Kapitel 17~

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Als ich aufwachte lag Liam hinter mir und schlief noch. Entsetzt stellte ich fest, dass ich nur noch meine Unterhose trug, mehr nicht. Wieso hatte Liam mich so weit ausgezogen? „Na, kleiner Vogel. Auch schon wach?", fragte Liam mich verschlafen und ich zuckte erschrocken zusammen. War ich so tief in Gedanken versunken gewesen? „Wieso hast du mich ausgezogen?", fragte ich leise. „Mir erschien das Kleid zu ungemütlich", antwortete er nur und stand auf. „Duschen tuen wir nach dem Essen, ich hab jetzt Hunger", meinte er und ging ins Ankleidezimmer. Ich setzte mich auf und presste die Decke an mich, denn ich würde nicht halbnackt vor Liam rumlaufen, wenn es sich vermeiden ließ. Besagter kam eben wieder zurück, angezogen und mit einem T-Shirt in der Hand, welches er mir zuwarf. Hastig zog ich es an und stand dann auf. „Fürs Frühstück reicht das." Mit diesen Worten verließ er das Schlafzimmer und ich folgte ihm gezwungenermaßen, aber erst nachdem ich kurz im Bad gewesen war. Immerhin ging mir das T-Shirt bis zur Mitte meiner Oberschenkel.

Als ich gerade die Treppe nach unten herunterstieg sah ich, wie Liam das Mädchen von gestern nach drinnen zog. Hatte sie versucht abzuhauen oder hatte er sie die ganze Nacht im Kofferraum gelassen? „Nummer Drei! Bring sie in die Küche, gib ihr etwas zu essen und zu trinken!", befahl er und angesprochene verneigte sich, bevor sie dem misshandelten Mädchen in die Küche half. „Runa." Erschrocken sah ich zu Liam. Ich hatte ihn komplett ausgeblendet. „Komm, das Frühstück steht schon da", meinte er und ging ins Esszimmer. Zögerlich folgte ich ihm und setzte mich auf meinen Platz. „Hast du sie die Nacht über im Kofferraum gelassen?", fragte ich ihn leise und sah ihn an. „Ja", antwortete er und ich sah ihn völlig entsetzt an. „Es war nicht kalt heute Nacht und sie hat genug Luft bekommen, also beruhig dich", meinte er und schmierte sich ein Leberwurstbrot. Ich nahm mir wieder Obstsalat, den gab es in letzter Zeit regelmäßig. „Du warst vorgestern nicht mit mir draußen...", wisperte ich und er seufzte. „Es hat geregnet, das weißt du", erwiderte er. „Können wir dann heute raus? Die Sonne scheint...", bat ich leise und er stimmte zu.

Erfreut aß ich meinen Obstsalat, bis ein Schrei aus der Küche ertönte. Sofort sprang Liam auf und stieß die Türe zur Küche auf. „Fuck!", fluchte er und weil ich neugierig war ging ich zu ihm. Hätte ich es mal besser nicht getan. Das Mädchen, das Liam gestern gekauft hatte und das andere lagen auf dem Boden, blutend. So wie es aussah hatte das stark misshandelte Mädchen sich ein großes Messer geschnappt und erst die andere und dann sich getötet. Ich spürte wie mir das eben gegessene hochkam und übergab mich neben Liam auf den Boden. Wieder fluchte Liam und hielt mir die Haare zurück. „Wieso bist du nicht sitzengeblieben?", fragte er mich aufgebracht und hob mich hoch, als ich nicht mehr spucken musste. Zitternd lag ich in seinen Armen und gab keine Antwort. Seufzend trug er mich nach oben ins Bad und half mir erst einmal Zähne zu putzen bevor er mich auszog. Ich stand so sehr unter Schock, dass ich es einfach zuließ. „Es tut mir wirklich leid, dass du das gesehen hast", meinte Liam und setzte mich in die Badewanne, bevor er heißes Wasser einließ. „Wieso hat sie das getan?", fragte ich leise, erwartete aber keine Antwort, bekam sie trotzdem. „Ich weiß es nicht, aber vermutlich war es die Angst. So was kommt vor, ist nicht das erste Mal, aber es ist ärgerlich, dass es ausgerechnet Nummer Drei erwischt hat. Sonst haben die Mädchen sich immer nur selbst umgebracht und niemanden sonst." Wie konnte er so ruhig bleiben? Interessierte es ihn nicht, dass eben zwei Menschen gestorben sind?

