkante. Unsicher sah ich ihn an. Er wollte noch etwas sagen, aber in dem Moment kam eine Krankenschwester rein und er schloss den Mund wieder. „Ich besuche dich morgen noch einmal, okay?“, meinte er und küsste mich auf die Stirn. Stumm nickte ich und er verließ das Krankenzimmer. Die Schwester half mir in den Rollstuhl, den sie dabeihatte und schob mich durch das Krankenhaus. Die ganze Zeit starrte ich auf meine Hände, die in meinem Schoß lagen. Wieso erinnerte ich mich an nichts. Lediglich eine Zahlenreihe, ich vermutete eine Telefonnummer, schwirrte mir im Kopf herum, aber das sagte ich niemandem, wieso, wusste ich nicht. „Haben sie eigentlich irgendwelche Beschwerden? Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit?“, fragte die Schwester mich und ich verneinte das. Abgesehen von dem Gedächtnisverlust war alles gut. Die Schwester brachte mich zur Untersuchung und ich musst ein CT über mich ergehen lassen. Danach brachte sie mich zurück auf mein Zimmer und ich versuchte zu schlafen, was ich auch schaffte.

Am nächsten Morgen wachte ich von selbst auf. Mein Kopf war noch immer leer, abgesehen von der Nummer. Deprimiert schaute ich aus dem Fenster. Als es klopfte schaute ich zur Türe und bat denjenigen herein. Es war Liam und er hatte ein Tablett  dabei. „Guten Morgen, Runa“, begrüßte er mich und stellte das Tablett auf meinem Schoß ab. „Ich hab dir direkt dein Frühstück gebracht“, meinte er und ich nickte nur. „Danke…“, wisperte ich und fing an das Käsebrot zu essen. Liam setzte sich neben das Bett und beobachtete mich. „Als ich fertig war nahm er das Tablett wieder weg und stellte es weg. „Wie geht es dir?“, fragte er mich und ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin immer noch verwirrt…“, murmelte ich. Nach wenigen Minuten kam Dr. Lewis rein und Liam sah ihn erwartungsvoll an. „Also ich hab die Ergebnisse von gestern. Dein Gehirn hat soweit keine Schäden davon getragen, und ich kann keine Erklärung für deinen Gedächtnisverlust finden. Vielleicht ist es nur temporär, ich würde mir auf jeden Fall keine Sorgen machen“, erklärte er und ich seufzte niedergeschlagen. „Hey, sei nicht traurig, Runa. Du bekommst deine Erinnerungen wieder und wenn nicht, dann schaffen wir einfach neue“, meinte Liam und ich sah ihn unsicher an. „Wie lange muss sie denn noch im Krankenhaus bleiben?“, fragte er Dr. Lewis. „Vielleicht noch so 2 oder 3 Tage“, war die Antwort und Liam seufzte. „Ruft mich, wenn ihr noch Fragen habt. Ansonsten lasse ich euch mal alleine.“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und ich sah Liam unsicher an.

„Sieh mich nicht so verunsichert an Runa, ich bitte dich.“ „Aber ich hab dich einfach vergessen, Liam…das…das ist grausam von mir…“ Seufzend setzte Liam sich auf das Bett, also zu mir und zog mich auf seinen Schoß. Dann strich er mir über den Rücken. „Hör auf dir die Schuld zu geben. Du kannst nichts dafür. Es ist allein meine Schuld, weil ich nicht auf dich aufgepasst habe“, murmelte er und ich schüttelte den Kopf. „Das ist bestimmt nicht deine Schuld“, meinte ich und küsste ihn kurz. Er lächelte und ich kuschelte mich an ihn. Wir saßen eine Weile so da, bis irgendwann auf einmal sein Handy klingelte. Seufzend hob er mich von seinem Schoß und verließ mit einem entschuldigend Blick das Zimmer. Seufzend legte ich mich wieder hin. Die Telefonnummer ging mir nicht aus dem Kopf, aber irgendwas in mir sperrte sich dagegen, Liam nach einem Telefon zu fragen, ich wusste aber nicht wieso. Es dauerte, bis Liam wiederkam, aber als er es tat hatte er eine Tasche dabei. „Die Tasche hatte ich im Auto vergessen, da sind ein paar Klamotten von dir drin und auch Duschzeug, ich kann mir vorstellen, dass du duschen möchtest, aber gib vorher einer Schwester Bescheid, wegen dem Verband“, erklärte er mir und ich nickte. „Ich muss jetzt aber leider weg, es ist etwas vorgefallen, worum ich mich kümmern muss“, meinte er und küsste mich auf die Stirn, bevor er ging.

Nur wenig später kam eine Schwester herein und half mir dabei den Verband abzunehmen, scheinbar hatte Liam ihr Bescheid gegeben. „Gehen sie duschen, ich warte hier auf sie“, erklärte sie und ich runzelte die Stirn. „Aber sie haben doch bestimmt besseres zu tun“, wandte ich ein. „Das ist in Ordnung, gehen sie nur“, erwiderte sie und ich tat es, denn ich wollte wirklich dringend duschen. Als ich fertig war, die Wunde an meinem Hinterkopf hatte ein wenig gebrannt, zog ich mir frische Unterwäsche, ein Jogginghose, ein T-Shirt und einen Pulli aus der Tasche an. Dann ging ich nach draußen und die Schwester war tatsächlich noch da. Sie föhnte meine Haare vorsichtig, was wieder ziemlich wehtat, aber ich hielt es aus, bevor sie mir einen frischen Verband anlegte. „Danke…“, flüsterte ich und sie nickte. Sie ging und ich war mal wieder alleine. Traurig und deprimiert sah ich nach draußen. Ich wollte mich wieder erinnern. Ich wollte mich so gerne erinnern, aber es ging nicht. Irgendwann wurde das Abendessen gebracht, ich aß es, aber nur sehr lustlos, es schmeckte auch nach nichts. Als die Schwester das leere Tablett abholte, empfahl sie mir, früh schlafen zugehen, da ich ja noch viel Ruhe benötigte.

Genervt legte ich mich hin und drehte mich auf die Seite, mit dem Gesicht zum Fenster. So würde jeder, der reinkam denken, dass ich schlief, aber ich konnte aus dem Fenster schauen, denn ich war noch gar nicht müde. Tatsächlich schaut irgendwann jemand kurz ins Zimmer, ging aber wieder und ich konnte weiter die Sterne bewundern. So ein schöner Nachthimmel und so viele Sterne. Da ich noch nicht müde war geriet ich ins Grübeln. Was war das für eine Telefonnummer, die mir nicht mehr aus dem Kopf ging? Hatte ich Familie? Und wenn ja, wusste sie wo ich war? Wo hatten Liam und ich uns kennengelernt und wann? Wie war die Wunde an meinem Hinterkopf passiert? Mir schwirrten so viele Fragen im Kopf herum, aber auf keine fand ich eine Antwort. Lautlos schluchzend klammerte ich mich an mein Kissen und vergrub das Gesicht darin. Ich wollte doch nur wissen, wer ich war. Aber vielleicht würde ich das nur herausfinden, wenn ich die ominöse Telefonnummer anrief, doch wie sollte ich das anstellen?

You are Mine, little BirdWhere stories live. Discover now