„Ich kümmere mich kurz um die Leichen und sehen dann wieder nach dir. Mach bitte keinen Blödsinn", bat er mich und wartete, bis ich genickt hatte, bevor er wieder ging. Selbst das warme Wasser wärmte mich nicht, denn mir war innerlich kalt. Tränen tropften ins Wasser und ich konnte es nicht verhindern. Nicht weit von mir waren zwei gestorben und ich hatte es nicht mitbekommen. Es war so grausam. Schluchzend zog ich die Knie ganz dicht an meinen Körper und legte die Arme darum. So zusammengekauert saß ich in der Badewanne und starrte ins leere, während mir weiterhin Tränen übers Gesicht liefen. Irgendwann kam Liam wieder und ließ das Wasser ab. Er hob mich aus der Badewanne und trocknete mich ab. Stumm starrte ich ihn an und ließ es einfach passieren. Immerhin nutzte er es nicht aus und fasste mich unangebracht an, er kümmerte sich wirklich um mich, er föhnte sogar meine Haare. Dann trug er mich vorsichtig ins Schlafzimmer und setzte mich auf dem Bett ab, bevor er frische Kleidung holen ging. Er zog mich an und zwang mich dann, mich unter die Decke zu legen. „Ich gehe noch schnell duschen und komme dann auch", meinte er und ging ins Bad. Ich hörte das Wasserrauschen und es war besser als Stille, denn dann bildete ich mir ein, den Schrei nochmal zu hören. Mir liefen noch immer Tränen übers Gesicht, ich konnte es nicht aufhalten.

Irgendwann hörte das Wasserrauschen auf und kurz danach kam Liam wieder aus dem Bad. Kurz verschwand er im Ankleidezimmer und kam dann in Boxershorts wieder raus. Diesmal legte er sich nicht hinter mich, sondern vor mich und zog mich an sich. „Shh, hör auf zu weinen kleiner Vogel. Du hättest sie nicht retten können", flüsterte er und ich schluchzte. „Ich bin Schuld an ihrem Tod...ich habe sie befreit...wegen mir ist sie so weit gelaufen...nur deshalb hast du sie so hart bestraft, dass sie sich jetzt umgebracht hat...", schluchzte ich und er seufzte. „Du kannst nichts dafür, kleiner Vogel. Hör auf dir das einzureden", murmelte er und zog mich enger an sich. „Ich bin Schuld...", schluchzte ich immer und immer wieder. Liam strich mir über den Rücken und ließ mich weinen. Irgendwann ließen meine Tränen nach, aber ich fühlte mich komplett leer. Liam fluchte leise und murmelte noch irgendwas, aber ich hörte nicht zu. Wieso war die ganze Welt so grausam? Wieso ließ man so etwas zu? „Geht's wieder?", fragte Liam nach einer Weile, aber ich gab keine Antwort. Er seufzte und zwang mich ihn anzusehen. „Dich macht das ganz schön fertig, nicht? Du wirst sehen, morgen sieht alles schon viel besser aus", meinte er und küsste mich auf die Stirn. „Ich muss jetzt noch ein paar Dinge erledigen. Nummer, eins, zwei, vier und fünf müssen erfahren was passiert ist und aufgeräumt werden muss auch noch. Bleib du ruhig im Bett und schlaf etwas, du brauchst die Ruhe", meinte er und stand auf.

Ich zog die Decke über meinen Kopf und wartete, bis er aus dem Zimmer war. Davor hatte er mir noch eingeschärft keinen Blödsinn zu machen. Was er unter Blödsinn verstand war mir nun klar, er wollte nicht, dass ich mich umbrachte, aber bevor er nicht seine gerechte Strafe bekommen hatte, würde ich mir nichts antun. Aber ich musste jetzt mit Milo reden, ich brauchte das. Deshalb holte ich das Handy hervor und rief ihn an. Recht bald ging er ran und schon als er meinen Namen sagte, schluchzte ich wieder. „Runa? Scheiße Runa! Was ist passiert?", fragte er besorgt. „Ich bin Schuld Milo...ich bin Schuld, dass sie tot sind...", schluchzte ich. „Wer?", fragte Milo ruhig. „Das Mädchen, das es bis zur Polizeistation geschafft hat und auch einen Polizisten getroffen hat, der nicht geschmiert war...und eines der Mädchen die Liam schon bei sich hatte...sie sind beide tot und ich bin Schuld..." „Nein, du bist nicht Schuld, Runa. Ganz bestimmt nicht." „Doch...ich habe ihnen zur Flucht verholfen und nur deshalb hat Liam sie so sehr misshandelt, dass sie erst das eine Mädchen und dann sich selbst getötet hat..." „Runa, du bist nicht Schuld! Bitte rede dir das nicht ein!" „Doch...ich bin Schuld...", schluchzte ich.

„Runa, mit wem sprichst du?!", fragte Liam auf einmal und erschrocken sah ich ihn an. Er entriss mir das Handy und zerrte mich an meinen Haare nach oben. Ich schrie vor Schmerz und er ließ das Handy auf den Boden fallen, bevor er es zertrat. Panisch sah ich ihn an. Was hatte er jetzt vor? Liam stieß mich zurück aufs Bett und lief davor auf und ab. „Der ganze Tag ist einfach nur Scheiße. Seit wann hast du das Handy?", fragte er mich wütend. „Seit ein paar Tagen...", antwortete ich schluchzend. „Woher hast du es?" „Es lag unter dem Nachttisch...ich weiß wirklich nicht, wer es dahin getan hat..." Ängstlich sah ich ihn an. Wer wusste schon, was er jetzt tun würde. „Ich glaube ich weiß, woher das Handy kommt. Du bleibst hier und mach wirklich keinen Scheiß, ich bin schon wütend genug!" Mit diesen Worten verließ Liam das Zimmer wieder und knallte dabei die Türe zu.

Kurz darauf ertönte ein Schrei und ich presste eine Hand auf den Mund, weil es mich an heute Morgen erinnerte. Hastig stand ich auf und rannte nach unten. Ein Wimmern kam aus dem Esszimmer und da ging ich auch sofort hin. Erschrocken presste ich eine Hand auf den Mund. Liam war dabei eines der vier Mädchen mit dem Gürtel zu schlagen und zwar so stark, dass die Haut am Rücken aufplatzte. Die anderen Drei knieten an der Wand am Boden und zuckten jedes Mal, wenn das Mädchen, welches bestraft wurde, geschlagen wurde, zusammen. „Hör auf Liam!", schrie ich und hängte mich an den Arm, in dessen Hand er den Gürtel hielt. Gereizt stieß er mich zurück. Ich stolperte zurück und fiel dabei hin, weil ich über meine eigenen Füße stolperte. Ich sah nur, wie Liam erschrocken die Augen aufriss und nach mir greifen wollte. Dann traf mich etwas hartes am Hinterkopf und alles wurde schwarz.

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Hey, willkommen zur Lesenacht. Ich hoffe euch gefallen die Kapitel. Wie bereits angekündigt kommt jede halbe Stunde abwechselnd zu meinen beiden Geschichten ein Kapitel. Um 20:30 Uhr geht es also mit "I will find You" weiter. Frohe Ostern und eine schöne Lesenacht euch ;)

You are Mine, little BirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt